Microsoft und Intel: Traumpaar in neuem Glanz
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/33
Bald wird sich die Welt wohl noch mehr an die Allmacht der sogenannten Wintel-Allianz gewöhnen müssen. Das smarte Duo erstrahlt in neuer Blüte: Intel ist dabei, seine Midlife Crisis abzuschütteln, und für Microsoft bestehen die besten Aussichten, dass die Firma im Monopolprozess beinahe ungeschoren davon kommt.
Vor nicht allzu langer Zeit sah die Sache ganz und gar anders aus: Prozessormulti Intel kämpfte mit technischen Problemen, musste fehlerhafte Komponenten zurückrufen ("Camino"-Chipsatz) und ganze Produktpläne ("Timna"-Prozessor) in den Schredder werfen. Als dann schliesslich verschiedene Benchmarks bewiesen, dass Intel-Prozessoren leistungsmässig jenen von AMD nicht gewachsen sind, stand der Chip-Gigant ziemlich im Regen.
Das ist nun alles Schnee von gestern: Die neueste Roadmap von Intel (Seite 7) zeigt, in welche Richtung der CPU-Platzhirsch vorstösst. Und so bleibt denn AMD nichts anderes übrig, als mit krampfhaft anmutenden Marketing-Winkelzügen darauf hinzuweisen, dass man bei gleicher Taktrate schneller ist als Intel.
Auch im mobilen Umfeld bei den Notebooks ist Intel wieder allein auf weiter Flur und hat nichts und niemanden mehr zu fürchten - oder hat jemand in letzter Zeit irgendetwas von Transmeta gehört?
Kaum anders bei Microsoft: Dass Linux vorläufig wahrlich keine Desktop-Alternative ist, steht ausser Frage. Daran ändern auch die kommenden Office-Applikationen für das Open-Source-Betriebssystem nichts (Seite 9).
Und schliesslich ist es auch kaum denkbar, dass Microsoft angesichts der momentanen Wirtschaftslage mit drakonischen Auflagen der Richterin rechnen muss - ein Blick auf die Nasdaq-Aktienkurse genügt.
Damit ist die Strasse frei, sowohl für Microsoft als auch für Intel, um so weiter zu wirtschaften, wie man es über die letzten Jahre erfolgreich getan hat. Und die Konkurrenz wird immer ruhiger, was allerdings auch nicht weiter erstaunt. Wer hat denn ausser dem Wintel-Dream-Team die Dollars für 100 Millionen schwere Marketing-Kampagnen, um auch den hinterletzten Anwender davon zu überzeugen, dass es nichts besseres gibt als einen Intel-PC mit Windows? Niemand.
Und so blicken wir denn einer Zeit entgegen, in der vom mobilen PDA-Telefon bis hin zum blitzschnell rechnenden Superserver wirklich niemand mehr an Microsoft und Intel vorbei kommt.
Aber irgendwann wird es wohl auch keine so grosse Rolle mehr spielen, welche Komponenten in einem Rechner die grundsätzliche Arbeit verrichten. Wer fragt sich denn heute noch, wer den Transistor in seinem Radio geliefert oder wer die Software im Video-Recorder entwickelt hat? Niemand.
Es wird noch ein wenig dauern, und dann werden Intel und Microsoft zwar nach wie vor Unmengen von Dollars verdienen und ausgeben können, aber in der breiten Öffentlichkeit wird kaum mehr darüber gesprochen - dann ist der PC definitiv zum langweiligen, alltäglichen Gebrauchsgegenstand geworden, der - wenn die beiden Firmen das hinkriegen - hoffentlich nicht mehr abstürzt. Es sei denn, alles kommt anders. Aber wer denkt denn heute schon so weit,
liebe Leser? Ich nicht.