Von Jürgen Wasem-GutensohnDer Schweizer Software-Entwickler
Coresystems in Windisch ist spezialisiert auf Erweiterungsmodule für weltweit eingesetzte ERP- und CRM-Systeme wie SAP Business One oder
Microsoft Dynamics. Die Software der Schweizer ergänzt die Systeme beispielsweise um Reporting- oder Suchfunktionen oder macht aus ihnen eine vollwertige E-Commerce-Anwendung.
Um die ERP-Daten für die insgesamt 45’000 Anwender der Coresystems-Kunden auch von mobilen Endgeräten zugänglich zu machen, schufen die Programmierer die Coresuite Mobile. Diese Lösung exportiert die zuvor vom Kunden festgelegten Daten und macht sie über einen Webdienst auch für die reisenden Mitarbeiter zugänglich. Dabei spielt es keine Rolle, welche Art Endgerät der Anwender nutzt: Der Webdienst versteht sich mit iPad, iPhone, Blackberry, Windows Phone 7 oder auch einem Silverlight-Client.
Coresystems ist aber ein Entwickler von Software – und kein Betreiber von Rechenzentren. Daher war den Verantwortlichen schnell klar, dass sie die für ihre Coresuite Mobile notwendige Infrastruktur nicht selbst betreiben wollen und können. «Zwar haben wir kurz darüber nachgedacht, die für die Webschnittstelle notwendigen Server selbst zu hosten. Aber schon ein Überschlag der Kosten machte sofort klar, dass das nicht wirtschaftlich wäre. Alleine das Budget für die notwendigen Administratoren liegt ein Mehrfaches über dem Budget für die Amazon-Server-Instanzen samt notwendigen Lizenzen», erklärt Thierry Rietsch, der für die Coresuite Mobile verantwortliche Software-Architekt.
Erfolgsmodell Cloud Computing
Also entschieden sich die Verantwortlichen für einen Cloud-Anbieter, bei dem sie ihre Server unterbringen können. Die Wahl fiel auf Ama-zon EC2, nachdem Anbieter wie
Microsoft Azure oder Rackspace aus unterschiedlichen Gründen ausschieden. Für EC2 sprach unter anderem, dass
Amazon Rechenzentren überall auf der Welt betreibt und
Coresystems seinen Kunden so weltweite Verfügbarkeit bieten kann. «Für manche unserer Kunden ist es beispielsweise aus rechtlichen Gründen essentiell, dass ihre Daten eine bestimmte Region nicht verlassen. Dank Amazons weltweiter Präsenz können wir diesem Wunsch leicht nachkommen», führt Rietsch weiter aus.
Red Hat goes Cloud
Neben Flexibilität und niedrigen Kosten sprach aus Sicht von Coresystems noch ein weiterer Punkt für EC2: Als
Red Hat Premier Certified Cloud Provider bietet
Amazon Red-Hat-Software in seiner EC2-Cloud an. Amazon offeriert vorgefertigte Images mit Red Hat Enterprise Linux und JBoss, die von Coresystems angepasst und dann für Coresuite Mobile genutzt werden.
Für Coresystems stand von Beginn an fest, dass sie den Cloud-Dienst aus Kostengründen auf Linux aufbauen wollen. «Wir entschieden uns für Red Hat Enterprise Linux, weil Red Hat ein umfassendes Produktportfolio hat. Da unsere Entwickler eine Lösung aus einer Hand wollten, entschieden wir uns zusätzlich zu Red Hat Enterprise Linux für die JBoss Enterprise Application Platform», erklärt Thierry Rietsch.
Technisch spricht einiges für JBoss: «Die JBoss Enterprise Application Platform macht uns die Entwicklung sehr leicht. Dank des
Hibernate-Frameworks müssen wir uns nicht mit der Datenbanksprache von PostgresSQL beschäftigen, sondern können wie gewohnt in Java entwickeln. Hibernate nimmt uns das Übersetzen zwischen den Software-Komponenten ab», erklärt Lead Architect Rietsch.
Datenbanken spielen eine entscheidende Rolle für die Cloud-Plattform. Denn anstatt eine grosse Datenbank zu erzeugen, in der die Daten aller Kunden zwischengespeichert werden, erzeugt die Java-Anwendung für jeden Kunden eine eigene Datenbank. «Das bringt uns entscheidende Tempovorteile. Wir holen so das Maximum aus einer vergleichsweise überschaubaren und somit kosteneffizienten Infrastruktur heraus», erklärt Rietsch. Die komplette Cloud-Plattform hinter Coresuite Mobile basiert derzeit auf zehn von Amazon gemieteten Servern.
Während der Entwicklungsphase standen Red Hats Cloud-Spezialisten den Schweizern mit Rat und Tat zur Seite. Die Experten gaben die bereits gesammelten Erfahrungen mit Cloud-Anwendungen und dem Konzipieren von Cloud-Systemen an
Coresystems, das inzwischen Red Hat Advanced ISV Partner ist, weiter. Dazu Thierry Rietsch: «Die Zusammenarbeit mit Red Hat war die ganze Zeit über gut. Wir fühlen uns sehr gut betreut.» Trotz der ungewohnten Umgebung – Coresuite Mobile ist das erste Cloud-Projekt der ERP-Modul-Spezialisten – vergingen dank der Unterstützung durch Red Hat nur neun Monate, um aus einer Idee ein Produkt zu machen, auf dem die ersten Anwender produktiv arbeiten konnten.
Auf Nummer sicher
Red Hat Enterprise Linux (RHEL) bietet den Entwicklern – und somit letztlich den Nutzern des Cloud-Dienstes – reichlich Funktionen, um die Sicherheit des Angebots zu erhöhen. «Sicherheit war von Beginn an ein integraler Teil des Konzepts, auf dem Coresuite Mobile basiert», betont Entwicklungschef Rietsch. «Wir verwenden beispielsweise die Festplattenverschlüsselungsoption von
Red Hat Enterprise Linux. Beim Implementieren der Funktion stand uns Red Hat wiederum zur Seite», so Rietsch weiter. Die Full Disk Encryption (FDE) sorgt dafür, dass selbst im Fall des Diebstahls einer Festplatte aus einem der Amazon-
Rechenzentren keine Daten von Coresystems-Kunden in fremde Hände gelangen.
Auch der eigenen Mannschaft hat Coresystems im Sinne der Anwender strenge Regeln auferlegt. So arbeiten Entwickler nach dem Vier-Augen-Prinzip immer paarweise an der Cloud-Plattform. Interne Protokolle halten alle Änderungen im Detail fest, so dass im Zweifel sofort nachvollziehbar ist, wann und was von welchem Entwickler geändert oder ausgelesen wurde.
Auch die Datentransfers selbst sind geschützt: Secure
Socket Layer (SSL) kommt sowohl für den Austausch zwischen dem ERP-Connector und dem Cloud-Dienst als auch zwischen der Cloud und den auf den Smartphones installierten Clients zum Einsatz.
Ausbaupläne
Die von den derzeit 300 Coresuite-Mobile-Kunden erzeugte Last handhaben die insgesamt zehn RHEL-Server gut. Vier Monate nach dem Start zeigt man sich bei
Coresystems mit dem Gespann aus Amazon-Hosting, JBoss-Anwendungsserver und RHEL zufrieden: «Wir konnten mit wenig Aufwand und zu geringen Kosten eine Plattform schaffen, die mit tausenden Nutzern zurecht kommt», freut sich Thier-ry Rietsch. Aufgrund der positiven Erfahrungen der ersten Monate schmieden die Verantwortlichen bei Coresystems Ausbaupläne: «Wir wollen mehr Server hinzunehmen, um ein hochverfügbares System zu schaffen. Neue Maschinen arbeiten dann auch gleich auf
Red Hat Enterprise Linux 6. Beim Ausbau der Infrastruktur hilft uns wiederum die Server-Software, indem sie durch die integrierten Lastverteilungsfunktionen für gute Leistung sorgt», führt Thierry Rietsch aus. Ziel der Schweizer: Bis zum Jahr 2014 sollen 200’000 Anwender mit der Coresuite Mobile von unterwegs aus auf ihre ERP-Daten zugreifen.
Jürgen Wasem-Gutensohn
Jürgen Wasem-Gutensohn ist freier Journalist in München.