ILM: Mehr als nur ein Hype

Die explosionsartige Zunahme von Daten, gesetzliche Anforderungen an die Datenhaltung und der Zwang zur effizienten Nutzung der vorhandenen Speicherressourcen erfordern neue Wege bei der Datenverwaltung.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/17

     

Die Datenmenge in modernen Unternehmen explodiert. Tausende von Datenbanken, Millionen von Mails, Milliarden von Transaktionen – ständig und überall werden Daten generiert, die irgendwo gelagert werden müssen. Die reine Lagerung der Informationen auf beliebig vielen und zunehmend mehr Disks oder Tapes reicht dazu allerdings nicht aus: Moderne Strategien der Datenhaltung sollen die Verwaltbarkeit und Auffindbarkeit der Informationen sichern, den gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen genügen, Speicher-Ressourcen sinnvoll und effizient nutzen – und wenn möglich auch noch den Return of Investment (ROI) maximieren. Genau diese Anforderungen versucht man heute mit Information Lifecycle Management (ILM) abzudecken.






ILM ist kein einzelnes Produkt, sondern eine Kombination aus verschiedenen Prozessen und Technologien, die den Lebensweg einer Information von ihrer Entstehung bis zur endgültigen Löschung begleiten. Dabei geht es auch darum, die IT-Infrastruktur mit den Business-Zielen abzugleichen.
Eine wichtige Voraussetzung ist auch das Verständnis dafür, dass der Wert von Daten sich verändert, je älter diese werden. Informationen, die für das tägliche Geschäft heute äussert wichtig sind, können morgen bereits niemanden mehr interessieren. Schätzungen zufolge wird auf rund 90 Prozent aller gespeicherten Daten nach einer Zeitdauer von bloss 90 Tagen selten bis überhaupt nicht mehr zugegriffen. Deshalb hat ILM auch die Aufgabe, veraltete Daten möglichst automatisch auf kosteneffektivere Speichermedien zu verschieben, mit dem Ziel, die Speicherressourcen optimal zu nutzen und so Kosten zu sparen.


Gründe für ILM

Es gibt zahlreiche Gründe, sich mit ILM zu beschäftigen und entsprechende Strategien einzuführen. Die wichtigsten Treiber sind allerdings die steigenden Kosten, die die Datenflut mit ihrem wachsenden Speicherplatzbedarf verursacht, gesetzliche und regulatorische Anforderungen (Compliance) sowie schlicht die Notwendigkeit für ein ganzheitliches Storage-Management-Konzept, das die zunehmende Komplexität der Datenverwaltung lindert.
4Steigende Kosten der Datenhaltung und -archivierung
Dass sich Daten explosionsartig vermehren, ist schon länger kein Geheimnis mehr. Bisher hielten sich die Kostenzunahme für die Datenspeicherung und die Preisreduktion für Speichermedien in etwa die Waage. Das hat sich mittlerweile geändert – man geht heute davon aus, dass sich die auf Computersystemen gespeicherte Datenmenge jährlich um über 100 Prozent vervielfacht, während die Kosten für die Verwaltung der Daten und Systeme gleichzeitig um über 90 Prozent ansteigen. Schätzungen zufolge liegt ausserdem die Gebrauchsrate von Speichern bei bloss 40 bis 60 Prozent – was bedeutet, dass rund die Hälfte jedes in Speicher investierten Frankens verschwendet sein könnte. Daraus folgt, dass ein effizienter Umgang mit Daten heute eine absolute ökonomische Notwendigkeit ist. Die Zeit der Datensilos ist vorüber.


Compliance

Anforderungen an die Datenarchivierung werden heute von überall her gestellt: der Gesetzgeber, regulatorische Behörden, aber auch interne Prüfstellen und andere Kontrollorgane wollen die Verfügbarkeit und Unveränderbarkeit wichtiger Daten sichergestellt wissen. Manche dieser Forderungen sind firmenintern oder branchenspezifisch, andere betreffen fast jedes Unternehmen – international tätige Finanzinstitute beispielsweise müssen heute bei Business-Prozessen und Datenhaltung über 720 Bestimmungen einhalten. Die Nichterfüllung dieser Bestimmungen und Forderungen kann unter Umständen in Bussen oder sogar Strafverfolgung münden.


Zunehmende Komplexität



Ein wichtiger Faktor ist schliesslich die Komplexität der Speicherlandschaft, die mit jedem neuen Speichergerät, jeder zusätzlichen Anforderung wächst. Dabei spielt auch das Dokumenten- und Content-Management eine Rolle: Es wird immer wichtiger, wesentliche Informationen von unwichtigeren zu trennen und Daten ihrem sinkenden Wert entsprechend unterschiedlich zu archivieren.
Das oberste Ziel ist immer, Daten automatisch und transparent entsprechend den Business-Anforderungen an Kosten, Compliance, Datenschutz und Datenwert zu speichern.


Voraussetzungen für erfolgreiches ILM

Ein erfolgreiches ILM-Konzept besteht aus mehreren Komponenten und erfordert Know-how bereits bei der Planung. Deshalb bieten die grossen Speicherhersteller entsprechende Beratung an, teils in Zusammenarbeit mit weiteren Dienstleistern. Wichtig ist aber auch ein plattformübergreifendes Portfolio von Produkten für das durchgängige Management von Daten und Speichern. Dieses beinhaltet die Infrastruktur, die Technologie und die Hardware, die für die Archivierung und den Zugriff auf die Daten notwendig ist. Diese muss sorgfältig aufeinander abgestimmt sein, den Anforderungen entsprechende Speichermedien beinhalten und die nötige Performance bieten.
Es versteht sich von selbst, dass dies nicht auf einen Schlag zu erreichen ist – vielmehr muss die Reise Schritt für Schritt vollzogen werden. Erfolge sollen auch so erzielt werden können, wie der Anbieter EMC vorrechnet: In einem Unternehmen mit 750 TB Speicherkapazität liessen sich durch die ILM-Einführung die gesamten Speicherkosten innert drei Jahren um die Hälfte senken, jährliche Einsparungen schwanken während der Einführung zwischen 10 und 26 Prozent.


Datenklassen und SLAs als Grundlage

Im Zentrum einer ILM-Strategie stehen die Datenklassen und die Service Level Agreements (SLA). Die Datenklassifizierung beruht auf der Tatsache, dass die meisten Daten mit zunehmendem Alter an Wert verlieren und deshalb entsprechend ihrem Wert unterschiedlich gespeichert werden sollten, aber auch darauf, dass Daten verschiedenen Anforderungen etwa an die Verfügbarkeit oder Verschlüsselung unterliegen. Sie müssen deshalb einerseits nach zahlreichen Kriterien bewertet und in die unterschiedlichen Klassen eingeteilt werden. Andererseits sollte die Anzahl der Datenklassen möglichst klein bleiben, um das Ganze überschaubar zu halten und die Komplexität nicht unnötig zu steigern.





Die Einteilung der Daten in Klassen kann deshalb auch nicht allein der IT-Abteilung überlassen werden. Diese kann bloss dafür sorgen, dass Datentypen mit gleichen Anforderungen in einer einzigen Klasse zusammengefasst und in derselben Speicherhierarchie abgelegt werden. Bei leicht unterschiedlichen Anforderungen dagegen sind weitreichende Business-Entscheide gefragt, die auf höherer Ebene getroffen werden müssen. Aus den Datenklassen und den Anforderungen daran – darunter etwa Verfügbarkeit, Zugriffszeiten oder Wiederherstellungszeit im Notfall – ergeben sich auch die Service Levels, die die IT-Abteilung als Speicherdienstleister erfüllen muss.






In der Praxis stehen den Datenklassen die Speicherklassen gegenüber – nur so lassen sich die Datenklassen sinnvoll auf den vorhandenen physikalischen Speicher abbilden, der in einem Netzwerk hierarchisch organisiert ist. Im allgemeinen unterscheidet man dabei zwischen Online-Speicher – Festplatten auf unterschiedlichen Performance-Ebenen, die für den Direktzugriff auf wichtige, stets verfügbare Daten zuständig sind – und Nearline- oder Offline-Speicher, üblicherweise Magnetbänder, die zur Archivierung dienen und geringe Kosten verursachen.
Um die mit ILM angestrebte Automatisierung erreichen zu können, sollte schon beim Aufbau des Speichernetzwerks auf Virtualisierung geachtet werden. Virtualisierung ist für ein erfolgreiches ILM essentiell, da sie die technischen Eigenschaften der physikalischen Speicher vom Datenzugriff trennt – das ILM kann auf alle Ressourcen problem-
los und einheitlich zugreifen und
die Daten entsprechend ihrer
Klasse auf der passenden Hardware ablegen.




Die wichtigsten ILM-Anbieter und ihre Produkte


(Noch) keine Gesamtlösungen

In Teilbereichen lässt sich ILM bereits heute recht problemlos einführen – die meisten grossen Hersteller verfügen über passende Produkte und Lösungen. Umfassende Gesamtlösungen allerdings gibt es nicht von der Stange. Zu komplex und zu unterschiedlich ist die Situation in den Firmen, als dass sich deren Anforderungen über einen Leisten schlagen liessen. Andererseits drängt ILM geradezu ein schrittweises Vorgehen auf, indem sich – wie bereits gezeigt – mit jedem einzelnen Schritt Kosten und Komplexität reduzieren lassen.
ILM ist heute also mehr als ein Schlagwort, ein Hype oder ein Produkt. ILM ist vielmehr ein Management-Prozess, der sowohl die IT als auch die Fachbereiche eines Unternehmens betrifft. Und auch wenn die verschiedenen Hersteller unterschiedliche Ansatzpunkte und Strategien verfolgen, herrscht doch Einigkeit darüber, dass mittelfristig in keinem Unternehmen ein Weg an ILM vorbeiführen wird.


ILM für Schweizer Unternehmen uninteressant

Einer aktuellen Umfrage des Schaffhauser Marktforschungsunternehmens MSM Research zufolge scheinen Schweizer Unternehmen dem Information Lifecycle Management keine Priorität einzuräumen. Wichtiger scheint die Storage-Sicherheit zu sein. MSM Research präsentierte den befragten Unternehmen fünf Themenbereiche, die nach Priorität benotet werden mussten (höchste Prioriät 6 Punkte, niedrigste Priorität 1 Punkt). Mit einem ermittelten Durchschnittswert von 4,61 stand dabei die Sicherheit unangefochten an der Spitze, Konsolidierung kam mit 4,42 auf den zweiten Platz. Die Erhöhung der Verfügbarkeit erreichte mit 4,29 Rang drei, während ILM mit 3,89 und Virtualisierung mit 3,60 abgeschlagen auf den letzten Plätzen landeten.




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