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Das Origami-Tablet-Netbook
Quelle: Lenovo

Thinkpad X1 Fold

Das Origami-Tablet-Netbook

Mit dem Thinkpad X1 Fold hat Lenovo einen faltbaren Rechner im Verkauf, der sowohl als Tablet, als kleines Notebook oder auch als All in One verwendet werden kann. Wir haben das Konzept getestet und einige unschöne Designschwächen entdeckt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2020/12

     

Die nicht mehr ganz jungen unter den Lesern mögen sich erinnern: An Netbooks, besonders kompakte und mobile, aber auch leistungsschwache Billig-Notebooks mit Atom-CPUs, die vor etwas über zehn Jahren für eine kurze Zeit im Trend waren. Ein klein wenig erinnert Lenovos Thinkpad X1 Fold an diese Netbooks, auch wenn der langerwartete neue Lenovo-Wurf alles andere als in der Vergangenheit schwelgt – sondern ganz im Gegenteil: Der Rechner könnte aufzeigen, wohin die Zukunft von Mobilrechnern gehen könnte. Doch der Reihe nach.

Mit dem Thinkpad X1 Fold bringt Lenovo den weltweit ersten Mobilrechner, der mit einem faltbaren Display ausgestattet ist – ähnlich dem des Samsung Galaxy Z Fold, das vor rund einem Jahr als erstes Smartphone mit Faltscreen lanciert wurde. Dessen Start aber verlief recht holprig – man erinnere sich an Schmutz, der seinen Weg via Scharnier unter das Display fand – und inzwischen wird das Gerät bereits in der zweiten Generation verkauft. Möglich, dass Lenovo genau diesen holprigen Start verhindern wollte und sich deshalb reichlich Zeit gelassen hat von der ersten Vorstellung des Falt-Notebooks Anfang Januar bis zum Release nun im Spätherbst.


Im Prinzip ist das Thinkpad X1 Fold ein grosses, 11,5 Millimeter dickes Windows-Tablet mit einem 13,3-Zoll-Display, einem Core-i5-Prozessor der 11. Generation, 8 GB RAM und 256 GB (opt. 512 GB) Speicher. Auf der Rückseite des aufgeklappten Geräts findet sich ein ausklappbarer Ständer, um den Rechner aufzustellen und zusammen mit Maus und Tastatur als eine Art mobilen All-in-One-Rechner zu verwenden. Alternativ kann man das Display auch halbieren und bekommt dann zwei 9,6-Zoll-Screens, die dank Lenovos Mode Switcher Software entweder im Zusammenspiel verwendet werden können, oder aber man packt auf einen Teil des Display das optionale Fold-Mini-Keyboard drauf und bekommt so quasi ein Mini-Notebook, das bezüglich Formfaktor, wie eingangs erwähnt, recht stark an ein Netbook erinnert.

Display und Scharnier

Das Bauteil, das bei Lenovos Falt-Laptop am meisten interessiert, ist zweifelsohne das Display im Zusammenhang mit dem Faltmechanismus. Lenovo hat ein OLED-Display verbaut, das mit 2048 x 1536 Pixeln auflöst. Da biegsam, ist es aus Kunststoff gefertigt, und so fühlt es sich bei Berührung auch an und so sieht es auch aus. Konkret bedeutet das: Es glänzt relativ stark, was sich je nach Lichtverhältnissen störend auswirken kann. Gleichzeitig ist es aber recht hell und stellt vor allem Farben brillant dar – nichts auszusetzen hier also.

Wie erwähnt kann man das X1 Fold in verschiedenen Modi verwenden – aufgeklappt als 13,3-Zoll-Display, gefaltet als Buch oder als Laptop mit zwei Touchscreens oder mit aufgesetzter Tastatur. Aufgeklappt ist es beeindruckend, wie wenig vom Falz zu sehen ist – es braucht wirklich einen fast schon extremen Einblickwinkel, damit man erkennt, wo der flexible Teil des Display in den fixen Teil übergeht. Ansonsten ist schlicht nichts vom Faltmechanismus zu sehen. Im gefalteten Modus dann wirkt das Bild innerhalb des gebogenen Teils des Displays heller, was wohl aber allein mit den Reflektionen des Displays zu tun hat. Richtig cool sieht die Wölbung des Diplays aus, wenn man die Tastatur auf die untere Hälfte des Screens aufgesetzt hat. Dann nämlich fliesst das Display förmlich unter die Tastatur, und die Taskleiste von Windows liegt im gebogenen Teil, was das Ganze fast schon plastisch wirken lässt.


Clever gemacht ist auch das Umschalten zwischen den verschiedenen Modi, die bereitstehen. Lenovo hat dazu den erwähnten Mode Switcher aufgespielt, ein Tool, das sich in der Taskleiste findet und das automatisch aufpoppt, wenn man das Display zu- oder auffaltet. Über den Mode Switcher kann man dann wählen, ob man das Display vollflächig oder zweigeteilt verwenden möchte – und das sowohl im Hoch- wie im Querformat.

Beim Scharnier scheint Lenovo ganze Arbeit geleistet zu haben. Es braucht genau die richtige Menge Druck, um es stufenlos und in jedem Winkel zu verstellen, und es schliesst praktisch ohne Spalt. Aus­serdem hat man nicht das Gefühl, dass man den Mechanismus oder auch den Teil des Displays, der über dem Scharnier liegt, mit Samthandschuhen anfassen muss. Lenovo ist von seinem Display auch überzeugt genug, dass die Eingabe per Pen (der optional für rund 100 Franken verkauft wird) unterstützt wird, was nicht selbstverständlich ist für ein faltbares Display. Etwas delikat wirkt einzig der Teil, wo der schwarze Displayrand über das Scharnier geht. Hier verwendet Lenovo eine ultradünne Gummimembrane, die sich mit dem Finger auch leicht anheben lässt und wo man das Gefühl hat, dass Schmutz ins Gerät eindringen kann. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass Lenovo seinen Thinkpad-Brand nicht für ein Gerät hergegeben hätte, bei dem mit ernsthaften qualitativen Schwächen zu rechnen ist. Etwas Vorsicht ist im Umgang mit dem Gerät sicher geboten und natürlich sollte man scharfe Gegenstände vom Display fernhalten, doch das ganze Konstrukt wirkt wertig und gibt einem nie das Gefühl, man halte Porzellan in der Hand.

Licht und Schatten

Aussen ist das X1 Fold in Leder eingepackt, das sich um das Scharnier schmiegt und das sich beim öffnen und schliessen nach vorne und hinten schiebt, was sehr elegant gelöst ist. Geschlossen erinnert das Gerät so an einen edlen, wenn mit bis zu 27 Millimetern auch etwas dicken Notizblock – wir messen an der dicksten Stelle knapp 28 Millimeter.

Allerdings sind wir ob der Lederverpackung respektive dem ganzen Hüllenkonzept nicht nur begeistert. Stein des Anstosses ist der Ständer, der Teil der Leder­ummantelung ist. Man kann einen Teil der Rückseite des Ledercovers nämlich ausklappen, welcher den Rechner dann im Tablet-Modus aufrecht auf dem Tisch hält. Das Ganze hat zwei Schwachpunkte: Zum ersten lässt sich der Winkel des Ständers lediglich im Bereich von rund 70 bis 80 Grad verstellen, flacher geht nicht. Und zum anderen kann das Display mit dem Ständer nur horizontal verwendet werden, nicht aber vertikal – der sogenannte Portraitmodus, der beispielsweise im Zusammenspiel mit Excel durchaus praktisch sein kann, geht nicht. Ebenfalls gestört hat uns, dass man den Ledercoverständer zwar nur an der rechten unteren Seite des Geräts wegklappen kann, dass sich aber die Lederabdeckung an allen Ecken leicht anheben lässt – was dem Schiebemechanismus geschuldet ist. So ist es uns mehrmals passiert, dass wir an der falschen Ecke versucht haben, den Ständer auszuklappen. Kaputtgegangen ist dabei zum Glück aber nichts.


Wenn wir gerade bei Schwächen sind: Bezüglich Anschlüssen sieht es beim X1 Fold ebenfalls eher trist aus. Mehr als zwei USB-Type-C-Ports, wovon einer für das Netzteil gebraucht wird, sucht man vergebens. Vollends unverständlich: Verwendet man den Rechner im aufgeklappten Modus, befindet sich einer der Ports an der Unterseite des Displays, kann also nicht benutzt werden, und wenn am anderen Port das Netzteil hängt, ist man quasi ohne Anschluss unterwegs. In dem Falle muss man definitiv auf den optional verfügbaren USB-C-Portreplikator oder das ebenfalls optionale USB-C-Dock zurückgreifen.

Unlogisch ist für uns ausserdem die Anordnung der Lautsprecher. Lenovo spricht im Datenblatt zwar von einem Dolby-Audio-Speaker-System, doch sind die beiden Lautsprecher an derselben Ecke (im aufgeklappten Gebrauch oben links) verbaut, so dass noch nicht einmal ein Stereoeffekt wahrgenommen werden kann.

Licht und Schatten schliesslich finden sich auch bei der Tastatur. Lenovo bietet für das X1 Fold eine passgenaue Bluetooth-Tastatur (Lenovo Fold Mini Keyboard) inklusive Trackpad an. Diese kann magnetisch auf den unteren Teil des Display gepappt und auch dort belassen werden, wenn das Gerät zusammengefaltet wird. Dabei wird es gleichzeitig geladen, was sehr praktisch ist – optional findet sich zum Laden auch ein Micro-USB-Port. Die Tastengrösse und -abstände entsprechen nicht ganz dem Standardlayout, die Tasten sind zum Beispiel rund 1 Millimeter schmaler als auf unserer MX-Keys-Tastatur von Logitech und liegen zirka einen halben Millimeter enger zusammen. Von der Aussenseite der Taste A bis zur Aussenseite der Taste L misst das Mini-Keyboard so zirka 15,9 Zentimeter, das grosse Logitech-Keyboard 16,8 Millimeter. Für kurze Eingaben mag dies kaum ins Gewicht fallen, wer aber längere Texte im Zehnfingersystem auf dem Fold Mini Keyboard schreiben will, dürfte je nachdem mit den geringeren Abmessungen zu kämpfen haben. Angenehm ist der Druckpunkt der Tasten, gleiches gilt auch für das Trackpad, welches mit je einem deutlichen Druckpunkt in zwei Ecken kommt. Eine wichtige Ergänzung zum Thema Keyboard: Aktuell wird das X1 Fold in der Schweiz mit einer Tastatur im US-Layout ausgeliefert – ist für Herr und Frau Schweizer also faktisch unbrauchbar. Lenovo verspricht aber, daran zu arbeiten, eine Schweizer Tastatur mitliefern zu können.

Performance und Akku

Ein paar Worte noch zur Leistung des Geräts. Im Inneren des X1 Fold läuft der Fünf-Kern-SoC Intel Core i5-L16G7, der mit einem Grundtakt von 1,4 GHz (Turbo 3 GHz) arbeitet und einen Lüfter braucht, den man allerdings nur beim Booten kurz schnaufen hört. Ebenfalls an Bord sind 8 GB RAM und wahlweise 256 oder 512 GB SSD-Speicher. Im Benchmark-Test mittels PCMark 10 kommt unser Testgerät auf einen Gesamtscore von 2561 Punkte. Damit ist der Rechner definitiv kein Geschwindigkeitswunder und liegt beispielsweise rund ein Drittel hinter dem Asus Expertbook B9, das wir diesen Sommer getestet haben (3360 Punkte) und das sich in dieser Ausgabe in der Ultramobile-Marktübersicht ab Seite 46 findet. Mit Geekbench, dem Benchmark-Tool, mit dem wir auch das neue Macbook Air mit Apple M1-Chip in dieser Ausgabe (S. 44) getestet haben, erreicht der Lenovo-Rechner einen Single-Core-Score von 816 und einen Multi-Core-Score von 1663, während der OpenCL-Score für die GPU bei 5067 Punkten liegt. Auch hier liegt der Lenovo-Rechner recht deutlich zurück. Aber: Für Office-Anwendungen, Präsentationen und das Anschauen von Filmen reichts allemal, und fürs Gaming und Multimedia-Produktionen ist das X1 Fold nun mal nicht gedacht.

Ebenfalls getestet haben wir die Batterie­laufzeit. Beim Testlauf Modern Office von PCMark 10, mit dem der moderne Büroalltag inklusive gelegentlichen Videokonferenzen simuliert wird, erreicht das X1 Fold im Netbook-Modus – sprich mit aufgepappter Tastatur und nur dem hälftigen Bildschirm – eine Laufzeit von 6 Stunden und 2 Minuten: Eher enttäuschend. Im Tablet-Modus mit vollem 13,3-Zoll-Bildschirm hält der immerhin 50 Wh fassende Akku beim Modern-Office-Testlauf interessanterweise länger durch: 6 Stunden 34 Minuten. Und bei der Video-Dauerwiedergabe im Tablet-Modus macht er sogar erst nach 7 Stunden 45 Minuten schlapp.


Abschliessend noch ein Wort zum Preis. In der Schweiz wird das Thinkapd X1 Fold in zwei Versionen verkauft, mit 256 GB Speicher für 3189 Franken und mit 512 GB Speicher für 3299 Franken – jeweils mit Windows 10 Pro sowie inklusive Tastatur. Das ist viel Geld. Aber: Wenn man bedenkt, dass ein Samsung Galaxy Z Fold 2 ebenfalls weit über 2000 Franken kostet, relativiert sich der Preis für das X1 Fold rasch – denn der Nutzen des Falt-Tablet-Netbooks scheint uns doch einiges höher als der eines Falt-Smartphones.

Fazit

Mit IT im Jahr 2020 Eindruck schinden zu wollen, ist gar nicht so einfach. Das Thinkpad X1 Fold aber sorgt definitiv für einen Wow-Effekt. Lenovo hat ganze Arbeit geleistet, was das Display und das Scharnier des Faltrechners angeht. Umso unverständlicher sind dafür die Designschwächen bezüglich der Anschlüsse, der Lautsprecher oder des Standfusses. Das X1 Fold ist aber nicht nur ein Gerät für die, die Eindruck bei der nächsten Kundenpräsentation schinden wollen. Man kann ihm seinen praktischen Nutzen nicht absprechen – etwa im Zug oder im Flieger, wo man das Gerät im Netbook-Modus zum Arbeiten genauso gut verwenden kann wie im Tablet-Modus zum Filme schauen. Und nicht zuletzt gibt Lenovo einen Vorgeschmack darauf, wie Notebooks in einigen Jahren standardmässig ausschauen könnten.

Features
- Intel Core i5-L16G7 (Intel-UHD-Grafik)
- 8 GB LPDDR4X
- 256 oder 512 GB PCIe-NVMe M.2 SSD
- faltbares 13,3 Zoll OLED-Multitouchdisplay (2048 x 1536 Pixel; 4:3; 300 Nit)
Akku 50 Wh
- Gewicht (gemessen) 966 Gramm bzw. 1142 Gramm (inkl. Tastatur), Dicke offen 11,5 Millimeter, gefaltet 27,8 Millimeter
- Anschlüsse: 1x USB Type-C Gen1; 1x USB Type-C Gen 2
- 5-Megapixel- plus IR-Kamera


Positiv
+ interessantes, alltagstaugliches Konzept
+ hochwertige Verarbeitung
+ geringes Gewicht

Negativ
- Designschwächen
- Anschlussarmut
- mässige Akkulaufzeit

Hersteller/Anbieter
Lenovo

Preis
Fr. 3189.– (256 GB), Fr. 3299.– (512 GB)

Wertung
Funktionalität 4,5 von 6 Sternen
Bedienung 5 von 6 Sternen
Preis/Leistung 4,5 von 6 Sternen
Gesamt 4,5 von 6 Sternen (mw)


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