Zugegeben, die Vorfreude, ein neues iPhone zu testen, war schon mal grösser als beim iPhone 16 Pro, das Ende September unsere Redaktion erreicht hat. Das dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass wir uns im Vorfeld bereits durch die Testberichte der einschlägigen US-Medien gelesen haben, deren Verdikt recht eindeutig ausfiel: Würde
Apple – so wie früher – auch heute noch seine Modelle jeweils mit dem Zusatz S neu auflegen, wäre das iPhone 16 Pro wohl das iPhone 15S Pro geworden – zu gering sind die Neuheiten, die der neueste Smartphone-Wurf, gerade in der Pro-Version (siehe Kasten «das Verdikt zum iPhone 16»), mitbringt. Ausserdem muss sich Apple in diesem Jahr den Vorwurf gefallen lassen, ein gewissermassen unfertiges Produkt auf den Markt gebracht zu haben. Unfertig in dem Sinne, als dass beispielsweise Apple Intelligence, Apples KI-Initiative, zur Lancierung der neuen Geräte (die ganze iPhone-16-Familie ist bereit für Apple Intelligence, dazu die iPhone-15-Pro-Modelle) noch fehlte. In den USA soll die KI in Bälde nachgeliefert werden, in unseren Gefilden wird es 2025. Ein anderes Beispiel ist die neue Kamerasteuerung, für die Apple dem iPhone einen zusätzlichen Button auf der rechten Seite, wo bislang nur der Einschaltknopf war, verpasst hat. Dieser Button, in Englisch Camera Control genannt, kriegt einen Teil seiner Funktionalität aber erst noch nachgeliefert. Dazu gehört die Möglichkeit, wie bei einer DSRL durch leichtes Antippen des Knopfs zuerst ein Objekt in den Fokus zu nehmen und dann erst abzudrücken. Wird es irgendwann gehen, aber noch nicht heute.
Das Verdikt zum iPhone 16
«Swiss IT Magazine» hat das iPhone 16 Pro getestet. Andere Publikationen, die sich mit dem günstigeren iPhone 16 (ab 849 Franken) befasst haben, halten fest, dass das Upgrade zum Vorgänger hier grösser ausfällt. So sollen die neu übereinander angeordneten Kameras deutlich bessere Fotos schiessen als die Vorgängerkameras, unter anderem dank zweifach Zoom, und erhalten Pro-Funktionen wie den Makro-Modus oder die Möglichkeit, räumliche Aufnahmen zu machen. Das iPhone 16 hat zudem ebenfalls die Kamerasteuerung des iPhone 16 Pro erhalten, genauso wie die Audiomix-Funktion, die fotografischen Stile und den letztes Jahr bei den Pro-Modellen eingeführten Action- anstelle des einfachen Mute-Buttons. Nicht zuletzt gefallen ausserdem die peppigen Farben (Bild), während der fehlende Always-on-Modus und die Tatsache, dass das ansonsten tolle Display nach wie vor nur 60 Hz beherrscht, kritisiert werden.
Die Kamerasteuerung
Doch nun zu unserem Eindruck des iPhone 16 Pro, wobei wir mit der wohl grössten Neuerung – der erwähnten Kamerasteuerung – beginnen wollen. Unsere initialen Bedenken, dass man die Kamera aus Versehen startet oder eine Funktion auslöst, weil man den kapazitiven Button berührt, lösen sich rasch in Luft auf. Die Kamera öffnet erst, wenn man den Knopf drückt, und der Druckpunkt ist knackig. Über die Einstellungen ist es zudem möglich, dem Button auf Wunsch eine andere App zuzuweisen – aktuell etwa die Lupe oder den Codescanner, dank offener API dürften hier weitere Drittanbieter-Apps dazukommen. Ebenfalls definiert werden kann, ob ein Einfach- oder Doppelklick die Kamera startet, oder ob der Button überhaupt keine Funktion haben soll.
Die eigentliche Verwendung der Kamerasteuerung ist zuerst etwas gewöhnungsbedürftig, was unter anderem daran liegt, dass man die Taste, auch wenn man sie nicht klicken will, relativ stark berühren muss, damit man die verschiedenen hinterlegten Funktionen Zoom, Tiefe, Belichtung, Stile, Ton oder die verschiedenen Kameras anwählen kann. Streicht man dann über den Button, steuert man die jeweilige Funktion – zoomt also zum Beispiel hinein und hinaus. Will man die Funktion wechseln, bedarf es eines leichten Doppelklicks, wobei man einigermassen sachte vorgehen muss, weil man den Knopf sonst drückt. Nach einer gewissen Zeit hat man den Dreh zwar raus, ob das Fotografieren durch das neue Steuerelement aber tatsächlich komfortabler wird, wird wohl erst die Zeit oder der persönliche Geschmack zeigen.
Überarbeitet wurde natürlich auch das eigentliche Kamerasetup, wobei qualitative Verbesserungen eines Fotos von einem iPhone 15 Pro und vom neuen Modell kaum wahrnehmbar sind – dazu bewegen sich die Bilder schlicht auf einen zu hohen Niveau. Bei Nachtfotos wird zum Teil (ganz grundsätzlich) bemängelt, dass es
Apple mit der HDR-Optimierung übertreibe, uns gefallen die eher knalligen Lichteffekte bei schwierigen Lichtverhältnissen. Die grösste Neuerung hat heuer die Weitwinkelkamera erfahren, die nun 48 statt 12 MP aufnimmt, womit in entsprechenden Aufnahmen mehr Details enthalten sind.
Neu sind die fotografischen Stile, die man bei Aufnahmen live anwenden oder sie nachträglich anpassen kann und über die die Grundstimmung eines Fotos (wärmer/kälter; leuchtender/dumpfer etc.) verändert wird. Hier kann man sich richtiggehend verlieren, weil jeder Stil über ein neues, recht intuitives Bedienelement in sich wiederum an den persönlichen Geschmack angepasst werden kann. Spannende Aufnahmen sind aber auf jeden Fall garantiert. Als letzte Neuerung erwähnen möchten wir den fünffach Zoom, den es letztes Jahr nur beim Pro Max gegeben hat und der sich nun auch beim kleineren Pro-Modell findet. Und im Zusammenhang mit Videos kann man neu 4K-Aufnahmen mit 120 fps machen (was faszinierende Slow-mo-Aufnahmen ermöglicht), und es gibt das Feature Audiomix, um die Audio-Spur in Videos im Nachhinein zu bearbeiten und zu optimieren, damit der Ton beispielsweise wirkt, als wären die Aufnahmen nachträglich in einem Audiostudio gemacht worden.
Die Kamerasteuerung ist ein kapazitiver Button, der unterschiedlich fest gedrückt und gestreichelt werden kann. Damit lassen sich eine Vielzahl Kamerafunktionen mit einem Finger bedienen. (Quelle: Apple)
Bigger is better
Eine weitere Neuerung des iPhone 16 Pro ist das grössere Display, dessen Diagonale von 6,1 auf 6,3 Zoll gewachsen ist. Zusätzliche Displayfläche ist nie verkehrt, und gerade wenn man das letztjähre und das diesjährige Pro-Modell nebeneinander hält, ist die neue Displaygrösse augenfällig. Im täglichen Gebrauch allerdings hat man kaum das Gefühl, dass die zusätzlichen 0,2 Zoll erheblichen Mehrwert bringen.
Damit das Gerät nicht im selben Ausmass mitwächst, hat
Apple die Ränder rund ums Display deutlich dünner gemacht. Den dünneren Rahmen nimmt man allerdings nur dann wahr, wenn man das iPhone ohne Hülle nutzt (was bei einem 1000-Franken-Plus-Telefon wohl die wenigsten tun dürften). Sobald das iPhone in einem Case steckt, sind die Unterschiede beim Rand zwischen dem 15 Pro und dem 16 Pro kaum wahrnehmbar. Kaum wahrnehmbar sind gleichzeitig auch die leicht grösseren Abmessungen (3 Millimeter länger, 1 Millimeter breiter) und das minimal höhere Gewicht (plus 12 Gramm) des neuen Modells.
Grösser ist schliesslich auch der Akku geworden, er soll bei der Video-Dauerwiedergabe nun 27 anstatt wie bis anhin 23 Stunden halten. Hierzu ist anzufügen, dass mehr Akku-Kapazität grundsätzlich immer gut ist, dass allerdings auch der Akku des iPhone 16 Pro kaum für zwei Tage durchhält. Ob man ihn nun von 30 Prozent über Nacht wieder volllädt oder von 20 Prozent, spielt nicht wirklich eine Rolle.
Die dünneren Ränder des iPhone 16 Pro (jeweils links) kann man ohne Hülle (Bild links) noch erkennen. Sobald ein Case das Telefon schützt (Bild rechts), scheinen die Ränder aber identisch dick. (Quelle: SITM)
Eine Frage der Zielgruppe
Kommen wir abschliessend zur einmal mehr schwierigen Frage, für wen sich das iPhone 16 Pro empfielt. Besitzer eines iPhone 15 Pro können sich das Upgrade wohl schenken, für sie gibt es schlicht zu wenige Argumente für eine Neuanschaffung, die mehr als 1000 Franken kostet. Sie sind wohl aber auch nicht die Zielgruppe von
Apple – wohl nur die wenigsten wechseln heute noch jährlich ihr Smartphone. Zielgruppe dürften viel eher Besitzer eines iPhone-Modells sein, das drei, vier oder mehr Jahre auf dem Buckel hat. Und natürlich macht es für diese durchaus Sinn, auf die neueste Version zu setzen – in diesem Jahr umso mehr, weil sie so die Sicherheit haben, Apple Intelligence die kommenden Jahre nutzen zu können. Betrachtet man die allgemeine KI-Entwicklung und den Perfektionismus Apples, wenn es um neue Technologien geht, dann darf man nämlich davon ausgehen (oder zumindest darauf hoffen), dass Apple Intelligence in Zukunft durchaus Spannendes mit sich bringen wird.
Quicktest
Ein neuer Button, eine minimal verbesserte Kamera, unmerklich mehr Displayplatz und Akku-Kapazität: Das iPhone 16 Pro ist in der Tat eher ein iPhone 15S Pro. Der Kamerabutton ist auch nach einigen Testtagen gewöhnungsbedürftig, das grössere Display bemerkt man kaum, und Apple Intelligence lässt auf sich warten. Ist das iPhone 16 Pro, das ab 1049 Franken (128 GB) zu haben ist, damit ein schlechter Vertreter seiner Gattung? Mitnichten – wer sein drei, vier Jahre altes Apple-Telefon ersetzen möchte, erhält ein hervorragendes Stück Technik, an dem er oder sie wieder für einige Jahre Freude haben dürfte.
Info: Apple,
www.apple.com/chde
Wertung: 5 von 6 möglichen Sternen