Spätestens seit Januar dieses Jahres ist der neue WLAN-Standard WiFi 7 – technisch als IEEE 802.11be deklariert – faktisch verfügbar. Zwar steht die finale Ratifizierung durch die WiFi Alliance noch aus und wird Ende 2024 erwartet, die technischen Voraussetzungen und Zertifizierungen sind aber bereits vollständig definiert und erste WiFi-7-Produkte entsprechend verfüg- und nutzbar. Worin aber liegen die Vorteile von WiFi 7? Und ist es überhaupt schon Zeit, auf den WiFi-7-Zug aufzuspringen?
Zunächst sei festzuhalten, dass WiFi 7 weniger Revolution als Evolution der bestehenden und von zahlreichen Unternehmen bereits genutzten Vorgänger-Standards ist. Dadurch sind Geräte, die WiFi 7 unterstützen, voll abwärtskompatibel mit bereits vorhandenen auf WiFi 6 und 6e oder sogar WiFi 5 oder WiFi 4 basierenden Routern, Access Points oder Endgeräten. Ein Risiko, Zugriff oder Kompatibilität mit älterer Infrastruktur oder Geräten zu verlieren, besteht somit nicht.
Gerade im Vergleich mit dem direkten Vorgänger-Standard WiFi 6e nutzt WiFi 7 vor allem das dort schon vorhandene 6-GHz-Frequenzband nun deutlich konsequenter und effektiver: Mit WiFi 7 werden sämtliche verfügbaren Frequenzbänder (2,4 GHz, 5 GHz und 6 GHz) vollständig genutzt, was die theoretische Durchsatzrate beinahe verfünffacht – während WiFi 6 und WiFi 6e maximale Durchsatzraten von 9,6 Gbit/s erreichen, sind in einer WiFi-7-Infrastruktur mehr als 40 Gbit/s möglich. Darüber hinaus verbessert WiFi 7 zahlreiche etablierte Mechanismen und verringert Latenzen teils erheblich. Hiervon profitieren insbesondere Applikationen auf Basis von Video-Streaming, Echtzeitkommunikation, aber auch IoT-Geräte. Ausserdem werden die verfügbaren Frequenzbänder und ihre Kapazitäten besser ausgenutzt, was höhere Nutzerdichten, zum Beispiel bei Video-Calls mit zahlreichen Teilnehmern oder gar online durchgeführten Konferenzen, möglich macht.
Da zudem die Abschreibungszyklen für Netzwerk-Infrastrukturen in der Regel fünf bis sieben Jahre lang sind, kann es sich also lohnen, bereits heute mit dem schrittweisen Umsteigen auf WiFi 7 zu beginnen, auch wenn derzeit noch wenige Clients mit dem neuen Standard kompatibel sind. Schliesslich sind IoT, Remote Work und vor allem KI schon jetzt Realität und werden in den kommenden Jahren noch wichtiger und vor allem datenhungriger werden. WiFi 7 ist dabei nicht nur ein essenzieller Bestandteil, sondern in vielerlei Hinsicht die Basis und Voraussetzung dieser Entwicklungen.
MLO, 4K-QAM und Preamble Puncturing
Neben der reinen Erhöhung der verfügbaren Bandbreite bringt WiFi 7 zahlreiche Innovationen mit sich, die über einen Geschwindigkeitszuwachs mehr Stabilität, Kapazität und Ausbaufähigkeit mit sich bringen – was gerade für kritische Unternehmensstrukturen und die Wachstumsmöglichkeiten für dynamisch expandierende kleine und mittlere Unternehmen oder Geschäftsfelder wichtig ist.
Die Multi-Link Operation (MLO) ist eine solche Innovation von WiFi 7 und gleichzeitig eine der bedeutendsten Neuerungen des Standards: MLO ermöglicht es einem Endgerät, mehrere WiFi-Verbindungen gleichzeitig über verschiedene Frequenzbänder zu nutzen. Dies führt nicht nur zu einer deutlich höheren Gesamtdatenrate – da ein Client so beispielsweise gleichzeitig auf dem 5GHz- und 6GHz-Band senden und empfangen kann –, sondern vor allem auch zu einer effizienteren Nutzung der Netzwerkressourcen durch die dynamische Lastverteilung zwischen den verfügbaren Frequenzbändern. Somit reagieren Access Points und Clients in Echtzeit auf Interferenzen und mitigieren diese. Das bedeutet insgesamt eine höhere Verbindungsstabilität und niedrigere Latenzzeiten, da Daten parallel und somit schneller und zuverlässiger übertragen werden.
Die Erweiterung der Kanalbreite des 6-GHz-Bandes von 160 MHz auf 320 MHz erlaubt neben der Erhöhung der Durchsatzraten zudem die Übertragung mit den schnellstmöglichen Geschwindigkeiten, was sich ebenfalls positiv auf die Netzwerkkapazitäten von Unternehmen im Hinblick auf die parallele Nutzung durch mehrere Clients von Hochleistungsanwendungen (z.B. VR und AR oder hochauflösendes Streaming) auswirkt.
Das Preamble Puncturing gab es wiederum schon im WiFi-6-Standard, dort war es aber lediglich optional – mit WiFi 7 wird es nun obligatorisch für zertifizierte Hardware. Das auch Punctured Transmission genannte Feature sorgt dafür, dass Kanäle, die teilweise besetzt oder gestört sind, nicht mehr komplett gemieden werden müssen. Preamble Puncturing schneidet sozusagen den ungenutzten Teil des ansonsten belegten Kanals ab und nutzt ihn für andere Datenverbindungen. Dies ist besonders in dichten Umgebungen wie Bürogebäuden oder Wohnkomplexen ein grosser Vorteil. Anwendungen, die eine kontinuierliche und zuverlässige Verbindung benötigen, wie zum Beispiel Videokonferenzen, VoIP oder Echtzeitanalyse, profitieren darüber hinaus von Preamble Puncturing, da so auch bei potenziellen Störungen weiterhin Daten übertragen werden können.
4K-QAM (Quadrature Amplitude Modulation) sorgt dafür, dass in jedes Signal ungleich grössere Datenmengen eingebettet werden können. (Quelle: TP-Link)
Multi-RU und 4K-QAM
Ähnliches leistet das sogenannte Multi-RU (Multi-Ressourcen-Einheiten): Unter WiFi 6/6e kann jeder Client nur auf einer zugewiesenen Ressourceneinheit (RU) senden oder empfangen, was die Flexibilität der Spektrum-Ressourcenplanung erheblich einschränkt. Um dieses Problem zu lösen und die Spektrumeffizienz weiter zu steigern, ermöglicht WiFi 7 die Zuweisung mehrerer RUs an einen einzelnen Benutzer und kann ausserdem RUs kombinieren, um die Übertragungseffizienz zu erhöhen.
Schlussendlich sorgt 4K-QAM (Quadrature Amplitude Modulation) dafür, dass in jedes Signal ungleich grössere Datenmengen eingebettet werden können – eben 4K im Vergleich zu 1K unter WiFi 6/6e –, was zu einer weiteren Steigerung der theoretischen Übertragungsraten um etwa 20 Prozent führt.
WiFi 7 ermöglicht dank Multi-RU (Multi-Ressourcen-Einheiten) die Zuweisung mehrerer RUs an einen einzelnen Benutzer und kann ausserdem RUs kombinieren, um die Übertragungseffizienz zu erhöhen. (Quelle: TP-Link)
Und was war mit 5G?
Noch vor wenigen Jahren war 5G das grosse Zukunftsversprechen, wenn es um daten- und geschwindigkeitsintensive Netzwerkanwendungen ging. Aber auch wenn 5G nach wie vor eher im Mobilfunk etabliert ist und so mancher nun schon von WiFi 7 als „5G-Killer“ spricht, kann die Technologie auch im industriellen und geschäftlichen Umfeld Vorteile mit sich bringen. Stichwort: Campus-Netze. WiFi 7 und 5G kannibalisieren sich also nicht.
Die Vorteile der WiFi-Technologie liegen aber gleichzeitig auf der Hand. Unter anderem die breitere Verfügbarkeit, die einfachere Zugänglichkeit für Clients und vor allem die deutlich höhere Verbreitung WLAN-fähiger Endgeräte gegenüber beispielsweise 5G-kompatiblen Laptops oder IoT-Geräten sind hier ausschlaggebend. Ausserdem lassen sich schwer zugängliche Bereiche wie zum Beispiel Aufzüge und Tiefgaragen mit WiFi deutlich einfacher und günstiger versorgen; 5G spielt seine Stärken eher bei der Abdeckung sehr grosser Flächen und der zugehörigen Skalierbarkeit aus, erfordert aber auch ungleich höheren Planungs- und Investitionsaufwand. Zudem ist 5G ebenso wie WiFi ein Shared Medium – Nutzer teilen sich also die verfügbare Bandbreite. Insbesondere bei hoher Nutzerdichte kehrt sich der Vorteil der grossen Zelle bei 5G ins Gegenteil um.
Und aufgrund der genannten Geschwindigkeits- und Kapazitätszuwächse von WiFi 7 steht der neue Standard 5G in nichts nach – und überflügelt ihn mit seinen mehr als 40 Gbit/s mit Blick auf den Datendurchsatz sogar deutlich.
WiFi-7-zertifizierte Geräte
Endgeräte, die formal lediglich WiFi 6/6e, WiFi 5 oder noch ältere Standards unterstützen, sind auch mit WiFi 7 kompatibel. Dennoch sollten Unternehmen nach der Entscheidung, die eigene Netzwerk-Infrastruktur vollständig oder teilweise upzugraden, bei der Anschaffung neuer Laptops, Tablets, Mobiltelefone und IoT-Geräte ein Auge auf deren WiFi-7-Potenzial haben. Die Tatsache, dass die WiFi-Alliance die Zertifizierungsvorgaben bereits verabschiedet hat und diese nun einheitlich und global gelten, macht das relativ einfach: Jedes Gerät, das über das offizielle WiFi-7-Siegel verfügt, unterstützt den neuen Standard vollumfänglich und mit allen bereits genannten Funktionen und Features.
Wie bei jeder neuen Technologie sind das zunächst vorrangig High-End-Laptops und Premium-Smartphones, die sich durch eine WiFi-7-Zertifizierung auszeichnen; vermutlich schon zum Jahresanfang 2025 wird der Standard aber auch Einzug in die Mittelklasse halten und schliesslich buchstäblich zum allgegenwärtigen Standard werden. Hinsichtlich der Infrastruktur haben Netzwerk-Hersteller wiederum bereits zahlreiche WiFi-7-zertifizierte Router und Access Points im Portfolio.
Die Möglichkeiten, die WiFi 7 Unternehmen eröffnet, sind also zahlreich und sinnvoll – von verbesserter Unternehmenskommunikation über stabile Echtzeitanalysen bis hin zu effektiven AR/VR-Anwendungen im industriellen Kontext, um nur einige konkrete Beispiele zu nennen. Durch die Kombination aus Abwärtskompatibilität und mehr als genug Leistungspotenzial für zukünftige Anwendungsfälle und Szenarien ist WiFi 7 heute schon risikofrei implementierbar und effektiv nutzbar.
Der Autor
In seiner Rolle als Marketingdirektor für die DACH-Region bei
TP-Link Deutschland liegt der Schwerpunkt von Ferhat Akbay darauf, innovative Netzwerk- und Smart-Home-Lösungen im deutschsprachigen Raum zu etablieren. Mit einem besonderen Fokus auf neue Technologien wie WiFi 7 bietet TP-Link Netzwerklösungen sowohl für Privathaushalte als auch für Unternehmen an.