cnt

Kolumne: Quiet Quitting vs. Quiet Hiring

Fabian Dütschler über die Phänomene der innerlichen Kündigung und der stillen Umverteilung von Aufgaben.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2025/04

     

In den letzten Jahren sind zwei Begriffe in der Arbeitswelt immer häufiger zu hören: Quiet Quitting und Quiet Hiring. Während die einen innerlich kündigen und nur noch das Nötigste tun, verteilen Unternehmen Aufgaben einfach neu, anstatt offene Stellen zu besetzen. Beide Phänomene zeigen: Die Arbeitswelt hat sich verändert, und sowohl Unternehmen als auch Beschäftigte müssen neue Wege finden, um damit umzugehen.

Quiet Quitting bedeutet, dass jemand sich bewusst entscheidet, nicht mehr als nötig zu leisten. Keine unbezahlten Überstunden, keine zusätzlichen Aufgaben, keine Extra-Meile. Manche sehen das als gesunde Abgrenzung, andere als stillen Protest gegen schlechte Arbeitsbedingungen und mangelnde Wertschätzung. Immer mehr Menschen sind also nicht mehr bereit, sich für einen Job aufzuopfern, wenn die Anerkennung und die Bedingungen nicht stimmen.


Ich persönlich sehe Quiet Quitting als Zeichen, dass sich die Erwartungen an Arbeit verändern. Mitarbeitende setzen heute klare Grenzen – nicht, weil sie faul sind, sondern weil sie langfristig gesund bleiben und eine gute Work-Life-Balance haben wollen.

Parallel dazu gibt es Quiet Hiring. Dies beschreibt, dass Unternehmen offene Stellen nicht durch Neueinstellungen, sondern durch interne Umverteilungen kompensieren. Meiner Meinung nach ist das nicht per se schlecht – viele Mitarbeitende können sich so weiterentwickeln, neue Fähigkeiten lernen und ihren Marktwert steigern. Die Kehrseite: Wenn Quiet Hiring bedeutet, dass bestehende Mitarbeitende still und heimlich immer mehr Aufgaben übernehmen müssen, ohne dass sie dafür mehr Geld oder eine Beförderung bekommen, dann ist das nicht nachhaltig.
Quiet Hiring kann Probleme lösen, aber auch neue schaffen. Wenn eine Person plötzlich zwei Jobs gleichzeitig macht, steigt das Risiko von Überlastung und Frustration. Wer das Gefühl hat, ausgenutzt zu werden, wird langfristig eher zu einem Quiet Quitter als zu einer motivierten Fachkraft. Unternehmen müssen also einen Mittelweg finden: Talente gezielt fördern, aber ohne sie auszubeuten. Transparente Kommunikation ist hier entscheidend.

Am Ende zeigt sich, dass Quiet Quitting und Quiet Hiring eng miteinander verbunden sind. Wer sich nur noch auf das Minimum beschränkt, tut das oft aus Frust über gestiegene Anforderungen ohne Gegenleistung. Und Unternehmen, die unbemerkt immer mehr Aufgaben umverteilen, riskieren, genau diese Frustration zu verstärken. Meiner Meinung nach braucht es eine neue Art des Umgangs miteinander: Mehr Wertschätzung, mehr Kommunikation und vor allem eine realistische Einschätzung dessen, was Beschäftigte leisten können und wollen. Während sich Unternehmen fragen sollten, wie sie Motivation und Engagement durch echte Perspektiven fördern können, sollten sich Mitarbeitende bewusst machen, welche Folgen es haben kann, sich nur noch auf das Minimum zu beschränken. Natürlich ist es wichtig, eigene Grenzen zu setzen, aber wer sich nie engagiert oder weiterentwickelt, kann auf lange Sicht Chancen verpassen.


In unserer Arbeitswelt wird Leistung zwar oft erwartet, aber nicht immer anerkannt. Das führt dazu, dass Beschäftigte sich zurückziehen und Unternehmen versuchen, Aufgaben anders zu verteilen – ein Kreislauf, aus dem beide Seiten ausbrechen müssen. Die Lösung liegt in einem neuen Verständnis von Arbeit, in dem Engagement nicht ausgenutzt, sondern belohnt wird. Wer Leistung sehen und fördern will, muss echte Entwicklungsperspektiven bieten. Und wer sich abgrenzt, sollte sich fragen, ob er das tut, weil es ihm gut tut – oder weil er eigentlich längst innerlich gekündigt hat.

Fabian Dütschler

Fabian Dütschler ist Founding Partner von One Agency, einer führenden IT-Personaldienstleistungsagentur mit Hauptsitz an der Bahnhofstrasse in Zürich.
In seiner Kolumne im «Swiss IT Magazine» beschäftigt sich Dütschler mit den Herausforderungen, die sich rund um die Personalsuche und die Karriere­planung ergeben.
fd@oneagency.ch


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wieviele Fliegen erledigte das tapfere Schneiderlein auf einen Streich?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER