GoLive 6.0 fürs mobile Internet

Die neue Version von Adobe GoLive 6.0 vermag nur halb zu überzeugen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/26

     


Adobe GoLive ist eine der überzeugendsten WYSIWYG-Entwicklungsumgebungen für Websites (siehe u.a. InfoWeek 19/2001 und 40/2000). Nun ist GoLive in Version 6.0 mit weiteren Features verbessert worden. Doch leider scheint der Funktionszuwachs teilweise auf Kosten der Qualitätssicherung gegangen zu sein.


Wenig Neues auf den ersten Blick


Auf der Bedienungsoberfläche sind auf den ersten Blick keine wesentlichen Änderungen ersichtlich. Arbeitet man aber etwas länger mit dem Programm, entdeckt man eine Reihe neuer Features, die besonders zur besseren Ausnützung des Bildschirmplatzes beitragen. So können beispielsweise Registerkarten der Objekteigenschaften frei im Arbeitsfenster plaziert und von dort in die Bildschirmkante minimiert werden. Weiter erwähnenswert sind neue Guides zur Erstellung von dynamischen Sites sowie erweiterte Kontextmenüs.
In der Seitenansicht kann nach wie vor in den Modi Layout, Frames, Quellenansicht, Struktur und Vorschau gearbeitet werden. Diejenigen Designer, die in früheren Versionen von GoLive konstant zwischen der Layout- und Quellenansicht hin und her wechseln mussten, dürfen sich nun über die Möglichkeit freuen, den Quellcode in der Layoutansicht anzuzeigen.
Wie fast nicht anders zu erwarten, wurde auch die Integration zu anderen Adobe-Produkten weiter verbessert. So werden nun etwa mehrschichtige Photoshop-Illustrationen mit Text- und Vektorlayern vollständig unterstützt.





Visualisierung mit Diagrammen


Stark erweitert wurde dagegen GoLives Diagramm-Modul. Diagramme können einerseits zur Planung von Websites verwendet werden, andererseits können diese Diagramme auch in den Websites zur Veranschaulichung von Hierarchie- oder anderen Relationen eingebettet werden. Die Diagramme können zu diesem Zweck als PDF oder SVG exportiert werden.
Die Objektpalette enthält zahlreiche Neuigkeiten, beispielsweise Objekte, die die in GoLive unterstützten Technologien repräsentieren.
Nicht zu verwechseln mit den Diagrammen ist das Sitemanagement-Tool, das allerdings bereits in Version 5.0 so ausgereift war, dass in der aktuellen Version hier kaum Neuerungen zu verzeichnen sind.





Revisionssteuerung mit Adobe Web Workgroup Server


Der Adobe Web Workgroup Server ermöglicht die Zusammenarbeit zwischen mehreren Entwicklern am selben Projekt. Dieser Server, welcher Adobe GoLive 6.0 auf einer separaten CD beiliegt, administriert nicht nur die Arbeit mit und die Freigabe von Dokumenten auf den Live-Server, sondern auch eine ganze Reihe anderer Ressourcen.
Besonders erwähnenswert ist die Revisionssteuerung, mit welcher die Entwicklung einer Website von zentraler Stelle aus gesteuert werden kann. Obwohl in erster Linie für Arbeitsgruppen konzipiert, empfiehlt Adobe den Einsatz des Web-Workgroup-Servers auch Einzelentwicklern mit umfangreichen Projekten, weil dadurch die Speicherung und Versionssteuerung vereinfacht werden kann.


Dynamische Websites


Wer dynamische Websites entwickeln will, kann in GoLive 6.0 Technologien wie ASP, JSP und PHP verwenden. Die Errichtung einer dynamischen Website ist mit einem Guide theoretisch spielend einfach. In der Praxis hat sich jedoch erwiesen, dass dieser Guide leider nicht fehlerfrei ist. So war es uns nicht möglich, dynamische Sites via FTP zu errichten, obwohl dies laut Handbuch sowohl für den IIS als auch Apache- und Tomcat-Server machbar sein sollte. Eine Recherche im Internet ergab, dass offenbar auch andere User mit diesem Problem konfrontiert waren. Der Fehler ist umso schlimmer, weil der Guide nicht umgangen werden kann. Kann der Guide das Testscript nicht abwickeln, können Datenquellen auch nicht manuell konfiguriert werden.
Dank einer reichhaltigen Objektpalette und einigen ausgeklügelten Funktionen wäre die Arbeit mit dynamischen Seiten in GoLive 6.0 ansonsten ganz bequem.
Wer auf seinem Server nicht mit dynamischen Seiten arbeiten kann oder will, hat ausserdem die Möglichkeit, von GoLives Page Generator Gebrauch zu machen. Dieses Modul kann intern mit Hilfe von Schablonen quasi-dynamische Seiten erstellen und diese dann statisch veröffentlichen.





Das mobile Internet


Zu den umfassendsten Neuigkeiten in Adobe GoLive 6.0 gehören zweifellos die Funktionen zur Erstellung von Seiten für das mobile Internet. So unterstützt GoLive 6.0 sowohl CHTML für i-mode als auch XHTML/WML für WAP.
Ausser den entsprechenden Design- und Funktionsobjekten, die in GoLive integriert sind, wird das Programm in der Windows-Ausgabe mit Emuliersoftware für i-mode und Nokia geliefert.
Wohl ist es möglich, mit GoLive und der separaten Dokumentation verhältnismässig rasch Decks für das mobile Internet zu programmieren, aber man vermisst eine Funktion oder einen Guide, welcher bestehende HTML-Seiten teilweise automatisch konvertieren kann. Denn wer fürs mobile Internet publizieren will, hat wohl nicht selten bereits eine bestehende Website, wovon ein Teil mobilen Usern zugänglich gemacht werden soll. Gerade für solche Fälle wäre eine halbautomatische Konvertierung äusserst nützlich.





Ein Schritt in die richtige Richtung


Obwohl Adobe GoLive 6.0 eine ganze Reihe wichtiger und gut gelungener Erneuerungen präsentiert, werfen zu viele negative Eigenschaften ihren Schatten über das Produkt. Zum einen steht es schlechter um die Stabilität von GoLive 6.0, als dies bei der Vorgängerversion der Fall war. Zum anderen kann man sich fragen, ob die weitgreifende Unterstützung von beispielsweise i-mode, aber auch WAP voll berechtigt sind. Immerhin hat WAP bis jetzt noch nicht die gewünschte Ausbreitung gewonnen, und ob i-mode eine andere Entwicklung bevorsteht, ist alles andere als sicher.
Schliesslich trüben auch offensichtliche Fehler, wie der oben erwähnte Wizard zur Erstellung von dynamischen Sites, den Gesamteindruck.
Auf der anderen Seite stellt der Adobe Web Workgroup Server einen wirklichen Gewinn dar. Ebenso erweisen sich viele der kleinen Verbesserungen als durchaus nützlich im täglichen Gebrauch. Umso ärgerlicher ist es aber, dass die neue Version von Adobe GoLive vor ihrer Veröffentlichung nicht sorgfältiger feingeschliffen wurde.



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