Campus-Netze als Basis der Digitalisierung
Quelle: STF-Gruppe

Campus-Netze als Basis der Digitalisierung

Zuverlässigkeit, kurze Reaktionszeiten sowie die Optimierung und Automatisierung betriebseigener Prozesse: Immer mehr Unternehmen nutzen unabhängige Campus-Netze zur internen Kommunikation zwischen Menschen und/oder Maschinen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2024/09

     

In Mittelstand und Industrie gewinnt die Steuerung und die Überwachung von digitalisierten und automatisierten Prozessen zunehmend an Bedeutung. Mit Sensoren ausgestattete Maschinen und Produktionslinien senden in Echtzeit Daten über Leistung, Temperatur, Vibrationen und andere kritische Parameter. Dies ermöglicht eine sofortige Reaktion auf Probleme, die frühzeitiges Handeln und eine hohe Gesamtanlagenproduktivität ermöglichen.

Eine Voraussetzung für diese oftmals mit Industrie 4.0 betitelte Transformation ist eine drahtlose Vernetzung, die anhand verschiedener Technologien umgesetzt werden kann. Dabei werden vier Mindestanforderungen an die Infrastruktur der Kommunikationstechnik gestellt: Bandbreite, geringe Latenzzeit, hohe Verfügbarkeit und hohe Datensicherheit. Eine zuverlässige und effektive Lösung in Hinblick auf diese Anforderungen von IoT-Anwendungen bieten 5G-Campus-Netze. Technologisch gesehen handelt es sich dabei um ein mobilfunkbasiertes Breitbandnetz, das von Unternehmen in Eigenregie geplant, aufgebaut und betrieben werden kann.


Seit dem 1. Januar 2024 hat das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) den Frequenzbereich zwischen 3400 und 3500 MHz für lokale private 5G-Mobilfunknetze beziehungsweise Campus-Netze in der Schweiz geöffnet. Diese Netze zeichnen sich in Abgrenzung zum Mobilfunknetz der grossen Provider durch eine hohe Zuverlässigkeit, geringe Latenzzeiten und erhöhte Sicherheit aus, was sie besonders für industrielle Automatisierung, logistische Anwendungen und das Gesundheitswesen attraktiv macht. Und vor allem, wenn es um mobile Anwendungen im Produktionsprozess geht, ist ein 5G-Campus-Netz auch gegenüber der vielfach eingesetzten WiFi-Technologie überlegen, weil die Aufrechterhaltung einer Verbindung über einen gesamten Produktionsprozess und -weg durchgängig sichergestellt wird (sogenannte Handover). 5G-Campus-Netze ermöglichen somit eine effiziente und von Mobilfunkbetreibern unabhängige Kommunikation, die genau auf die spezifischen Bedürfnisse und Prozesse der jeweiligen Institution zugeschnitten ist.
Campus-Netze in der Schweiz
Ende 2023 hat der Bundesrat die Freigabe des Frequenzbereichs zwischen 3400 und 3500 MHz für lokale Mobilfunknetze auf Basis des 5G-Standards beschlossen. Seit dem 1. Januar 2024 steht dieser für die private Nutzung durch Unternehmen und Organisationen zur Verfügung. «Durch die Freigabe der Frequenzen stärkt der Bundesrat die schweizerische Industrie und leistet einen Beitrag zur Förderung der Digitalisierung», hiess es seitens Bakom.

Mit den neu bereitgestellten Frequenzen können lokale Mobilfunkanwendungen auf einem klar abgegrenzten Gebiet (innerhalb eines Unternehmens, auf einem Firmen- oder Industriegelände) realisiert werden. Solche Campus-Netze dienen laut Bakom ausschliesslich der betriebsinternen Kommunikation zwischen Maschinen und/oder Menschen und arbeiten mit geringen Sendeleistungen. Für weiträumige Funkanwendungen, wie beispielsweise zur Steuerung von selbstfahrenden Fahrzeugen oder zur Versorgung städtischer Gebiete, stehen Campus-Netze wiederum nicht zur Verfügung.

Der Aufbau eines Campus-Netzes erfordert eine Funkkonzession, deren Dauer vom Investitionsvolumen abhängt, aber mindestens fünf Jahre umfasst. Die Gebühren betragen 48 CHF pro Jahr pro zugeteilter Bandbreite von 1 MHz. Dabei muss eine vollständige Trennung von privaten (SNPN) und öffentlichen (MNO) Mobilfunkinfrastrukturen bestehen.

Einsatzgebiete in der Industrie

Neben zeitkritischer Kommunikation zwischen Maschinen und Menschen lassen sich verschiedenste Objekte in einer Produktionsumgebung tracken und steuern. Auch die Erfassung von Sensordaten von Gegenständen und Waren in einer Fabrik kann über ein Campus-Netz realisiert werden. Insbesondere in der Logistik und Fernsteuerung ergeben sich dadurch neue Anwendungsfälle. So können sich beispielsweise fahrerlose Transportfahrzeuge (FTS) autonom auf einem Produktionsgelände bewegen.

Im Gegensatz zu einer Fernsteuerung über WLAN oder LTE befindet sich die «Intelligenz der Steuerung» bei einem 5G-Campus-Netz nicht im jeweiligen Fahrzeug, sondern lässt sich durch virtuelle Netzwerkfunktionen in Netz selbst verschieben. Dadurch können baugleichen, selbstfahrenden Transportfahrzeugen beispielsweise verschiedene und zeitunabhängige Aufgaben zugewiesen werden. Weitere Use Cases ergeben sich durch die Bereitstellung und Distribution von Software über das 5G-Campus-Netz oder autonomes Fahren im Umfeld der Automotive-Produktion. Bei Ersterer kommt es auf hohe Übertragungsraten an, die durch Handover im Netz unterbrechungsfrei fortgeführt werden müssen. Autonomes Fahren setzt eine Kommunikation in Echtzeit voraus, um zum Beispiel Kollisionen mit anderen Fahrzeugen zu verhindern. Campus-Netze ermöglichen die dafür nötige, geringe Latenz (< 10 ms).


Je nach Variante ist ein Campus-Netz in vorab definierten Arealen wie Produktionshallen, Gebäuden oder Betriebs­höfen für definierte interne Teilnehmer verfügbar. Entscheidet sich ein Unternehmen für die Nutzung eines nicht-­öffentlichen Campus-Netzes, wird zusätzlich die Datensicherheit erhöht, weil die Daten auf unternehmenseigenen Servern gespeichert werden können. Im Gegensatz zu WLAN-Netzen sind Campus-Netze gleichzeitig weniger störanfällig, haben niedrige Latenzzeiten und garantieren kontinuierlich hohe Datenraten – ein massgeblicher Erfolgsfaktor bei der Vernetzung von Anlagen, Maschinen, Robotern und Fahrzeugen.

Implementierung eines Campus-Netzes

Zur Inbetriebnahme eines Campus-Netzes ist zunächst eine Funkkonzession durch das Bakom erforderlich, in der die konkreten Nutzungsbedingungen festgelegt werden. Für diese komplexere Konzeptionierung und den Aufbau eines Campus-Netzes sollten Mobilfunkplaner mit entsprechender Expertise herangezogen werden, die sowohl bei der Analyse der vorhandenen Infrastruktur als auch der Antragsstellung unterstützend zur Seite stehen. Häufig lassen sich vorhandene Kabelwege oder strukturelle Ethernet- und Glasfaser-Verkabelung wiederverwerten. In jedem Fall muss die Verkabelung des Campus-Netzes von der Netzverkabelung separiert werden, da diese eigene Netzwerk-Komponenten und Signale verwendet.


Die Konzessionsdauer variiert je nach Investitionsvolumen, setzt eine Mindestdauer von fünf Jahren voraus und beschränkt die Nutzung eines Campus-Netzes auf einen klar abgrenzbaren Bereich wie beispielsweise Firmen- oder Krankenhausgelände. Nach der Implementierung eines Campus-Netzes sollten klare Verantwortlichkeiten für den laufenden Betrieb definiert werden, um Ausfällen vorzubeugen und Wartungen und Reparaturen mit Technik-Herstellern zu ko­ordinieren.

Analyse von Kennzahlen

Nach Inbetriebnahme liefert ein Campus-Netz eine Vielzahl an aussagekräftigen Datensätzen. Über sie lassen sich die Funktion des Netzes und potenzielle ­Störungen überprüfen und gleichzeitig die Effizienz der Unternehmensprozesse ständig analysieren und gegenüber dem Management legitimieren.

Unterstützend können statische oder mobile Messboxen eingesetzt werden, um die gewünschte Performance im laufenden Betrieb neutral zu überwachen und zu dokumentieren. Bei Abweichungen von der Norm können somit umgehend Meldungen generiert und Gegenmassnahmen eingeleitet werden.


So können Campus-Netze für Unternehmen letztlich ein wichtiger Baustein der Digitalisierung werden und die notwendige Infrastruktur bieten, um digitale Technologien in verschiedenen Bereichen zuverlässig integrieren zu können.

Der Autor


Frédéric Dildei ist Business Development Manager der STF-Gruppe für die DACH-Region und langjähriger Experte für Digitalisierung, IoT und Konnektivität. Die STF-Gruppe ist ein in der DACH-Region aktives Ingenieurunternehmen mit über 600 Mitarbeitenden an über 20 Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz


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