Wer als Patient sensible Dokumente vom Arzt oder Spital empfangen möchte, hat häufig nur die Wahl zwischen zwei Übeln: Entweder es wird schnell, aber unsicher und unverschlüsselt per E-Mail übermittelt. Oder aber es wird langsam, dafür sicher per Briefpost versendet oder vor Ort mitgegeben. Eine sichere, digitale Übermittlung wird zu wenig oft angewandt, dabei gehören Gesundheitsdaten zu den schützenswertesten Informationen überhaupt. Aber auch hinter den Kulissen läuft im medizinischen Bereich aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht immer alles, wie es sollte. Informationen oder auch Bilder zu Krankheitsgeschichten von Patienten würden beispielsweise per Whatsapp versendet, berichtet Clemens Bürli, Mitgründer von
Unomed. Bürli ist kein Mediziner, hat aber Jura studiert und kennt die rechtlichen Richtlinien. Insbesondere hinsichtlich des neuen Datenschutzgesetzes laufe in der Kommunikation zwischen medizinischen Fachpersonen untereinander, aber auch zwischen Arztpraxen und Patienten, nicht alles optimal, so Bürli.
Schwerpunkt hat sich herauskristallisiert
Bis die Idee entstanden ist, daran etwas verbessern zu wollen, versuchte sich Bürli zuerst an etwas Allgemeinerem. Im Team mit seinen zwei Kollegen Valentin Weiss und Reto Odoni versuchte er sich an einer Schweizer Cloud-Lösung namens Intrahub. Bürli spricht vereinfacht gesagt von einem Swiss Made Microsoft 365 für KMU. Schliesslich ist das Trio vor rund einem Jahr mit dem Arzt Matthias Jacobi in Kontakt getreten, der das Tool spannend fand und sich gut vorstellen konnte, dieses in seiner Praxis zu nutzen. «Wir merkten aber allgemein, dass Intrahub zu breit aufgestellt und daher schwierig zu vermarkten ist. Ausserdem stammt die ursprünglich angepeilte Klientel aus verschiedensten Branchen mit unterschiedlichen Anforderungen. Daher haben wir im Austausch mit Jacobi beschlossen, den Fokus auf den medizinischen Bereich zu legen und das Produkt auf
Unomed umzubenennen», führt Bürli aus.
Die All-in-One-Lösung
Unomed ist viel mehr als ein simpler Messenger für sichere interne und externe Kommunikation, wenngleich dies die Kernfunktion der ersten Version darstellt. Gemäss Bürli hat man sich in dieser ersten Version vornehmlich auf die Anforderungen der Patientenkommunikation konzentriert. Gleichzeitig befinden sich aber zahlreiche weitere Features in Entwicklung und werden bereits in naher Zukunft ausgerollt. So werden natürlich auch Gruppenchats oder Broadcast-Nachrichten in
Unomed möglich sein, was für grössere Organisationen, wie beispielsweise Spitäler, interessant ist. Im Gegensatz zu den gängigen Messengern, welche Bilder stark komprimieren, können sie in Unomed künftig als Originaldatei übermittelt werden. Als Beispiel nennt Clemens Bürli Röntgenbilder, welche in einem speziellen Format abgespeichert werden und von herkömmlichen Messengern gar nicht erst angezeigt werden können. Solche Bilder sollen direkt in Unomed angesehen werden, was den Workflow zwischen Allgemeinmedizinern sowie Spezialisten stark vereinfachen wird, wie Bürli betont. Da medizinische Dateien von der Dateigrösse her sehr umfangreich sein können, setzt die Architektur von Unomed auf Cloud-Speicher. Denn dieser kann beliebig anhand der Anforderungen der Kunden skaliert werden.
Damit der Austausch zwischen medizinischen Fachpersonen stets reibungslos funktioniert, können in Unomed künftig Abwesenheiten sowie Weiterleitungen definiert werden. Ebenfalls in Planung ist ein sogenannter Funktions-Account. Dieser fungiert als Zugangstor für Patienten und verhindert, dass Patienten direkt mit den behandelnden Ärzten in Kontakt treten können, ausser Letztere erlauben explizit einen solchen Kontakt. Stattdessen landen die Nachrichten in einer gemeinsamen Inbox, welche von den Praxisassistenten bearbeitet werden kann. Ebenfalls sollen einzelne Nachrichten als Task markiert oder ganze Chatverläufe als PDF exportiert werden können. Das Unomed-Team arbeitet ausserdem intensiv an einem umfassenden medizinischen Verzeichnis, in welchem Fachpersonen, Arztpraxen sowie Gesundheitseinrichtungen schweizweit abgebildet sind und über die Plattform direkt angeschrieben werden können, was den Austausch erleichtern und das Wachstum der Plattform beschleunigen soll. Sämtliche Benutzer und Organisationen haben die Möglichkeit, ein Profil zu erstellen. Ähnlich wie bei einem Linkedin-Profil werden darin die Qualifikationen und Dienstleistungen der medizinischen Einrichtung beziehungsweise Fachperson abgebildet. Bürli sagt, dass «viele weitere Ideen» existieren, die Genannten aber die Wichtigsten sind und in den nächsten Versionen ausgerollt werden.
Möglichst einfacher Patientenzugang
Damit die verschlüsselte Kommunikation im gesamten Schweizer Gesundheitswesen funktioniert, müssen natürlich auch die Patienten
Unomed nutzen können. Es besteht gemäss Bürli einerseits die Möglichkeit, sich ein Konto einzurichten. Wer es jedoch andererseits möglichst simpel halten will, kann auf die Einrichtung eines eigenen Kontos verzichten und wird stattdessen per E-Mail informiert, wenn eine neue Nachricht vorhanden ist oder eine Datei zum Download zur Verfügung steht. In diesem Fall läuft der Zugriff über einen Gastzugang und die Authentifizierung über einen Code, der per SMS übermittelt wird. Den Patienten wie auch medizinischen Fachpersonen steht Unomed als Web- und Mobile-App zur Verfügung. Letztere befindet sich kurz vor dem ersten Release. Und obwohl die Hürden für die Nutzung seitens Patienten laut Bürli so tief wie möglich gehalten werden, müsse auch die Möglichkeit bestehen, dass unter anderem betagte Personen über die Plattform erreicht werden können. Es wird deshalb technisch möglich sein, deren Konto von einer Bezugsperson verwalten zu lassen.
Noch in den Kinderschuhen
Unomed ist kein vollendetes Produkt, sondern befindet sich noch in der Aufbauphase. Das Produkt wächst quasi gemeinsam mit der Kundennutzung, und damit die Macher möglichst viel Feedback einholen können, ist die Basisversion, welche in erster Linie den Messenger umfasst, auch kostenlos verfügbar. Die Pro-Version mit zusätzlichen Features im Beta-Stadium kostet je User 9.90 Franken im Monat, allerdings ist das alles noch nicht in Stein gemeisselt. Für die Patienten jedenfalls soll
Unomed gänzlich kostenlos sein. Sowohl vom Funktionsumfang als auch von den Kosten her sagt Bürli, sei man sich «noch am finden». Bürli ergänzt auch, dass Unomed bis dato noch keinen grossen Kundenstamm hat, sich aktuell aber mit rund zehn Arztpraxen in einem Beta-Test oder Gesprächen befindet. Interessierte Abnehmer für eine kommerzielle Nutzung stünden damit bereit. Dies bringt Bürli jedoch zu einem nächsten Task: Für die Bearbeitung der Patientenakten sowie die grundlegende Administration sind verschiedene Applikationen bei den Praxen im Einsatz. Damit Unomed möglichst nahtlos in bestehende Praxis-Abläufe integriert werden und eine hohe Benutzerfreundlichkeit gewährleistet werden kann, sei die Entwicklung diverser Schnittstellen notwendig. Dies sei ein weiterer, nicht unwesentlicher Schritt, der gemäss Bürli noch auf der To-do-Liste steht.
Grosse Visionen
Die Ressourcen des Start-ups werden effizient eingesetzt, schliesslich besteht die junge Firma vorerst nur aus dem Dreier-Kernteam sowie Jacobi, welcher als Mentor unterstützt, wie Bürli ihn schmunzelnd bezeichnet. Zwar holt man sich punktuell externe Unterstützung von Freelancern, aber grundsätzlich wird
Unomed in Eigenregie entwickelt. Auch finanziell lebt Unomed vorerst von Eigenkapital, was bei der schlanken Unternehmensführung durchaus möglich sei. Überstürzte Eile ist aber auch nicht notwendig, denn ein direkter Konkurrent befindet sich nicht auf dem hiesigen Markt. Zwar gäbe es durchaus verschiedene Cloud-Lösungen und auch Schweizer Messenger-Dienste, welche sich dem Datenschutz verschrieben hätten, so Bürli. Aber eine digitale Dienstleistung, welche exakt auf die Bedürfnisse der Gesundheitsbranche zugeschnitten ist, sei derzeit in der Schweiz nicht verfügbar. Obwohl Unomed den Launch in der Schweiz noch vor sich hat, so denkt das Team dennoch bereits an den internationalen Markt. Bürli erwähnt, dass er etwa von einem Kontakt aus der slowenischen Gesundheitsbranche vernommen habe, dass der dortige Markt ebenfalls noch in keiner Form etwas ähnliches wie Unomed anbiete. Im benachbarten Ausland gebe es laut Clemens Bürli mit Doctolib zwar bereits einen Player, der online Terminbuchungen sowie sicheren Dokumentenaustausch und Chat anbietet. Dies würde Unomed bei einem entsprechenden Erfolg hierzulande jedoch nicht daran hindern, den Markt dennoch zu betreten.
(dok)
Reto Odoni, Matthias Jacobi, Valentin Weiss und Clemens Bürli (v.l.n.r) entwickeln Unomed in Eigenregie, wobei Jacobi seine Sichtweise als praktizierender Arzt beisteuert. (Quelle: Unomed)