Neue Trends im E-Learning

Der Kreis der Anbieter von E-Learning-Lösungen ist in den letzten Jahren kleiner geworden. Der Trend geht zu schneller realisierbaren und günstigeren Unterrichts- einheiten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/18

     

Um die Jahrtausendwende galt E-Learning als das kommende grosse Geschäft. Doch dem Hype folgte Ernüchterung. Was angeboten wurde, konnte die Erwartungen nicht einlösen, und die Nach-Dotcom-Jahre trugen das Ihre dazu bei, dass die Wachstums­prognosen nach unten korrigiert wurden. Die Szene konsolidiert sich. Auch in der Schweiz blieb
von den zahlreichen Anbietern
nur eine Handvoll übrig.


The magic is in the mix

Die Zeit der grossen Visionen ist vorbei. Nachdem Anwender wie Anbieter mit komplexen und kostenintensiven Projekten häufig scheiterten, stehen nun modu-
lare Konzepte und «Blended Learning» – die Kombination von Online-Angeboten, Workshops und klassischen Seminarveranstaltungen – im Zentrum. In Frankreich etwa basieren heute 89 Prozent der in den Unternehmen eingesetzten Ausbildungsprogramme auf «Blended Learning», wie eine neue Untersuchung der Chambre de Commerce et de l’Industrie de Paris zeigt. US-Studien weisen in die gleiche Richtung. Entsprechend der amerkanischen Vorliebe für eingängige Slogans verkünden sie: «The magic is in the mix».
Aber auch ein eher nüchterner Mann wie Omar J. Lahyani, CEO der Schweizer Comartis, die sich auf die Entwicklung von E-Learning-Lösungen und entsprechender Tools spezialisiert hat, bestätigt diese Entwicklung. «Eigentlich sollte man beim E-Learning weniger über das ‹E› sprechen», meint er. «Die Technologien sind eingeführt und selbstverständlich. Um was es geht, ist die effiziente Vermittlung von Inhalten.» Er macht sich stark dafür, dass auch das informelle Lernen am Arbeitsplatz vermehrt ins Blended Learning integriert wird. «Allerdings muss das dann auch entsprechend dokumentiert werden.»


Günstiger und schneller

Der neue Trend zur Modularisierung der Lernprogramme hat auch mit Geld zu tun: Noch vor wenigen Jahren galt die Faustregel, dass eine Stunde interaktives E-Learning mit Ton rund zehn Wochen Produktionszeit beansprucht und 100’000 Franken kostet. Heute geht die Tendenz zu Blöcken von einer Viertel- oder halben Stunde, die so konzipiert sind, dass sie mehrmals in unterschiedlichem Kontext verwendet werden können. Und darüber hinaus sollen sie sich auch schneller und günstiger produzieren lassen. Das Stichwort heisst: «Rapid Learning».
Die auf klar einzugrenzende Fragen ausgerichteten Einheiten werden meist inhouse erstellt. Lahyani: «Da es dabei oft darum geht, die Mitarbeiter mit neuen Produkten bekanntzumachen, kann auf vorhandenes Material wie Powerpoint-Präsentationen zurückgegriffen werden. Diese werden mit gesprochenen Kommentaren und Kontrollfragen ergänzt, mit geeigneten Werkzeugen in ein Flash-Dokument umgewandelt und in das E-Learning-Angebot der Firma integriert.» Das Authoring – die inhaltliche, gestalterische und didaktische Aufbereitung – einer solchen Kurzlektion lässt sich mit einem Tool wie etwa Rapid
E-Learning-Studio von Articulate
in kurzer Zeit bewerkstelligen.


Seminarien für Abwesende

In die gleiche Richtung zielt die Aufzeichnung von Seminarien. Eine digitale Kamera filmt die Ausführungen des Vortragenden und die Beantwortung von Fragen der Kursteilnehmer. Gleichzeitig werden die gezeigten Präsentationen aufgezeichnet und beides anschliessend zu einem Kursmodul vereinigt. Dieses gibt Mitarbeitern, die aus zeitlichen oder geografischen Gründen nicht am Seminar teilnehmen konnten, die Möglichkeit, die Inhalte am Bildschirm interaktiv nachzuvollziehen, wobei sie sich mit Hilfe eines Inhaltverzeichnisses auf jene Teile konzentrieren können, die für sie von besonderem Interesse sind. Ein Werkzeug, das es ermöglicht, Seminare auf diese Art aufzuarbeiten, ist beispielsweise die Simplex Media Suite der Schweizer Firma Xtendx.
Web-Conferencing-Tools erlauben auch die Schulung in Form eines «Virtual Classroom», bei denen die Mitarbeiter von verschiedenen Standorten aus online an der Live-Schulung teilnehmen. Neben den Trainingspräsentationen können dabei auch Anwendungen – etwa zum Kennenlernen bestimmter Applikationen – gemeinsam betrachtet und bearbeitet werden.
Auch hier kann der Unterricht aufgezeichnet und für diejenigen, die nicht teilnehmen konnten, zu einem späteren Zeitpunkt abgespielt werden. Für diesen Bereich hält neben den grossen amerikanischen Anbietern wie Centra oder WebEX auch die deutsche Firma NetViewer eine interessante Lösung bereit.


Das Ende der Didaktik?

Ganz unproblematisch ist «Rapid Learning» allerdings nicht. Pädagogen sehen darin eine Versimpelung und wittern das Ende der Didaktik. Befürworter wie Thomas Glatt vom E-Learning Center of Competence der Credit Suisse sehen das anders: «Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall», liess er sich vom Internetdienst «Checkpoint
E-Learning» zitieren. «Die Didaktisierung bezieht sich allerdings nicht mehr auf den Lernprozess, sondern auf den Content. Ideal dafür sind kleine, simulative Lerneinheiten.»
Solche E-Learning-Varianten werden immer populärer. Die erwähnte französische Studie weist nach, dass bereits die Hälfte der befragten Unternehmen Rapid-Learning-Tools einsetzen.
Auch der von Pädagogen oft angezweifelte Wert der in
E-Learning-Programmen verwendeten Multiple-Choice-Abfragen mag Lahyani nicht in Frage stellen: «Es kommt darauf an, wie eine solche Abfrage konzipiert ist. Falsche Antwortvorschläge sollten dem entsprechen, was in Vortests oft von schlecht geschulten Kandidaten fälschlicherweise als richtig angesehen wird. Natürlich darf auch nicht automatisch die längste Antwort die richtige sein. Und es muss sorgfältig eruiert werden, welche Fragen für das Lernziel relevant sind. Was nichts zum abschliessenden Test beiträgt,
kann wegfallen. In einem Gross­unternehmen mit 10’000 Lernenden bedeuten zehn unnütze Fragen schnell ein Jahr verpasster Arbeitszeit.»


Und wo ist der ROI?

Für die Unternehmen ist Ausbildung kein Selbstzweck. Sie erwarten davon einen Effekt auf das Firmenergebnis. Laut der repräsentativen ASTD-Studie zur Situation der Wirtschaft lassen sich amerikanische Unternehmen die durchschnittlich 32 Stunden innerbetrieblicher Ausbildung pro Mitarbeiter im Jahr rund tausend Dollar kosten. Zudem investieren sie jährlich 13,1 Milliarden Dollar in Tools und Programme.
Angesichts solcher Zahlen wundert es doch, dass nur gerade acht Prozent den Erfolg ihrer Schulung auch überprüfen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass 12 Milliarden Dollar ausgegeben werden, ohne dass der Effekt gemessen wird – für Lahyani ein unhaltbarer Zustand. Im Marketingbereich wird längst jedes Projekt genau kalkuliert und der Erfolg bewertet. Ähnliches sollte sinnvollerweise auch für die Ausbildung gelten.
Die Werkzeuge wären vorhanden: In einem Pretest lässt sich feststellen, welches Wissen den Mitarbeitern fehlt. Nach dem Kurs kann geprüft werden, was davon effektiv erfasst wurde. Nach etwa drei Monaten wäre nachzufragen, was davon am Arbeitplatz umgesetzt wird und wie es sich auswirkt oder was einer Anwendung gegebenenfalls entgegensteht. Nach 12 oder 18 Monaten ist es dann Zeit, auch die Business-Ziele zu überprüfen, etwa ob sich der Verkaufserfolg verbessert hat.
«Erfolg oder Misserfolg und damit der Return on Investment einer E-Learning-Kampagne lässt sich so anhand von Fakten aufzeigen. Die standardisierte Überprüfung muss allerdings institutionalisiert und automatisiert werden», erklärt Lahyani, «sonst geht sie vergessen.»


Outsourcing verbessert das Learning

Ein weiterer E-Learning-Trend ist das Outsourcing des gesamten technischen Teils. Das kann die Ausbildung nicht nur günstiger, sondern auch effizienter machen. Lahyani erklärt: «Die IT-Resourcen in den Unternehmen werden in erster Linie für das Kerngeschäft benötigt. E-Learning kommt in den Augen der IT-Abteilung erst an zweiter oder dritter Stelle. Der schlechte Ruf, den E-Learning oft hat, verdankt es teilweise auch dem dadurch verursachten, ungenügenden Servicelevel.».




Die Web-Technologie ermöglicht heute die Auslagerung samt der externen Verwaltung der Testergebnisse. Umfragen in den USA haben ergeben, dass dies bereits 30 Prozent der grossen Unternehmen tun und sich sehr zufrieden äussern. Darüber hinaus sieht Lahyani in Outsourcing-Modellen auch eine Chance für KMU, die sich sonst die für E-Learning notwendigen Infrastukturen kaum leisten könnten. «Bisher sind es vorwiegend die grossen Unternehmen – in der Schweiz vor allem Banken und Versicherungen – die E-Learning-Angebote für ihre Mitarbeiter pflegen. In den nächsten Jahren dürfte dies auch für KMU immer mehr zu einer Notwendigkeit werden. Für den Erfolg entscheidend ist ein Betriebsklima, das die Eigeninitiative fördert.» Lahyani ist überzeugt: «Ohne Unterstützung der Vorgesetzten und etwas Druck von aussen geht es nicht.» Er verweist darauf, dass in den Banken die Programme über Geldwäscherei zu den meistgenutzten Einheiten gehören – weil diese Kenntnisse von Gesetzes wegen verlangt werden.




Treiber für Outsourcing-Entscheidungen im E-Learning


E-Learning im Zentrum

Vom 25. bis 27. Oktober findet in Basel die WorldDidac 2006 statt. Die Messe, die sich an Bildungsexperten aller Stufen der schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildung richtet, erwartet rund 22’000 Fachleute, die sich über die Angebote der 434 Austeller aus 28 Ländern informieren möchten. Einen besonderen Fokus erhalten dabei Firmen aus der ICT-Branche, die zeigen werden, wie eine neue Generation von Hard- und Software den Unterricht verändern wird. So wird zum Beispiel am Gemeinschaftsstand «e-schooling@WorldDidac», an dem sich unter anderem Apple, Cisco, Filemaker, Lenovo, Microsoft und Toshiba beteiligen, ein mit modernster Technologie ausgestattetes Klassenzimmer vorgeführt. Neben der eigentlichen Messe mit Neuheiten und kreativen Lösungen sieht sich die WorldDidac auch als Weiterbildungsplattform für Lehrpersonen. Diesem Anspruch versucht man mit zahlreichen hochkarätigen Foren, Podiumsgesprächen, Seminaren und spezifischen Weiterbildungs-Workshops gerecht zu werden. Info: www.worlddidacbasel.com




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