Derzeit wird häufig versucht, KI wirtschaftlich zu nutzen, um Prozesse zu automatisieren und Effizienzsteigerungen zu generieren. Genau diesen Ansatz verfolgt das Start-up
Hoshi (japanisch für: Stern, den man sich wünscht), das Grosshändler in verschiedenen Branchen zu seiner Zielgruppe zählt. Viele dieser Betriebe stünden gemäss Hoshi-CEO Jiir Awdir erst am Anfang ihrer digitalen Transformation und würden Systeme verwenden, die teils über ein Jahrzehnt alt sind. Aufgrund dieses grossen Potenzials hat das Start-up eine KI entwickelt, die den kaufmännischen Mitarbeitern in den entsprechenden Unternehmen wie ein zusätzlicher Kollege zur Seite steht und manuelle, mühsame Tasks abnimmt. Denn Awdir stammt ursprünglich selber aus diesem Bereich, wie er erzählt.
«Ich habe im Bereich Supply Chain bei Roche gearbeitet und war zuständig für die Optimierung der Lieferkette. Ein leidiges Problem dieses Jobs war der Eingang der Bestellungen, die über diverse Kommunikationskanäle eintrudelten», erinnert sich der Jungunternehmer. Hier eine E-Mail, da ein Brief, dort ein Telefonanruf – der manuelle Aufwand, um Bestellungen im ERP-System zu erfassen, war gigantisch. Awdir war der Ansicht, dass das angenehmer und vor allem effizienter vonstatten gehen kann. Gesagt, getan: Gemeinsam nahm er sich mit seinen früheren Studienkollegen, dem Informatiker Ayoub Chouak und dem Mathematiker Chihiro Okuyama, rund anderthalb Jahre Zeit, um das Marktumfeld sowie die Arbeitsabläufe von Grosshändlern zu beleuchten. Im Zuge der Untersuchung führten die drei viele Befragungen in Form von Interviews durch. Am Ende kam das Trio unisono zum Schluss, dass bei Grosshändlern ein grosser Bedarf existiert, Bestellprozesse einfacher und speditiver abzuwickeln.
Entwickelt in Eigenregie
So kam es, dass anno 2023 die Firma Hoshi ins Leben gerufen wurde. Bis heute verfügt das Start-up, abgesehen vom Gründerteam, über keine fest angestellten Mitarbeitenden, stattdessen bot Hoshi bisher nur befristete Praktikumsstellen an. Allerdings plant
Hoshi, in naher Zukunft festes Personal einzustellen, um Wachstum in Angriff zu nehmen.
Was das Finanzielle angeht, so finanzieren mehrere amerikanische und schweizerische Investoren das ETH-Spin-off mit. «Natürlich haben wir auch unsere eigenen Ersparnisse in das Start-up gesteckt», berichtet Awdir. Vorläufiges Ziel sei es, bis Ende des laufenden Jahres mit weiteren Investoren Verhandlungen abzuschliessen. Profitabel operieren konnte das Unternehmen bereits ein Jahr nach der Gründung. «Die Investments benötigen wir vor allem, um künftig unser anvisiertes Wachstum zu unterstützen. Stand jetzt verfügen wir über ein solides Fundament und auf Basis dessen möchten wir die Expansion vorantreiben», so der CEO.
Gestatten, Adam
Die Hoshi-Lösung Adam ist ein KI-basierter Helfer, der den Mitarbeitenden mühsame und repetitive Arbeiten im Bestellungsprozess abnimmt. Damit er das möglichst effizient bewerkstelligen kann, muss Adam feingetunt, also quasi eingearbeitet werden. «Adam ist wie ein neuer Mitarbeiter, der frisch im Business beginnt. Wie jeder Mitarbeiter muss auch Adam mit den betrieblichen Prozessen und Eigenheiten vertraut gemacht werden», erklärt Awdir. Was sehr menschlich klingt, steht letztlich für die Kalibrierung der Software. In diesem Schritt wird Adam mit einer grossen Menge an Daten gefüttert, an das ERP-System angeschlossen und von Mitarbeitenden getestet. Die KI wird aber nicht beim Kunden installiert, sondern läuft auf Servern von
Hoshi. Die Software wird gemäss Awdir von A bis Z inhouse entwickelt, wie er stolz betont. Hoshi arbeitet weder mit externen Entwicklern noch mit anderen Firmen zusammen. Der Dienst kann vom Kunden auf Abo-Basis genutzt werden. Der Preis bemisst sich dabei nach der Grösse des Produktkatalogs des jeweiligen Unternehmens.
Adam kann sowohl schriftliche als auch gesprochene Sprache analysieren und die für eine Bestellung relevanten Begriffe extrahieren. Der Zeitaufwand für den Mitarbeiter wird somit massiv reduziert. (Quelle: Hoshi)
Adam führt aus, Mensch kontrolliert
Als Beispiel für den Einsatz von Adam demonstriert Awdir eine Bestellung eines Kunden, die per E-Mail eintrifft. Normalerweise müsste der entsprechende Mitarbeiter jetzt die E-Mail Schritt für Schritt durchgehen und sämtliche Posten, die bestellt werden müssen, im System eintragen. Das übernimmt nun Adam. Er ist in der Lage, die relevanten Informationen – auch das gewünschte Bestelldatum – aus der E-Mail sowie allfälligen Anhängen zu extrahieren, visualisiert durch eine violette Markierung. Die erforderlichen Posten werden direkt ins System eingetragen, wo sie ebenfalls violett markiert sind. Der Mitarbeiter muss nur noch kontrollieren, ob Adam kein Fehler unterlaufen ist. «Um eine schriftliche Bestellung ins ERP-System einzutragen, rechnet man bei manueller Ausführung mit fünf bis zehn Minuten Arbeit, je nach Bestellumfang. Mit Adam reduziert sich diese Bearbeitungszeit auf weniger als eine Minute», rechnet der CEO vor. Das Potenzial für Effizienzsteigerung sei demzufolge riesig. Der Clou ist ferner, dass Adam sogar Bestellungen, die per Telefon entgegengenommen werden, verarbeiten kann – auch auf Schweizerdeutsch. Dazu analysiert und transkribiert die KI das gesprochene Wort in einen Text. Anschliessend läuft der Prozess wie soeben beschrieben ab, indem die Schlagwörter markiert und ins System eingetragen werden. Zur Kontrolle für den Mitarbeitenden liegen das aufgezeichnete Gespräch sowie das Transkript vor. Sollte Adam einen Bestellposten nicht aufgegriffen haben, weil der Kunde ihn beispielsweise anders bezeichnet, als er im System hinterlegt ist, so kann man die KI darauf trainieren, künftig die vom Kunden gewählte Bezeichnung zu verstehen.
Adam ist nicht nur die rechte Hand bei Routineaufgaben, sondern kann auch selbstständig Inputs und Denkanstösse liefern. (Quelle: Hoshi)
Nicht als Ersatz gedacht
Awdir bekräftigt, dass Adam nicht entwickelt wurde, um Mitarbeitende im Grosshandel zu ersetzen. Die Software ist als Unterstützung des Personals sowie für die Effizienzsteigerung des Betriebs vorgesehen. Durch die Zeitersparnis könne das Personal sich anderen Tätigkeiten wie beispielsweise der Kundenakquise widmen oder der Arbeitgeber müsse keine zusätzlichen Kräfte einstellen. Auf die Frage, wieso man Adam gerade auf den Grosshandel ausrichtet, gewährt Awdir einen ehrlichen Blick hinter die Kulissen dieses Bereichs: «Der Grosshandel befindet sich technisch noch in der Steinzeit. Wir sprechen hier von Legacy-Systemen, die zum Teil seit 20 Jahren in Betrieb sind. Demzufolge trauen sich kaum Tech-Firmen in die Branche, was die Transformation stark verlangsamt.» Es sei aufwendig und anspruchsvoll, die Anschlüsse an solche veralteten Systeme zu gewährleisten. Der Effizienzgewinn sei durch diese Situation aber um ein einiges grösser. Ausserdem, so Awdir, mache diese anspruchsvolle Aufgabe Spass.
Wie der CEO präzisiert, fokussiert sich Hoshi in der jetzigen Wachstumsphase vor allem auf mittelständische bis grössere Betriebe. Sehr grosse Player, wie beispielsweise die Detailhandelsriesen Coop oder Migros, lässt das Start-up vorerst aussen vor. Begründet wird dies von Awdir damit, dass besonders grosse Firmen aufgrund langer Entscheidungswege meist sehr träge in der Umsetzung seien. Jetzt, wo Wachstum entscheidend ist, sind kleinere Betriebe daher optimale Kunden. Bislang konnte Adam bei sechs Unternehmen live geschaltet werden. Rund 35 Interessenten aus der Schweiz sowie dem benachbarten Ausland seien ausserdem auf der Warteliste und möchten den KI-Helfer gerne testen. Wie der CEO obendrein ankündigt, plant
Hoshi, im Verlauf des nächsten Jahres in die USA zu expandieren. Nach Aussage des Start-up-Chefs gebe es nämlich weder hierzulande noch in Übersee eine derart performante Lösung, die dem Grosshandel eine vergleichbare Effizienzsteigerung verspricht.
(dok)