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Start-up Borobotics: Der lange Weg zur Bohrrevolution
Quelle: Borobotics

Start-up Borobotics: Der lange Weg zur Bohrrevolution

Borobotics hat sich zum Ziel gesetzt, den Prozess der Erdbohrung so schonend, ­umweltfreundlich und automatisiert wie möglich zu gestalten. Während die Vision bereits steht, muss der Prototyp aber noch diverse Tests durchlaufen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2025/03

     

Erdbohrungen zur Nutzung von Geothermie werden bereits seit geraumer Zeit erfolgreich durchgeführt. Allerdings sind die eingesetzten Bohrmaschinen laut und unhandlich, erfordern eine manuelle Bedienung und verbrennen fossilen Treibstoff – Eigenschaften, die man gemäss dem Start-up Borobotics deutlich verbessern kann. Hinter der jungen Firma stehen die drei Gründer Hans-Jörg Dennig, Moritz Pill sowie Philipp Ganz. Dennig arbeitet als Hochschullehrer an der ZHAW, an der 2015 ein Bohrroboter für einfacheres Bohren in urbanen Gegenden sowie in schwierigem Terrain Forschungsthema war. Obwohl das Thema also Relevanz hat, versandete die Forschung, wie der Firmengründer ausführt – ihn selbst beschäftigte das Thema aber weiterhin, da er einen Business Case und das wirtschaftliche Potenzial erkannte. Zudem berichtet er, dass die Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern Vorreiterin bei der Nutzung der Erdwärme ist, folglich wird viel gebohrt und es ist ein grosser Markt vorhanden. Infolge dessen stellte er Konzepte auf, akquirierte Forschungsgelder von Innosuisse und arbeitete weiterhin an der Thematik, was letztlich dazu führte, dass er Mitte 2023 mit Pill und Ganz Borobotics gründete, das er nun als CEO führt. Ganz (CTO) kannte er bereits aus seiner früheren Tätigkeit als Maschinenbauer, während Pill als COO und CFO angeheuert wurde, um die Firma aus Business-Development-Perspektive zu führen.

Investoren sind gleichzeitig Partner

«Die Gründung war bei uns quasi nur noch eine Formalität, denn wir haben alle Vorbereitungen inklusive der Forschung bereits im Vorfeld betrieben. Auch Fundraising sowie die Suche nach Investoren, die wir mit erarbeiteten Konzepten überzeugen konnten, schlossen wir teilweise bereits vor der Firmengründung ab», erklärt Pill. Während er und Ganz ihr ganzes Arbeitspensum dem Start-up widmen, arbeitet der CEO weiterhin an der Hochschule. Auf die Frage angesprochen, ob das mit der Führung eines jungen Unternehmens aufgehe, meint Dennig schmunzelnd, dass die Abende nicht darin bestünden, die Füsse auf dem Sofa hochzulegen.

Die Technologie für den Bohrroboter wird inhouse von einem mittlerweile achtköpfigen Team entwickelt, weshalb das Unternehmen bisher hauptsächlich Ingenieure eingestellt hat. Darüber hinaus pflegt die Firma diverse Partnerschaften: «Wir sind weiterhin sehr eng mit der ZHAW verbunden, dessen Labor und Testplatz wir nutzen können. Ausserdem sind auch zwei unserer Investoren gleichzeitig Partner – ein Teilelieferant sowie ein Bohrunternehmen. Zu guter Letzt unterhalten wir auch strategische Partnerschaften mit anderen Firmen, um Synergien zu gewinnen», so Dennig. Pill ergänzt, dass das Start-up nach wie vor auf der Suche nach weiteren Partnern ist, auch, um zusätzliche Einsatzzwecke für den Bohrroboter zu eruieren. Mittelfristig möchte das Unternehmen aber vor allem wachsen, Pill sagt, dass das Start-up den Break-even für den Zeitraum 2029 bis 2030 anpeilt – sofern man nicht in der Zwischenzeit auf eine «aggressivere Wachstumsstrategie» wechselt.

Die kleine grosse Revolution

Zentrales Produkt von Borobotics ist der bereits angesprochene Bohrroboter, der sich komplett von bis dato eingesetzten Bohrern unterscheiden soll. «Bisher eingesetzte Bohrmaschinen sind so gross wie ein Bagger und der Bohrturm so hoch wie ein Einfamilienhaus. Der Platzbedarf auf dem Boden beträgt rund 50 Quadratmeter. Ausserdem werden für die Erstellung etliche Tonnen CO2 emittiert und das beisst sich, handelt es sich doch bei der Geothermie um eine äusserst nachhaltige Energiequelle», konstatiert Dennig. Beim Bohrroboter des Start-ups ist die Ausgangslage dagegen eine ganz andere: Er ist so klein, dass er in einem handelsüblichen Lieferwagen transportiert werden kann und der benötigte Platz, um eine Bohrung durchzuführen, entspricht in etwa einem PKW-Parkfeld. Ausserdem generiert der elektrische Antrieb keine Schadstoffe und hat darüber hinaus den Vorteil, kaum Lärmemissionen zu verursachen – sobald sich der Bohrer unterhalb der Oberfläche befindet, sei er akustisch fast nicht mehr wahrnehmbar.

Pill betont darüber hinaus, dass der Bohrroboter auch unabhängig von seinem elektrischen Antrieb viel effizienter als konventionelle Bohrer konstruiert ist: «In unserem Bohrer ist die Antriebseinheit im Bohrer integriert, weshalb der Energiebedarf auch mit zunehmender Tiefe gleich bleibt.» Der Status quo ist bisher, dass der Schlag zum Bohrer von der überirdischen Bohrmaschine per Druckluft nach unten übertragen wird.

Die technische Neuheit hat jedoch einen grossen Haken, der aber durch smarte Technik gleich egalisiert wird. Aufgrund der viel geringeren Grösse ist der Bohrroboter deutlich weniger leistungsfähig als konventionelle Bohrer, wodurch der Bohrprozess mehr Zeit in Anspruch nimmt. Dieser an sich gewichtige Nachteil wird allerdings doppelt ausgehebelt. Einerseits wird ein Teil der Zeit wiedergewonnen, weil der Bohrer aufgrund der wegfallenden Lärmemissionen rund um die Uhr bohren kann, selbst in städtischer Umgebung. Andererseits arbeitet der Roboter vollautomatisch, sodass die zusätzliche Zeit zumindest personell keine zusätzlichen Kosten verursacht, Lediglich ein Pikett-Posten wird benötigt, der benachrichtigt wird, wenn der Bohrer ein technisches Problem hat. Das entsprechende Kontrollzentrum, mit dem sich der Bohrer remote überwachen und fernsteuern lässt, ist ebenfalls eine Eigenentwicklung.

Ein Gewinn für die Branche

Borobotics versteht sich als Lösungsanbieter für effizienteres und umweltschonenderes Bohren. Es ist vorerst nicht das Ziel, mit hiesigen Bohrunternehmen zu konkurrieren – was auch erklärt, warum einer der Investoren selbst ein Bohrunternehmen betreibt. Stattdessen verfolgt das Start-up das Ziel, den Bohrroboter für Bohrungen an andere Unternehmen zu vermieten – abgerechnet wird in Metern der Bohrtiefe. Für die angepeilte Kundschaft soll dadurch der Vorteil entstehen, dass weniger eigenes Equipment angeschafft werden muss und die Kosten für den Bohrroboter bereits im Voraus klar kalkulierbar sind. Zudem sei die Nutzung von Borobotics deutlich günstiger, wie die Gründer versprechen: Die Kosten für den Transport sind demnach um ein Vielfaches geringer, es wird während der Bohrung kaum Land beschädigt, das anschliessend wiederhergestellt werden muss, und es fallen viel weniger Gebühren beispielsweise für Strassensperrungen an. Der Kunde nimmt das Gerät dabei selbst in Betrieb, Borobotics ist nicht am Prozess beteiligt. Aufgrund der leichten Handhabung sei dies auch nicht erforderlich, wie die Gründer betonen. Pill schliesst allerdings nicht aus, dass das Unternehmen künftig eigenständig Bohrungen im Kundenauftrag durchführt.

Noch ein weiter Weg zu gehen

Aktuell befindet sich der Bohrroboter aber noch in der Entwicklung. Mittlerweile konnte das Start-up aber bereits zwei funktionierende Prototypen herstellen. Mit einem ersten Prototyp wurde eine Bohrung von 10 Metern Tiefe erzielt, wie Pill erzählt. Basierend aus diesen Learnings hat das Team einen zweiten Prototyp entwickelt, der derzeit intensiv getestet wird und mit dem das Unternehmen eine Bohrung von 50 Metern erreichen möchte. Bis Ende Jahr möchte das Team dann eine Bohrung von 200 Metern erfolgreich umsetzen. Dennig: «Zurzeit verfügen wir noch nicht über ein Produkt, das wir vermarkten können. Wir gehen aber stark davon aus, dass die Serienfertigung des Bohrroboters die grössere Herausforderung darstellt als die Vermarktung.» Bis es aber so weit ist, werden wohl noch rund zwei Jahre vergehen, so Dennig. Insbesondere die angepeilte hohe Robustheit und Zuverlässigkeit des Bohrroboters stellen die grössten Schwierigkeiten dar. Das Gerät muss schliesslich nicht nur denselben Test mehrere Male bestehen, sondern sich auch problemlos durch unterschiedliche Geologie bohren können. Mit Blick in die Zukunft stellen die Gründer weitere Einsatzzwecke in Aussicht: Der Bohrroboter könnte auch für horizontale Bohrungen, beispielsweise für Energienetze oder Stabilisierungsbohrungen in der Bauindustrie, verwendet werden. (dok)


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