Ökologie und Ökonomie - an sich kein Widerspruch

«Green IT» lautet das Schlagwort der Stunde. Der Trend zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz ist allgegenwärtig und macht auch vor der IT-Branche nicht halt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/01

     

Immer mehr computerunterstützte Kommunikation, Datenhaltung und andere Rechenleistungen beanspruchten bereits 2005 doppelt soviel Energie wie noch im Jahr 2000. Diese Entwicklung stellt eine steigende Belastung für die Umwelt dar. Die IT-Industrie ist also herausgefordert, den steigenden Energieverbrauch und die stark wachsenden Kosten in den Griff zu bekommen. Zahlreiche Umweltprogramme unter dem Stichwort «Green IT» zeigen aber positive Resultate.


Die Energiekosten sind weltweit am steigen

Alle fünf Jahre verdoppelt sich die Anforderung an die Rechenleistung durch die globale Vernetzung mit ihren neuen Anwendungen und Diensten. Somit gehen Energiesparmassnahmen zweifelsohne in die richtige Richtung. Bereits melden sich Analysten zu Wort, die errechneten, dass der Energieverbrauch der ICT-Infrastruktur in fünf Jahren mehr kosten werde als die Hardware. Diese Prognosen basieren auf der Tatsache, dass die Energiekosten allein heute bereits durchschnittlich 25 bis 30 Prozent der ICT-Budgets ausmachen – Tendenz stark steigend. Eine Entwicklung, die zum Handeln auffordert, denn es ist anzunehmen, dass die künftigen Bedürfnisse der Menschen für ICT-Anwendungen und -Dienste weiterhin schnell wachsen.



Das Fazit für die Branche liegt auf der Hand: Das Schonen von Ressourcen ist das Gebot für weiteres ökonomisches Wachstum. Auch in der Schweiz wird bereits vor einem Versorgungsengpass gewarnt. Die Prognosen des Bundesamtes für Energie sehen diesen bereits schon ab 2012 auf die Wirtschaft zukommen. Ökonomie und Politik stehen unter Zugzwang – das Schlagwort «Green IT» entwickelt sich zum Branchentrend. Und wird das wohl eine Zeit lang bleiben.


Spagat zwischen Energie und Leistung

Die sich verschärfende Energieproblematik bringt die Hersteller dazu, beim Design und bei der Entwicklung von Prozessoren, Systemen, Programmen und Diensten vermehrt auf die Umweltfreundlichkeit zu achten. Ihre grosse Herausforderung besteht darin, die Energieeffizienz zu steigern, ohne auf Seiten der Rechenleistung und Kosten Konzessionen einzugehen.


Wie Beispiele aus der Praxis zeigen, ist der Spagat mit der neuen Generation von Technologie machbar: Anstelle der zuvor üblichen 150 Watt benötigen die ersten Prozessoren mit deutlich reduziertem Energieverbrauch noch 70 Watt. Mit diesen Prozessoren bestückte Server verbrauchen nicht nur weniger Energie, sondern sie erzielen auch eine höhere Rechenleistung bei gleichzeitig kleinerem Platzbedarf. Dies bedeutet zusätzliche Energieeinsparungen für die Raumkühlung.

Dass der konsequente Einsatz der neuen Servergeneration auch entsprechende Früchte trägt, zeigen Beispiele wie das Rechenzentrum von Sun in Broomfield, Colorado. 22 Server wurden ausgemustert und durch Server mit CoolThreads-Technologie ersetzt. Die Nachfolger fanden in einem einzigen Rack Platz, leisten aber doppelt so viel wie ihre Vorgänger. Es konnten so 617’000 Kilowattstunden eingespart werden, was in ökonomischen Zahlen 40’000 US-Dollar an Energiekosten und 60’000 US-Dollar an Kosten für die Raumkühlung ausmacht.


Energieeffizienz als Programm

Unter dem Begriff «Green IT» summieren sich verschiedene Stossrichtungen – die Energieeffizienz von Servern und anderen Geräten ist eine davon. Am 13. Juni letzten Jahres haben sich mit diesem Ziel die Branchenschwergewichte Microsoft, Dell, HP, IBM, AMD, Sun sowie Google und Yahoo mit weiteren 20 Unternehmen zur Climate Savers Computing Initiative zusammengeschlossen. Ebenfalls mit im Boot ist die US-amerikanische Environmental Protection Agency (EPA). Die Initiative ist Teil der CO2-Kampagne des World Wildlife Fund (WWF). Zum ersten Mal stellte sich nicht nur eine einzelne Firma, sondern gleich eine ganze Branche hinter die Initiative.



Die Climate Savers Computing Initiative setzt den Hebel bei den Geräten an. Nach ihren Schätzungen vergeuden die Geräte über die Hälfte der Energie, die sie verbrauchen. Da die ICT-Branche nach Analysen von Gartner etwa 2 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses verursacht – was in etwa dem Ausstoss aller Flugzeuge entspricht –, will die Initiative den CO2-Ausstoss bis 2010 um 10 Prozent senken. Damit soll so viel CO2 eingespart werden wie 11 Millionen Autos ausstossen. Der Erfolg der Initiative wird aber auch davon abhängen, ob das Nutzungsverhalten der Kunden verändert werden kann und die Energiesparfunktionen der Geräte auch wirklich zum Einsatz kommen. Falls ja, ist mit einem Einsparpotential von 60 Prozent zu rechnen.


Veränderung im unternehmerischen Handeln

«Green IT» ist bei den Kunden noch nicht so richtig angekommen, auch auf der letztjährigen CeBIT stand das Thema noch nicht im Mittelpunkt. Doch das könnte sich ändern, wenn IT-Industrie, Energieversorger und Regulierungsbehörden ihre Kräfte bündeln. Das seit 2002 bestehende Gütesiegel für energieeffiziente Geräte «Energy Star» wurde aufgefrischt und in der Europäischen Union am 1.April 2007 in Kraft gesetzt, in den USA gilt «Energy Star 4.0» ab dem 20. Juli 2007. Die EU hat Richtlinien zur Energieeffizienz erlassen und fordert eine Reduktion des Energieverbrauchs bis 2015 um neun Prozent.


In den USA ist man teilweise schon einen Schritt weiter, hier kommen die Impulse von den Herstellern. Bereits Ende 2005 verpflichteten sich Unternehmen wie AMD, IBM, HP und Sun Microsystems das Thema Energiesparen im Rechenzentrum zum zentralen Bestreben zu machen. Sie gründeten die Initiative «The Green Grid». Der Gedanke dahinter ist so einfach wie bestechend: Es ist anzunehmen, dass die künftigen Bedürfnisse der Menschen nach ICT-Anwendungen und -Diensten weiterhin wachsen und das Schonen von Ressourcen deshalb eine Grundvoraussetzung für weiteres ökonomisches Fortbestehen ist.



Deshalb unterstellen sich immer mehr Unternehmen als Ganzes einem Responsibility-Programm, das sich ökologisches Wirtschaften auf die Fahne geschrieben hat. Sun Microsystems investiert jährlich zwei Milliarden US-Dollar in R&D, wobei das «Eco Responsibility Program» eine wichtige Rolle spielt. Zudem hat sich Sun der US-amerikanischen Environmental Protection Agency EPA gegenüber freiwillig verpflichtet, seine Treib-
hausgas-Produktion bis 2012 um 20 Prozent zu reduzieren. IBM hat kürzlich das Programm «Project Big Green» lanciert, in das künftig eine Milliarde US-Dollar jährlich fliessen wird.


Während sich das Programm von IBM auf Energieeffizienz und die Verbesserung der IT beschränkt, umfasst das Programm von Sun auch die Mitarbeitenden. Diese können sich entscheiden, ob sie von zuhause aus oder in den lokalen Offices arbeiten wollen. Bereits arbeitet die Hälfte aller Mitarbeitenden zu Hause. Umweltbelastende Arbeitswege fallen weg und Sun sparte 2006 67.8 Millionen US-Dollar Betriebskosten.


Optimierung nach «grünen Kriterien»

Eine weitere Stossrichtung von «Green IT» ist die Optimierung der Auslastung – Schlagworte wie Information Lifecycle Management, Virtualisierung oder Reduktion und Umorganisation von Data Storage gewinnen zunehmend an Bedeutung. Beispielsweise lässt sich durch Virtualisierung schnell und auf einfache Weise bereits einiges an Energiekosten einsparen (darauf wird im Artikel «Das grüne Rechenzentrum» ab Seite 38 näher eingegangen). Gerade aus Kostengründen starten heute viele Unternehmen Projekte zur Reduktion der zu speichernden Datenmengen.

Mit dem positiven, aber zumeist nicht zentral beabsichtigten Effekt, dass anschliessend weniger stromverbrauchende Geräte betrieben werden müssen. Optimierungspotential in Sachen ökologischem Bewusstsein ist allerdings auch hier noch reichlich vorhanden. Wie eine aktuelle Studie von Forrester Research zeigt, hat die Mehrzahl der Unternehmen beim Einkauf von Software oder Hardware noch keine Vorgaben für den Kauf oder Gebrauch «grüner Technologie». Aber immerhin achtet heute bereits ein Viertel der Entscheidungsträger beim Einkauf auf «grüne Kriterien».


Computerschrott: Ein Weltproblem

Immer kürzere Produktezyklen und wachsende Märkte in Asien lassen den Elektroschrottberg immer rasanter wachsen. Weit über 300 Millionen Computer müssen weltweit pro Jahr entsorgt werden. Daher ist eine weitere Stossrichtung der «Green IT» eine umweltschonende Herstellung und die Verwendung von möglichst schadstoffarmen Materialien. Recyclingprogramme lassen sich auf diese Weise einfacher umsetzen und Ressourcen werden dadurch geschont. Ohne entsprechende Anstrengungen geht der Welt nicht nur die Energie aus, sondern ihr wächst bald auch der Schrottberg über den Kopf.



Die Initiative «Solving the E-Waste Problem» (StEP) der United Nations (UNO) wurde deshalb am 7. März 2007 offiziell aus der Taufe gehoben. Hier ist die Verantwortung der Hersteller gefordert, Materialien zu verwenden, die energieeffizient herstellbar, ökologisch verträglich und nicht zuletzt auch rezyklierbar sind. Noch gibt es erst wenige, die eine konsequente «Green Corporate Responsibility» implementiert haben und entsprechend die Verantwortung über den gesamten Produktzyklus von der Herstellung bis zum Recycling tragen. Sie gehen mit gutem Beispiel voran.


Effizient & rezyklierbar

Interessantes am Rande: Sun Micro-systems verfügt unter dem Namen «Project Blackbox» über ein mobiles, virtualisiertes Rechenzentrum, das allen Kriterien der «Green IT» Rechnung tragen soll. Die Blackbox ist in einem Normcontainer untergebracht, mit Kühlungs-, Überwachungs- und Energieversorgungssystemen ausgestattet und soll nach den derzeit besten Erkenntnissen in Energieeffizienz funktionieren. Eine ausgerüstete Blackbox gehört laut Sun zu den stärksten Hochleistungsrechnern der Welt und ist auf maximale Systemdichte, Performance und Auslastung ausgelegt. Zudem ist sie zu nahezu 100 Prozent rezyklierbar.


Der Autor

Andreas Knöpfli ist Managing Director der Sun Microsystems (Schweiz) AG in Volketswil.




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