Grotesk: Die IT schämt sich ihrer Kernkompetenz
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/03
Technik lässt sich nicht mehr verkaufen. Die Anwender verlangen Lösungen. Kaum ein Anbieter, der seinen Verkäufern dieses Mantra nicht Wochenend-Seminar um Wochenend-Seminar einbläut. So sind viele Hersteller dazu übergegangen, in ihren Produktepräsentationen die Verwendung von modernen Technologien im Kleingedruckten zu verstecken. Bloss keine Diskussionen über potentielle, noch nicht hundertfach ausgetestete Schwachstellen heraufbeschwören. Denn der überlagerte Dotcom-Y2K-UMTS-Tsunami hat die Technologiegläubigkeit gründlich aus den Köpfen der Budgetverantwortlichen in den Unternehmen gespült.
Und so bietet die IT-Industrie heute, wenn man einen Schritt zurücktritt, ein groteskes Bild. Eine Branche, die per Definition Hightech entwickelt, schämt sich ihrer Produkte und versucht, sie als Dienstleistung aus der Steckdose zu verkaufen. Seit ein paar Monaten sind auf dem spiegelglatten Technologie-Meer aber wieder zwei Wellen auszumachen, die sich schneller aufbauen, als man das noch vor kurzem erwartet hätte: RFIDs und Grid-Computing.
Die grossen europäischen Supermarkt-Ketten haben bereits feste Rollout-Pläne für die Einführung der Funketiketten geschmiedet, und nach Oracle hat jetzt mit Adobe ein zweiter grosser Softwarehersteller ein kommerzielles Grid-Produkt angekündigt. RFIDs werden im ERP-Bereich, aber auch für die Datenhaltungs-Sparte beträchtliche Folgeinvestitionen auslösen. Aber auch Grid-Computing bietet beispielsweise für Business Intelligence und Knowledge Managment dank Quasi-gratis-Rechenleistung bisher nicht denkbare Möglichkeiten.
Freuen können sich ob dieser Entwicklung nicht nur die Hersteller. Auch den eigentlichen Anwendern, den Technikern in den IT-Abteilungen, ist es zu gönnen, wenn ihre Arbeit aller Service-Orientierung zum Trotz wieder vermehrt als das geschätzt wird, was sie eigentlich ist – eine technische Herausforderung.