Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass neue Cloud Services von den weltweit grössten IT-Unternehmen lanciert werden. Umso erstaunlicher ist es, dass nicht auch Klein- und Kleinstunternehmen ihre Computing-Leistungen nur noch dynamisch aus dem Internet beziehen.
Betrachtet man die zahlreichen Schlagwörter der Branche, so fällt sehr schnell auf, dass nicht alles so klar ist, wie es scheint. Da werden Begriffe wie Public Cloud, Private Cloud, On Premise IT, Computing as a Service, Infrastructure as a Service, Software as a Service oder Platform as a Service wie selbstverständlich nebeneinander verwendet und vermischt. Allerdings ist diese Sprachverwirrung nicht etwa ein Zeichen dafür, dass das Versprechen der «IT aus der Steckdose» noch in weiter Ferne liegt, sondern verdeutlicht vielmehr, dass die Rollen sowie die Abgrenzungen im Cloud Computing noch gesucht werden müssen und die Technik noch nicht das bietet, was das typische KMU tatsächlich suchen.
Denn gefragt sind individuelle Finanzierungsmodelle, tiefere Betriebskosten, grössere IT-Sicherheit und Flexibilität bei gleichzeitig geringerer Komplexität. Dabei ist die Gewichtung der Anforderungen bei jedem Unternehmen unterschiedlich. Aber gerade die so oft als Vorteil von Cloud-Lösungen zitierte Skalierbarkeit, mit der Möglichkeit, heute dreissig und morgen dreitausend Anwender zu bedienen, ist für das typische Schweizer Kleinunternehmen bestimmt nicht das primäre Entscheidungsargument. Vielmehr möchte es vor allem IT-Leistungen so einfach wie Strom beziehen – manchmal ein bisschen mehr, dann wieder etwas weniger.
Cloud macht IT komplex
Die Realität zeigt, dass IT basierend auf Cloud-Technologie nicht einfacher, sondern komplexer wird. Denn es geht darum, die einzelnen Cloud Services zu einer Gesamtlösung zu vereinen. Den Benutzer interessiert es nicht, ob seine Anwendung intern oder von einer Cloud angeboten wird. Er will sich ein einziges Mal anmelden, die Daten zwischen den Applikationen fliessen lassen und all den selbstverständlichen Komfort, den er heute durch hochintegrierte IT gewohnt ist, weiterhin nutzen.
Während das Service-Management und die Integration von Cloud-Diensten von IT-Abteilungen in grossen Unternehmen problemlos wahrgenommen werden können, sind kleine Unternehmen damit massiv überfordert. Der Verantwortliche im kleinen und mittleren Unternehmen will keinesfalls die eingesparten Ressourcen wieder für Service-Management aufwenden. Es stellt sich allerdings die Frage, wer sich dann um die Dienste kümmert und zum Beispiel sicherstellt, dass die Korrespondenz in der richtigen Formatierung auf dem richtigen Drucker gedruckt wird. Wieder ein Partner mehr?
Mit Open-Source-Software kann ein Unternehmen den kompletten Arbeitsplatz aus der Cloud beziehen.
Ebenfalls ein Thema, das für Kopfzerbrechen sorgen kann, ist die Sicherheit. Ohne im Detail die rechtlichen Anforderungen zu betrachten, welche in vielen Fällen das Speichern der Daten im Ausland erschweren bis verunmöglichen, stellen sich Fragen der psychologischen Art. Will das Schweizer KMU seine Daten irgendwo im Ausland, sei es im EU-Raum oder gar in den USA, speichern? Hat es tatsächlich so viel Vertrauen in Anbieter wie
Microsoft,
Google,
Amazon,
IBM oder HP?
Cloud im KMU als Realität
Damit Cloud Computing auch im KMU-Umfeld zur Realität wird, braucht es alles aus einer Hand. In der klassischen IT-Situation bieten dem KMU heute System-Integratoren diesen Service. Sie bauen und betreiben die Infrastruktur und stellen sicher, dass alles zusammen funktioniert.
Und genau zu diesem System-Integrator hat das KMU seit Jahren eine Vertrauensbeziehung aufgebaut. Das Unternehmen ist sich gewohnt, dass dieser schon lange auf sämtliche seiner Daten zugreifen kann und kennt die Personen, die es betreuen, deren Stärken und Schwächen.
Der System-Integrator ist aber in den meisten Cloud-Computing-Modellen nur noch ein Absatzmittler. Er muss sich also umorientieren, will er nicht zum reinen Service-Verkäufer werden und den Umsatz lediglich mit Provisionen erzielen, gleichzeitig aber die Verantwortung für diejenigen Details tragen, welche nicht so, wie im Prospekt versprochen, funktionieren.
Open-Source-Cloud als Alternative
Ein möglicher Ausweg aus dieser Situation ist Cloud Computing auf der Basis von Open Source Software (OSS). Cloud-Lösungen auf proprietärer, lizenzpflichtiger Software müssen schon aus Kostengründen die eigentlichen Services häufig auf ein Minimum beschränken. Dazu kommen Lizenzvorschriften der Software-Hersteller, die es oft erschweren, einen kompletten Arbeitsplatz aus der Cloud anzubieten. Mit Open Source Software kann der Cloud Provider den Kostenvorteil durch Einsparungen bei den Lizenzen in bessere Services verlagern und echten Mehrwert schaffen. Das KMU kann auf Open Source Software einen kompletten, virtualisierten Arbeitsplatz aus der Cloud nutzen, egal wo man sich gerade befindet. Nahezu für jedes Geschäftsbedürfnis sind heute «lizenzfreie» Software-Produkte erhältlich, welche den lizenzpflichtigen Applikationen in nichts nachstehen. Ein virtualisierter Arbeitsplatz eines Anbieters umfasst neben dem Betriebssystem und den üblichen Office-Produkten auch Mail, Agenda, Smartphone-Integration, Projektplanung, Mind Mapping, Gestaltungsprogramme, Telefonie, eine Intra- und Internetplattform, ERP und CRM.
Selbst für die im Kernprozess des Unternehmens angesiedelte ERP Lösung stehen heute Open-Source-Alternativen zur Verfügung, welche praktisch allen Bedürfnissen gerecht werden. In der Regel können die Unternehmen aber nicht auf der grünen Wiese beginnen, sondern wollen oder müssen zum Beispiel ihre bestehende Windows-ERP-Lösung in die Cloud übernehmen.
Im klassischen Modell der kommerziellen Clouds beginnen an diesem Punkt die Probleme mit dem Lizenzwesen und der Integration der verschiedenen Clouds und Services – nicht aber im OSS-Cloud-Modell. Ein Windows Service kann genauso virtualisiert und vom Cloud-Anbieter im lokal domizilierten Rechenzentrum betrieben werden. Dies vereinfacht die Integration und ermöglicht dem Anwender die gewohnte User Experience. Neue OSS-Virtualisierungswerkzeuge erlauben sogar eine «Seamless»-Windows-Integration, so dass der Benutzer nicht mehr merkt, woher seine Applikation kommt, in welchem Modus sie ihm präsentiert wird und sogar, welches Betriebssystem darunter liegt.
Offener Cloud-Standard
In die Entwicklung einer solch umfassenden Open-Source-Cloud-Plattform wird massiv investiert. So arbeiten aktuell verschiedene Schweizer Hochschulen zusammen mit Unternehmen in der IT-Branche daran, einen Open-Source-Cloud-Standard passend auf Schweizer Verhältnisse zu entwickeln. Dabei werden die Standards und Inhalte für die verschiedenen Disziplinen der IT, von System Management, Security, Storage über Virtualisierung bis hin zur ERP-Lösung gelegt. Selbst die Kommission für Technologie und Innovation des Bundes (KTI) prüft zur Zeit ein Engagement in diesem Bereich.
Basierend auf den so erarbeiteten Standards kann dann der Schweizer IT-Integrator in seinem RZ oder in demjenigen eines klassischen Anbieters die Infrastruktur für seine Kunden aufbauen, betreiben und weiterentwickeln. Der IT Provider erweitert damit seine klassische Rolle vom Infrastrukturaufbauer hin zum Betreiber und der Endkunde bezieht weiterhin sämtliche Dienstleistungen aus einer Hand. Er braucht sich nicht um die Integration zu kümmern und profitiert von den positiven Skaleneffekten des Cloud Computing. Bei einem Problem wird er nicht zu einer Nummer im anonymen Call Center, seine Daten liegen weiterhin in der Schweiz und er spricht mit dem Partner seines Vertrauens.
Jedes KMU ein Open-Source-Cloud-Kunde?
Mit Open-Source-Cloud-Modellen lassen sich die meisten Cloud-Computing-Ansätze umsetzen. Nichtsdestotrotz gibt es immer noch einige Kriterien, die gegen ein solches Projekt sprechen. Sobald der Anteil, der sich nicht änderbaren Windows-Applikationen zu gross wird, ist ein OSS-Cloud-Computing-Modell schwierig oder es rechnet sich schlichtweg nicht mehr. Was auch nicht ganz unterschätzt werden darf, sind grafikintensive Applikationen wie CAD. Meist ist in diesem Falle die zur Verfügung stehende Bandbreite des Internets der Stolperstein. Geht man dann auf dedizierte Leitungen, so rechnet sich auch dieser Case nicht mehr. In diesen Fällen muss dieser Bereich der IT nach wie vor on premise, also vor Ort betrieben werden.
Für die meisten KMU lohnt es sich aber sicher, ihre Open-Source-Cloud-Computing-Fähigkeit zu prüfen. Was man mitbringen sollte, ist eine gewisse Bereitschaft zur Veränderung und zum über Bord werfen von alten Gewohnheiten. Muss der Speicher-Knopf am selben Ort sein wie die letzten drei Jahre, wird ein Projekterfolg schwierig.
Geht das KMU dann den OSS-Cloud-Computing Schritt, muss es sich bewusst sein, dass die IT-Produktivität die ersten zwei bis drei Wochen sicher abnimmt. Mit einem guten Einführungsprozess kann diese Phase aber minimiert werden und die Produktivität des Benutzers wird schon schnell wieder mindestens auf bekanntem Niveau sein.
Fazit
Cloud Computing ist heute Realität, die Angebote richten sich aber eher an grosse Unternehmen mit eigenen IT-Abteilungen und umfangreichem Know-how im Bereich Service Management. Für ein KMU sind die Konzepte zu komplex, da sie auf einzelne dedizierte Services beschränkt sind und sich die Integration dieser Dienste zu einer dynamischen unternehmensweiten IT zu komplex gestaltet. Ein komplett virtualisierter Arbeitsplatz ist aufgrund der Lizenzmodelle der Closed-Source-Software-Anbieter oft zu teuer. Abhilfe kann hier Open Source Software schaffen, welche es erlaubt, einen komplett virtualisierten Arbeitsplatz mit allen Applikationen bis hin zur geschäftskritischen ERP-Lösung anzubieten. Dies ermöglicht es dem klassischen IT-Integrator mit vergleichsweise geringen Investitionen, die komplette IT aus der Cloud anzubieten und seine Kunden weiterhin ganzheitlich zu betreuen, wie dies vom KMU auch erwartet wird.
Daniel Hofmann ist Managing Director bei der Open Work Place AG, einem Cloud-Computing-Anbieter auf Open-Source-Basis.