Die Zusammenfassung des letzten Teams-Meetings abrufen. Die spanische Mail des Kollegen in Madrid übersetzen. Mittels Prompt die anstehende Mitarbeiterinfo entwerfen. Ideen für die Marketingkampagne generieren. Die Aufzählung lässt sich beliebig fortsetzen.
Künstliche Intelligenz ist allgegenwärtig. Auch wenn KI in der Praxis nicht so heiss gegessen wird, wie die Medien diese derzeit kocht – wir sind auf dem Weg in die fremdgesteuerte IT-Welt. Sind wir bereit für diese Entwicklung? Was feststeht: Wer die Bedeutung und den Nutzen der künstlichen Intelligenz grundsätzlich infrage stellt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Intelligent genutzt, hat KI in der Arbeitswelt enormes Potenzial. So unterstützt etwa ChatGPT auch anspruchsvolle Fragestellungen in der Mehrzahl der Fälle gut bis hervorragend. Der Nutzen dieses Services übertrifft – ungeachtet der bekannten Fehlleistungen – bei weitem die Erwartungen, die wir noch vor zwei Jahren an diese Form der IT-Unterstützung hatten. Die Anwendung fasziniert dabei stets von neuem. Doch welche Risiken lauern, wenn wir auf menschengemachte Strukturen und Inhalte mehr und mehr verzichten?
Die Verlockung ist gross, den kritischen – eigenen oder externen – Blick auf den fremdgenerierten Text zu unterlassen. Mit dem Risiko, wichtige Aspekte zu übersehen oder sich mit einem unzureichenden Resultat zu begnügen. KI verleitet dazu, Offensichtliches zu übernehmen, statt nach besseren Wegen zu suchen. Ebenso real ist die Gefahr, dass bei der Meeting-Zusammenfassung durch den Chatbot wesentliche Details, vor allem aber wichtige Zwischentöne, verloren gehen. Ein weiteres Beispiel: KI-basierte Vorschläge zu Massnahmen und Tasks für die Kommunikationskampagne enthalten weitgehend Bekanntes. Sie sind deshalb nicht nur kritisch zu hinterfragen, sondern auch kreativ zu erweitern. Darüber hinaus benötigen sie eine zweckmässige Struktur, die der gegebenen Aufgabenstellung bestmöglich gerecht wird. KI kann diesen schöpferischen Teil der Arbeit nicht überzeugend leisten. Aber auch das Link Management – bewusst gesetzte Bezüge zu wichtigen Dokumenten, Webadressen und weiteren Informationen – lässt sich nicht an die Maschine delegieren. Der Anwender allein weiss, was davon für ihn wichtig ist und, ganz besonders, längerfristig relevant bleibt. Rückwärtsgewandte Statistik und Korrelationsrechnung werden diesen persönlichen Weitblick nie ersetzen können.
Ohne gesunde Distanz zu den KI-Assistenten laufen wir Gefahr, die Vorteile der neuen Technologien zu verspielen. Zu viel Vertrauen in und Delegation an die KI führt am Ende zum Verlust von Struktur, Orientierung und Innovation. Mit Blick auf die Informationsflut benötigen wir nicht weniger, sondern mehr Selbststeuerung. Durch den Menschen geschaffene Inhalte und Strukturen bleiben unternehmerisch gesehen überlebensnotwendig. Oder anders: Mit Copilot werden wir das Chaos nicht besiegen. Wir brauchen eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen Mensch und Maschine. Diese Balance entsteht nicht von alleine. Sie erfordert unser aktives Zutun. Entsprechend wichtig ist die Weiterentwicklung auch der klassischen IT-Werkzeuge derart, dass diese uns optimal unterstützen. Dass dies angesichts des KI-Hypes derzeit vernachlässigt wird, ist bedauerlich.
Nehmen wir die faszinierenden jüngsten Errungenschaften der IT-Welt dankbar an. Behalten wir dabei jedoch die Kontrolle über diese – bleiben wir im Lead!
Heinz Scheuring
Heinz Scheuring ist Inhaber der Scheuring AG in Möhlin. Das Unternehmen bietet Consulting und selbstentwickelte Software unter anderem für Ressourcenplanung, Projekt- und Arbeitsmanagement an. Er ist Autor der Fachbücher «Radikale Business Software» sowie «Effektiver arbeiten mit SAMM».
heinz.scheuring@scheuring.ch