Editorial

Entfesselte Mobilität in Hannover

Mobilen Kleingeräten und Basistechnologien wie Wireless LAN, Bluetooth und i-Mode stehen im Zentrum der CeBIT.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/10

     

Vom PC keine Rede - das Titelbild der aktuellen Ausgabe des deutschen Focus präsentiert unter dem Motto "Die 90 CeBIT-Hits" bildlich ein Schwebe-Universum mit diversen mobilen Kleingeräten und textlich eine Liste, die neben Basistechnologien wie Wireless LAN, Bluetooth und i-Mode Gerätekategorien wie Handys, Organizer und Laptops aufführt. Das einzige Element der Liste, dem zumindest entfernt ein Touch von stationärer Plazierung innewohnt, sind Spielkonsolen. Ins gleiche Horn wie Focus stossen auch sämtliche übrigen Presse-Erzeugnisse mit ihren bis anhin publizierten CeBIT-Vorschauen.


Smartphone ist Trumpf

Eine Kategorie des mobilen Kommunikationsequipments scheint heuer definitiv obenauf zu schwingen: Das Smartphone, eine Kombination von PDA und Mobiltelefon, das beim mobilen Internetzugriff mit der lästigen Ausrichtung zweier Infrarotschnittstellen, mit der Einrichtung von Bluetooth-Kopplungen sowie mit antiquierten Kabelverbindungen endgültig aufräumt.
Nachdem der Communicator von Nokia jahrelang einziger Vertreter der Kategorie blieb und einzelne andere Versuche von Ericsson und Siemens nur wenig Beliebtheit erlangten, schlägt die Industrie nun mit einem wahren Feuerwerk von Modellen zu. Etwas enttäuschend ist die auch diesmal nur leicht geänderte neue Fassung des Communicator - entweder sind den Finnen die Ideen ausgegangen, oder sie wagen aufgrund des bisherigen Grosserfolgs einfach keine revolutionären Neuerungen. Da überzeugen die Konzepte von HP, Sony Ericsson und Handspring schon eher.





Betriebssystem-Chaos und Abspeck-Effekt

Den Treo von Handspring gibt es mit oder ohne integrierte Mini-Tastatur; es ist das derzeit einzige Smartphone auf Palm-Basis. Der HP Jornada 928, vom Hersteller nicht etwa als kommuner PDA, sondern als "WDA" angepriesen (Wireless Digital Assistant), vereint in 194 Gramm ein GSM/GPRS-Telefon (leider nur Dual-Band) mit einem 64-Megabyte-Organizer.



Pikant: Im Gerät läuft die Phone Edition von Microsofts Pocket-PC-2002-Plattform, vormals als "Stinger" bekannt - eine Smartphone-Umgebung, auf der sich HP nach dem kürzlichen Abgang von Samsung heute ziemlich einsam fühlen dürfte. Das Sony Ericsson P800 dagegen funktioniert, wie die aktuellen oder kommenden Smartphone-Produkte von Nokia, Motorola, Panasonic und seit neuestem Samsung mit dem Symbian-Betriebssystem - das gibt es dafür nur auf Smartphones und nicht auf herkömmlichen PDAs.




Im Vergleich mit PDAs der alten Schule kommen demnach beim typischen Symbian-basierten Produkt die Prozessorgeschwindigkeit und der Speicherplatz abgespeckt daher. Das aufs dritte Quartal versprochene, bereits zitierte P800 zum Beispiel, kommt zwar mit eingebauter Digitalkamera, aber bloss mit 12 Megabyte Speicher - und lief zumindest als Prototyp im Umgang mit grösseren Datenmengen sehr gemächlich; es dauert ziemlich lange, bis ein Bild von der Kamera in den internen Speicher gelangt und zum Weiterversand bereit ist.




Hauptproblem Kommunikationskosten

Dem von den Herstellern anvisierten Smartphone-Eldorado - tonnenweise Versand von bild- und tonträchtigen MMS-Messages und permanenter Internetzugriff allerorten - steht bis auf weiteres ein Riesenproblem entgegen: Die Kommunikationstarife sind schlicht und einfach unverschämt.
Beim SMS-Nachfolger MMS, der bei den meisten Netzbetreibern kurz vor der Einführung steht, weiss man noch nichts genaues. Die Annahme, dass ein MMS wesentlich mehr kostet als ein SMS, dürfe jedoch nicht unbegründet sein. Am liebsten würden die Telcos bei multimedialen Kurzmeldungen statt eines Einheitspreises natürlich die Datenmenge verrechnen, wie es bei GPRS ja auch der Fall ist.



GPRS ist ein trauriges Kapitel. Nicht die Technologie, die wäre stabil, bequem benutzbar und klar leistungsfähiger als der herkömmliche Datentransfer via GSM mit oder ohne HSCSD. Dafür aber der Obolus, den die Netzbetreiber fordern. Bei Swisscom Mobile sind es sage und schreibe neunzehn Franken für das erste Megabyte im Monat, danach zehn Franken. Sunrise ist mit 7.50 für Abokunden schon einiges günstiger, aber ebenfalls nicht billig: Schon beim Abruf einiger Webseiten kommen bald einmal mehrere hundert Kilobyte zusammen.




Es sieht ganz so aus, als rechneten die Telcos bei GPRS-Kunden einzig und allein mit dem Abruf von Textmails und WAP-Seiten. Tests zeigen, dass HSCSD ab einer gewissen Datenmenge deutlich günstiger kommt als GPRS. Die derzeitige Preisstrategie der Telcos mag also irgendwohin weisen, mit Sicherheit jedoch nicht Richtung Zukunft.



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