Surfer's Corner: Die Zukunft des Web? Flash!
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/44
Zustimmende E-Mails haben mir bestätigt, dass meine Anklage in InfoWeek 42/2000 korrekt war. Zu viele Websites machen es dem Surfer zu schwer, das Wichtigste rasch zu erfahren: Worum geht's, wer steckt dahinter, und wie kann ich Kontakt aufnehmen? Der Kernsatz: "Das Erste, was ich beim Aufsuchen einer Website sehen will, ist Information und nicht Unterhaltung."
Nur scheinbar widerspreche ich mir heute selbst. Ich betrachte nämlich eine in den Rängen von HTML-Puristen verpönte Technologie als die eigentliche Zukunft des Web. Die Rede ist von skalierbarer Vektorgrafik, die heute in Form des von Macromedia entwickelten Flash-Dateiformats SWF, des entsprechenden Players sowie diverser Kreativtools von Macromedia, Adobe, Corel und anderen Herstellern zur Verfügung steht.
Entertainment und Information müssen sich nicht ausschliessen. Eine professionell redigierte Seite - und das ist die unabdingbare Vorbedingung - sieht man genau dann erstens noch lieber und zweitens immer wieder gerne an, wenn sie auch grafisch attraktiv aufgemacht ist. Interface-Elemente wie Buttons und Menüs machen sich noch besser, wenn sie dezent animiert sind und dem Anwender klaren Feedback geben.
Interessante Oberflächen lassen sich mit Flash ideal realisieren. Der Pferdefuss: There's no free lunch. Mit den Ansprüchen an die Gestaltung steigt der Aufwand für die Umsetzung steil an. Und der Teufel steckt im Detail: Schon ein einziges Frame zuviel oder zuwenig kann aus einer eleganten Animation mit nutzbringendem Feedback-Effekt eine unliebsame Usability-Störung machen.
Kritische Stimmen bringen immer wieder die gleichen Argumente gegen den Flash-Einsatz vor. Sie lassen sich allesamt entkräften, mit dem obengenannten Vorbehalt: Manches ist mit traditionellem HTML rascher und billiger realisiert.
Flash verführt zu exzessiver Animation und wirrer Navigation: Das mag oft zutreffen - aber wie war das bitte in den DTP-Anfängen? Damals haben gelernte Typografen schallend gelacht, wenn sie auf einer Seite Dutzende von Schriftarten versammelt sahen, und gleichzeitig dafür die neue Technologie verantwortlich gemacht. Dabei lag es doch bloss an der mangelnden Professionalität der Anwender.
Flash verursacht lange Ladezeiten: Falsch. Flash ist sogar ausgesprochen bandbreitenfreundlich. Ein Flash-Movie ohne übergrosse Bitmap-Bilder oder Sounds ist eine schlanke Angelegenheit. Auch komplexe Sites lassen sich in kleine Einheiten aufteilen, die jeweils nicht grösser als ein paar Kilobyte sind.
Flash-Seiten sind schwierig nachzuführen: Mumpitz. Auch eine HTML-Seite ist für Laien Kauderwelsch. Die einzig richtige Massnahme ist die Trennung von Design und Inhalt, und die lässt sich in Flash durch Einlesen von Textfiles lösen, die sich von jedem Word-User leicht editieren lassen. Oder man nutzt für Enterprise-Anwendungen das Serverprodukt Generator.
Flash-Sites sind nicht sicher: Wie bitte? Auch Flash-Movies werden auf normalen Webservern gehostet und sind damit gleich sicher wie HTML-Seiten. Protokolle wie SSL und Zertifikate lassen sich von Flash aus einsetzen. Praxisbeispiele wie eine Online-Bank mit Flash-Interface beweisen es.
Flash braucht zusätzliche Software zum Betrachten. Stimmt fast nie. Studien zeigen, dass 96 Prozent aller eingesetzten Browser den Flash-Player bereits installiert haben. Diese Penetration wird nur noch vom GIF-Format mit 98 Prozent übertroffen.
Flash-Inhalte lassen sich nicht drucken: Nicht richtig. Flash Printing, in Version 5 enthalten, erlaubt präzisen Ausdruck von Flash-Dokumenten in hoher Qualität.
Einer der Hauptvorteile des Flash-Formats ist seine universelle Verfügbarkeit. Der Player läuft auf allen gängigen PC-Betriebssystemen wie Windows, MacOS, Linux und diversen Unix-Versionen. Varianten für Mobilplattformen wie Windows CE und Symbian existieren ebenfalls oder sind geplant. An der kürzlichen Flashforward-Fachkonferenz in London, die mit 450 Top-Designern und Programmierern gut besucht war, demonstrierte die UK-Firma Razorfish zudem ein Projekt namens Pogo: Ein stiftbasierter PDA mit integriertem GSM-Telefon, der vollständig über eine Flash-Oberfläche bedient wird. Er soll in der ersten Hälfte 2001 auf den Markt kommen.