Swisscom hatte sich vor Jahren technologisch dazu entschieden, sein Glasfasernetz im sogenannten Point-to-Multipoint- anstatt im Point-to-Point-Verfahren (P2MP vs. P2P) zu bauen. Das hat vereinfacht gesagt zur Folge, dass alternative Provider ihre Angebote und Services nicht für jeden Kunden frei gestalten können, sondern lediglich die Dienste und Technologien offerieren können, die Swisscom vorgesehen hat – ähnlich wie man das aus xDSL-Zeiten kannte. Die Konkurrenz wird also benachteiligt. Das hat zu Klagen und letztlich dazu geführt, dass eine halbe Million fertig gebauter Glasfaseranschlüsse nicht in Betrieb genommen werden dürfen – aufgrund vorsorglicher Massnahmen, die die Weko verfügt hat. Und somit ist in der Folge also die Weko Schuld daran, dass die Primarschule Affoltern am Albis den Unterricht einschränken muss. Dies zumindest suggeriert besagter Artikel. Doch damit nicht genug.
Im Artikel ist auch von den «krassen Folgen» zu lesen, die der Konflikt hat. «Unter dem grossen Druck der Weko» baue die Swisscom das Netz nun so aus, wie es die Wettbewerbsbehörden verlangen, und macht gegenüber «Sonntagszeitung» nun erstmals klar, «was die von der Weko verlangte Änderung des Netzausbaus für die Schweiz bedeutet». 3200 Kilometer mehr Strasse – viermal der Luftlinie Bern-Hamburg – müsse man aufreissen, um neue Leitungen zu verlegen, was Kosten von rund 2 Milliarden Franken generiere. Und einen weiteren Gegner – nebst der Weko – macht die «Sonntagszeitung» ebenfalls aus: den Winterthurer Provider Init7, wo man «kein Erbarmen mit der Swisscom» habe.
Gehen wir der Sache mal etwas auf den Grund und ordnen ein. Dass die Primarschule Affoltern am Albis den Unterricht einschränken muss, weil das «Internet blockiert» wird, darf getrost als völliger Unsinn abgetan werden. Das macht Init7-CEO Fredy Künzler in einem Beitrag mit den Hashtags #Thesenjournalismus und #Zeitungsente auf Linkedin klar, wo er aufzeigt, dass an allen Schulen der besagten Zürcher Gemeinde die Fiber7-Produkte seines Unternehmens verfügbar wären. «Die Schule hat also bloss den falschen Provider», schreibt Künzler mit dem Zusatz #hint.
Dass die Weko dafür verantwortlich ist, dass eine halbe Million gebauter Glasfaseranschlüsse nicht genutzt werden kann, ist ebenfalls nicht ganz richtig. Vielmehr ist es so, dass der Vermarktungsstopp für die gebauten Glasfaseranschlüsse aufgrund eines Urteils des Bundesgerichts auferlegt wurde, welches eine Klage von Init7 bei der Weko wegen Benachteiligung gutgeheissen hatte. Und wenn das Bundesgricht so entschieden hat, könnte man ja darauf schliessen, dass Swisscom eventuell doch auch ein klein wenig die Schuld dafür trägt, dass in Affoltern am Albis der Unterricht eingeschränkt werden muss – um beim schön gezeichneten Bild zu bleiben.
Ein weiterer Punkt, der im Artikel falsch dargelegt wird, sind die Kosten von 2 Milliarden, die durch den Umbau des P2MP-Netzes in ein Vierfasermodell-Point-to-Point-Netz entstehen. Das sagt einerseits Fredy Künzler, der die Kosten in seinem Linkedin-Post auf 300 bis 400 Millionen schätzt, das hat aber auch schon «Swiss IT Magazine»-Kolumnist und Telekom-Experte Luzi von Salis vor Jahresfrist in dieser Publikation erklärt. Von Salis damals: «Der Ausbau der 500’000 Nutzungseinheiten im P2MP-Verfahren hat rund 750 Millionen Franken gekostet. Schätzungsweise die Hälfte der verbauten Infrastrukturkosten wird benötigt, um sie in P2P-Verbindungen umzubauen, was bedeutet, dass rund 375 Millionen Franken fehlinvestiert wurden.»
Und so haftet besagtem Artikel unweigerlich der Geruch an, vielmehr ein Glanzstück von Swisscoms PR-Abteilung zu sein als eine fundiert recherchierte, ausgeglichene Hintergrundgeschichte über den sich hinziehenden Ausbau des Schweizer Glasfasernetzes, der letztlich keine Gewinner kennt, dafür aber Hundertausende Verlierer: Sie, mich, uns alle, die Schweizer Internetnutzer.
(mw)