Unerwartete Lizenzgebühren ruinieren das Budget
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/12
Wer Software im Laden in einer Schachtel kauft, weiss, was er hat, wenigstens punkto Lizenz. In den meisten Unternehmen wird Software allerdings längst nicht mehr schachtelweise gekauft. Stattdessen werden mit den Softwareherstellern direkt oder indirekt Lizenzverträge abgeschlossen, aus denen sich das Nutzungsrecht des Unternehmens ergibt. Man bezahlt eine Lizenzgebühr und darauf aufbauende Wartungsgebühren und darf im Gegenzug die Software auf seinen Servern oder Arbeitsstationen nutzen. Die Erfahrung zeigt freilich, dass manche Betriebe über die Bedeutung der Lizenzverträge nicht hinreichend informiert sind.
Das wird dadurch erschwert, dass der Teufel im Detail steckt, wie das Beispiel der Firma A zeigt. Sie schloss mit einer Softwarefirma einen Vertrag über die Lizenzierung einer grossen Zahl von Office-Produkten ab. Sie ging von einer Nutzung dieser Software im gesamten Konzern aus, dem sie angehört. Doch im Lizenzvertrag
wird die Konzernzugehörigkeit anders definiert. Der Einkäufer der Firma A realisiert dies nicht,
und die Lizenz ist in der Folge zu eng gefasst:
Eine Reihe von Konzerngesellschaften nutzen die fragliche Software ohne Lizenz, wie sich später herausstellt. Die Konsequenz: Hohe Nachzahlungen.
Mit solchen muss auch Firmengruppe B rechnen. Sie legte vor zwei Jahren ihre Informatik in einem neugegründeten Unternehmen zusammen, das auch die von allen Gruppengesellschaften verwendete ERP-Lösung übernahm. Die bestehenden Lizenzverträge wurden gekündigt und die gemeinsame IT-Service-Tochter schloss einen eigenen Vertrag basierend auf der Benutzerzahl aller Gesellschaften ab. Ihr Fehler: Weder gab sie an noch hielt sie im Vertrag fest, dass sie diese Software für Dritte – die anderen Gruppengesellschaften – einsetzen werde. So hatte sie zwar die richtige Anzahl Lizenzen, doch durfte sie diese gemäss Vertrag nur für sich selbst einsetzen. Der Softwarehersteller, der durch einen Händler vertreten war, hat es bisher nicht bemerkt.
In den meisten Fällen haben solche Fehllizenzierungen keine allzu gravierenden Konsequenzen, wenn sie nicht bewusst erfolgen und die Unternehmen bereit sind, sie zu korrigieren – die Softwarehersteller wollen es sich schliesslich nicht mit einem gut zahlenden Kunden verderben. Dennoch können unerwartete Lizenzlücken mehr als ärgerlich sein, wenn sie zu unvorhergesehenen Kosten führen und daher ein Budget über den Haufen werfen. Dieses Risiko hat nicht nur aufgrund der zunehmenden Verflechtung der Firmen stark zugenommen. Unerwartete Kosten können auch durch technische Entwicklungen Dritter verursacht werden.
So sorgen derzeit die neuen «Dual-Core»-Prozessoren von AMD und Intel für Schlagzeilen. Bekannt ist das Beispiel einer Datenbankfirma, die in ihren Bedingungen ihrer CPU-basierten Lizenzen den Begriff der CPU so definiert hat, dass ein Doppel-Kern-Prozessor als zwei CPUs gilt. So kann der Kauf eines neuen Servers die Lizenzkosten sprunghaft in die Höhe treiben, ohne dass dem ein entsprechender Mehrnutzen gegenübersteht.
Ähnliche Problemstellungen zeichnen sich gegenwärtig auch im Zusammenhang mit dem immer beliebteren Einsatz von virtuellen Servern ab. Sie zwingen die Softwarebranche früher oder später dazu, sich über Lizenzmodelle Gedanken zu machen, um einerseits nicht zu kurz zu kommen, andererseits aber auch nicht allzu kräftig zuzulangen. Die Beispiele zeigen aber ebenso, dass es für den CIO nicht nur beim Kauf von neuer Software, sondern künftig auch bei der Budget-Planung zur Pflicht wird, das Kleingedruckte der Lizenzbestimmungen zu studieren oder studieren zu lassen. So lässt sich nicht nur ein Anstieg von Lizenzgebühren frühzeitiger erkennen, sondern womöglich auch das Potential einer Reduktion.