Adobe gräbt Quark das Wasser ab

Adobe hat mit seiner neuesten InDesign-Version das Zeug dazu, den bisher unangefochtenen Marktführer Quark, der mit XPress 6 seine Position behaupten will, vom Thron zu stossen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/05

     

Schon die zweite Ausgabe von InDesign, der revolutionären Seitenlayout-Software aus dem Hause Adobe, rückte DTP-Guru Quark gefährlich zu Leibe. Quark ist es allerdings aufgrund der breiten Unterstützung der Druckbranche bisher gelungen, mit seinem XPress die Marktführerschaft im Desktop-Publishing-Bereich erfolgreich zu behaupten.
Die neuste Adobe-InDesign-Version mit dem Kürzel CS hingegen - was soviel heisst wie Creative Suite und das Produkt als Bestandteil einer ganzen Sammlung von Adobe-Programmen ausweist - könnte das definitive Aus für Quark bedeuten. Die enormen Verbesserungen und das noch ausgereiftere Zusammenspiel mit anderen Adobe-Produkten wie Photoshop, Illustrator und Acrobat könnten InDesign zum Layoutprogramm der Zukunft für den gesamten grafischen Sektor machen. Wir haben die Suite mit XPress 6, dem neuesten Wurf aus dem Hause Quark, verglichen.


Umsteigen vorprogrammiert

Sowohl InDesign als auch XPress unterstützen in ihrer jüngsten Version auf Apple-Rechnern nur noch Mac OS X. Mac-User, die umsteigen möchten, sind deshalb gezwungen, auch ihr altes Betriebssystem aufzurüsten. Für die Mac-Welt bedeutet dies den endgültigen Umstieg auf das neue Unix-Betriebssystem, was bei grösseren Unternehmen durchaus zu umfangreichen Umstrukturierungen führen kann. Ebenfalls problematisch wird es mit den zahlreichen Erweiterungen von Drittherstellern, die mit den neuen Versionen nicht mehr verwendet werden können und dementsprechend ebenfalls neu angeschafft werden müssen. Windows-Anwender haben in dieser Beziehung mehr Glück, denn neben Windows XP lassen sich beide Produkte weiterhin auch unter Windows 2000 betreiben.



In Sachen Performance hat sich einiges getan. Bereits bei den Vorgängerversionen, die noch unter OS 9 liefen, hatte InDesign in dieser Beziehung klar die Nase vorn. Quark versprach, dieses Defizit mit XPress 6 wettzumachen. Im grossen und ganzen ist dies dem Hersteller aus Colorado auch gelungen: Die Performance von XPress 6 hat sich gegenüber der Version 5 mächtig verbessert und braucht sich nicht mehr hinter Adobes Konkurrent zu verstecken. Adobe hat ihrem Produkt ebenfalls eine Leistungssteigerung verpasst, jedoch ist diese nur in Zoom-, Import- und Exportfunktionen von Fremddaten richtig spürbar.




XPress-Dateien nennen sich jetzt Projekte und können mehrere Layouts aufnehmen.


Neuerungen und noch mehr

Sowohl Quark als auch Adobe haben ihre Produkte mit einer Reihe neuer nützlicher Features vollgepackt, wobei diese in InDesign um einiges umfangreicher ausfallen als in XPress. Schon beim Erstellen eines neuen Dokuments in InDesign CS stehen dem versierten Layouter nützliche Optionen in der Dokumenteneinrichtung zur Verfügung. Für jeden Seitenrand lassen sich zum Beispiel spezifische Bereiche für Beschnittzugabe und Infobereiche einstellen. Diese Funktion kann auch auf PDF-Dateien angewendet werden. Ebenfalls nützlich ist die Möglichkeit der speicherbaren Dokumenteneinrichtung, wobei Seitengrössen, Spalten und Ränder individuell eingestellt werden können.



Bei XPress 6 hat sich in dieser Hinsicht auch einiges geändert. Im Gegensatz zur Vorgängerversion wird nicht mehr mit Dokumenten, sondern mit Projekten gearbeitet. Der Unterschied zu bisherigen Dokumenten besteht darin, dass ein Projekt mehrere Layouts beinhalten kann, die unterschiedliche Seitenformate enthalten können. Stilvorlagen, Farben, Silbentrennung- und Blocksatz-Einstellungen sowie Striche und Streifen gelten dabei layoutübergreifend für das gesamte Projekt. Ausserdem lassen sich in einem Projekt Print- und Web-Layouts miteinander kombinieren.




Für Dokumente, die gedruckt werden sollen, hat sich Adobe etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Die Separationsvorschau- und die Reduzierungsvorschau-Paletten sind zwei Features, die für Druckereien und Druckvorstufen von enormer Wichtigkeit sind und viel Geld und Arbeit sparen. Durch die Überdrucken-Vorschau kann schon am Bildschirm geprüft werden, wie sich einzelne oder mehrere Druckplatten im effektiven Druck verhalten werden. Ausserdem können so drucktechnische Fehler ohne umständliche Farbauszugs-Prints vermieden werden. Mit der Reduzierungsvorschau-Palette können die bisher oft fehleranfälligen transparenten Photoshop- und Illustrator-Dateien im reduzierten Modus betrachtet werden.


Überarbeitete Textverarbeitungen

Bei der Textverarbeitung sind beide Lösungen ebenfalls um einige Neuerungen reicher geworden. Allerdings hat InDesign auch in diesem Bereich wieder etwas mehr zu bieten: So lassen sich etwa mit der Funktion "Textmodus" Texte effizient und über mehrere Textrahmen und Seiten hinweg bearbeiten. Die im Textmodus eingegebenen Änderungen werden im Layout automatisch übernommen. Ausserdem wurde der Textimport verbessert: Texte können jetzt ohne Formatierung plaziert werden, was einige Arbeitsschritte einspart.
XPress 6 kann in dieser Sparte nicht konkurrieren. Trotz den beinahe schon legendären Typografie-Eigenschaften, die bis anhin mitverantwortlich für die uneingeschränkte Spitzenposition von Quark im Publishing-Markt waren, ist die einzige nennenswerte Neuerung die erweiterte Silbentrennung. Sie setzt die von Diekmann lizenzierten Wörterbücher und Algorithmen ein, auch die Wörterbücher sind dank dem Diekmann-Verlag deutlich besser gelungen als im Vorgängerprogramm. Leider erkennt XPress, im Gegensatz zum Vergleichskandidaten aber immer noch nicht, dass Wörter am Satzanfang gross geschrieben werden.


Unzählige grafische Möglichkeiten

Im grafischen Bereich hat XPress eine Menge dazugelernt. So wurde beispielsweise die bis anhin eher schlechte Bilddarstellung am Monitor um einiges optimiert - nun lassen sich hochaufgelöste Bilder bereits im Layout darstellen. Dies ermöglicht Gestaltern die genauere Plazierung von Elementen, die im Zusammenhang mit exakt positionierten Bildern eine bestimmte Wirkung erreichen sollen.



Aber auch InDesign hat in grafischen Belangen einiges auf Lager. Die neue Version enthält unter anderem eine überarbeitete Funktion des Pathfinders, mit dem sich mehrere separate Formen schnell zu einer einzelnen Form verbinden lassen. Durchaus nennenswert, wenn auch aus älteren Versionen bereits bekannt, ist das umfassende Zusammenspiel zwischen InDesign und anderen Adobe-Programmen wie Photoshop oder Illustrator: Per Drag&Drop lassen sich praktisch alle Elemente durch die einzelnen Programme navigieren.




Beide Applikationen halten auch einige Neuerungen für die Tabellenerstellung und -bearbeitung bereit. Mit XPress 6 lässt sich etwa der Text innerhalb einer Tabelle besser formatieren als bei der Vorgängerversion. Auch die Handhabung der Zellen hat sich verbessert, und es lassen sich jetzt sogar Excel-Tabellen importieren. Die Tabellen bleiben ähnlich wie Bilder mit dem Original verknüpft und können in der Ursprungsanwendung aktualisiert werden. Dabei gehen allerdings die nachträglich im XPress ausgeführten Änderungen verloren.



InDesign hingegen hat durch das schon in den Vorgängerversionen sehr gute Tabellenhandling diesbezüglich weniger Neuerungen parat. Einzig die Tabellenkopf und -fusszeilen lassen sich in den Tabellenoptionen anlegen und verändern.



Eine Funktion, die eigentlich bereits in den Versionen 4 und 5 von XPress erwartet wurde, ist nun endlich verfügbar: XPress 6 kann neu bis zu 30 Rücknameschritte ausführen. Indem man entsprechend viele Einträge auswählt, lassen sich auch mehrere Schritte auf einmal rückgängig machen. Die eingefleischten XPress-Anwender werden dies zu schätzen wissen. Diese Funktion hatte Adobe allerdings bereits in der ersten InDesign-Ausgabe implementiert.



Die umfangreichen Einstellungsmöglichkeiten im Druck-Menü von InDesign sind klar und übersichtilich angeordnet.


Neue Web-Layouts

Das neu integrierte Web-Layout in XPress 6 ermöglicht es dem Anwender, Web-Designs mit begrenzten gestalterischen Möglichkeiten zu erstellen. Man arbeitet mit den gewohnten Werkzeugen für Rahmen, Linien, Text und Tabellen. Zusätzliche Werkzeuge und Optionen gibt es im Web-Layout für Formulare, Image Maps, Rollover-Effekte und Cascading-Menüs. Dieses Web-Tool ist keinesfalls vergleichbar mit einem speziellen Web-Design-Programm wie GoLive oder Dreamweaver. Es kann HTML-Dokumente weder öffnen noch bearbeiten, ist dazu allerdings auch nicht gemacht - es dient lediglich dem Export der gestalteten Seiten als HTML-Dokument.




Adobe hingegen setzt auf Kompatibilität mit seinem hauseigenen Web-Editor GoLive. Der neue Befehl "Für GoLive verpacken" ermöglicht den Export einer InDesign-Seite, um diese für Web-Projekte einzusetzen. In InDesign werden automatisch eine strukturierte PDF-Datei und zugehörige XML-Dateien erstellt. Wenn Objekte aus der PDF-Datei in ein GoLive-Layout gezogen werden, ruft GoLive die zugehörigen XML-Objekte ab. Zeichen- oder Absatzformate werden automatisch in Cascading Style Sheets (CSS) konvertiert.


PDF-Export ohne Umweg

Sowohl InDesign als auch mittlerweile XPress bieten den direkten PDF-Export ohne Umwege über Tools von Drittanwendern an. Dabei hat Adobe in sein Tool einige hilfreiche Funktionen zusätzlich eingebunden. Beispielsweise kann das Programm Ebenen als PDF-1.5-Ebene exportieren, ohne sie zuvor zu reduzieren. Es besteht auch die Möglichkeit, interaktive PDFs zu erstellen, die mit Filmen, Audio-Clips, Lesezeichen und Schaltflächen ergänzt werden können und die sehr hilfreiche Preflight-Funktion rundet die herausragenden Export- und Kontrollfuktionen des Adobe-Produkts ab.



Der Konkurrent aus dem Hause Quark hingegen bietet zwar ebenfalls die direkte PDF-Export-Funktion an, und es ist auch möglich, Hyperlinks einzubauen, jedoch reichen die Funktionen bei weitem nicht an diejenigen von InDesign heran - kein Wunder, schliesslich sitzt Adobe als PDF-Erfinder hinsichtlich der Export-Möglichkeiten an der Quelle. Das Preflight-Tool ist zwar auch für XPress erhältlich, kann jedoch auch über ein separat erworbenes Xtension erreicht werden.




Die Ausgabefunktionen beider Applikationen sind sehr lobenswert und stehen sich in keiner Weise nach. Die Druckerdialogboxen sind umfangreich ausgestattet und enthalten druckerspezifische Einstellungen, die unabhängig von Druckertreibern eingestellt werden können. Sie enthalten ausserdem eine Zusammenfassung der wichtigsten Einstellungen, und die Voransicht lässt weder bei Quark noch bei Adobe Wünsche offen. Was die Geschwindigkeit der Ausgabe betrifft, scheint InDesign eindeutig schneller voranzukommen als XPress.


Fazit

Was sich schon nach der zweiten Version von Adobes InDesign abzeichnete, scheint sich allmählich zu bewahrheiten. Adobe kratzt gefährlich am Quark-Ego und könnte ernsthaft dessen Leaderposition bedrohen. Dementsprechend verlief auch unser Vergleichstest: Bei fast allen Funktionen liess InDesign Quark eindeutig hinter sich. Sei es nun bei der nahtlosen Integration von Grafiken und Bildern ins Layoutprogramm oder beim simplen Export als PDF - Adobe ist in allen Disziplinen ein bisschen besser.
Obwohl sich die Quark-Fangemeinde über die Jahre hinweg nicht von ihrem Standard abbringen liess, wird der abschreckende Registrierungsablauf, die nicht sehr innovativen Neuerungen und der immer noch sehr hohe Preis selbst eingefleischte XPress-Anwender zum Umdenken anregen.




Die Test-Kandidaten im Vergleich


Der neue Standard für redaktionelle Teamarbeit?

Adobe wagt nicht nur im Layoutbereich einen Vorstoss gegen Quark, sondern bringt durch die Einbindung von InCopy und InDesign in das neue Redaktionssystem K4 von SoftCare auch das bis jetzt noch sehr verbreitete Quark Publishing System (QPS) in Bedrängnis. Durch die Tatsache, dass Adobe dem Systemhaus A&F den Status eines Adobe-Lizenzcenters entzogen und diesen neu an das St. Galler Systemhaus Topix vergeben hat, stehen die Zeichen gut, dass Verlage, die auf InDesign umsteigen, auch den Wechsel von QPS auf K4 in Betracht ziehen.
Das datenbankgestützte Redaktionssystem, das die Arbeit von Layoutern und Redaktoren organisiert und den Produktionsablauf steuert, scheint QPS in nichts nachzustehen. Die sehr stabile und übersichtliche Oberfläche sowie das einfache Handling und die reibungslose Zusammenarbeit mit allen Adobe-Entwicklungen scheint eine sehr gute Alternative zum bisher unbestrittenen Platzhirschen zu sein.




Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Aus welcher Stadt stammten die Bremer Stadtmusikanten?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER