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Wechselwillige Mitarbeitende zum Bleiben motivieren

Zuweilen erfahren oder spüren Führungskräfte, dass ein Leistungsträger erwägt, das Unternehmen zu verlassen. Dann sollten sie mit ihm ein Bleibegespräch führen, denn gute Fach- und Führungskräfte sind rar.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2023/09

     

Deuten Warnsignale darauf hin, dass ein wichtiger Mitarbeiter kündigen möchte, sollte sein Chef oder Vorgesetzter ein Bleibegespräch mit ihm führen. Ein solches Gespräch hat drei Ziele:
- erkunden, ob die Vermutung richtig ist. Wenn ja,
- herausfinden, wie weit der Mitarbeiter sich mental schon vom Unternehmen entfernt hat und ob er noch «umgestimmt» werden kann. Und erneut, wenn ja,
- ihn zum Bleiben motivieren.

Zu einem Bleibegespräch einladen

Sprechen Sie die Einladung zu einem Bleibegespräch nie beiläufig aus. Bitten Sie Ihren Mitarbeiter möglichst, wenn er alleine ist, um ein persönliches Gespräch. Nennen Sie, wenn er danach fragt, den Anlass nicht. Sagen Sie stattdessen beispielsweise «Nichts Schlimmes, doch ich würde darüber mit Ihnen gerne in Ruhe unter vier Augen sprechen». Vereinbaren Sie hierfür einen Termin – auch um sich vorbereiten zu können. Fragen Sie sich vor dem Gespräch zum Beispiel:
- Was könnten eventuelle Gründe für eine Wechselabsicht des Mitarbeiters sein? Und:
- Was habe ich als Führungskraft even­tuell hierzu beigetragen?


Denn wenn Sie zum Beispiel durch Ihr Verhalten die Wechselabsicht (unbewusst) gefördert haben, beeinflusst dies die Atmosphäre in dem Gespräch. Führen Sie das Bleibegespräch an einem Ort, der Ruhe und Vertraulichkeit garantiert. Und nehmen Sie sich Zeit, denn solche Gespräche nehmen oft einen unerwarteten Verlauf. Zum Beispiel, wenn der Mitarbeiter Ihnen Dinge erzählt, die Sie nicht wussten.

Mit Ich-Botschaften ins Gespräch einsteigen

Teilen Sie zu Beginn des Gesprächs dem Mitarbeiter Ihre Gedanken und Befürchtungen kurz mit. Vermeiden Sie jedoch lange Vorreden. Steigen Sie mit einer Ich-Aussage in das Gespräch ein; zum Beispiel:
- «Ich hatte in jüngster Zeit den Eindruck, dass Sie sich zurückziehen. Deshalb befürchte ich, dass Sie sich mental von uns verabschieden.» Oder:
- «Unser Unternehmen ist zurzeit im Umbruch. Deshalb befürchte ich, Sie könnten den Eindruck haben, Ihr Arbeitsplatz sei unsicher, und sich darum nach einer Alternative umschauen.»


Äussern Sie danach Ihr Bedauern, falls Ihre Befürchtungen zuträfen: «Das fände ich schade, weil ich Sie als Mensch und Mitarbeiter sehr schätze und deshalb gerne halten möchte.» Warten Sie anschliessend, bis der Mitarbeiter antwortet. Hören Sie ihm geduldig zu, was er Ihnen zu sagen hat. Stellen Sie maximal Verständnisfragen.

Die möglichen Mitarbeiter-Reaktionen

Auf Ihren Vorstoss gibt es vier mögliche Mitarbeiter-Reaktionen.
Reaktion 1: Der Mitarbeiter versichert Ihnen glaubhaft, dass Ihre Befürchtungen unbegründet sind. Dann hat sich das Gespräch eigentlich erledigt. Trotzdem sollten Sie die Chance nutzen, Ihre Mitarbeiterbeziehung auf eine noch solidere Basis zu stellen. Beispielsweise indem Sie sagen: «Das freut mich. Trotzdem bitte ich Sie: Suchen Sie künftig das Gespräch mit mir, wenn Sie etwas stört. Denn wie bereits gesagt: Sie sind mir als Mitarbeiter wichtig.»

Reaktion 2: Der Mitarbeiter betont, Ihre Befürchtungen seien unbegründet. Sie glauben ihm aber nicht – zum Beispiel aufgrund der Körpersprache. Das ist oft der Fall, denn wechselwillige Mitarbeiter sprechen meist ungern mit ihrem Chef über ihre Absicht, solange sie keine Jobalternative haben. Auch dann sollten Sie betonen, dass Sie sich hierüber freuen. Danach sollten Sie das Gespräch wie ein normales Mitarbeitergespräch weiterführen, etwa indem Sie sagen: «Davon unabhängig, würde mich interessieren, wie zufrieden Sie mit Ihrer Arbeit sind – schliesslich ging es bei uns (zum Beispiel Corona-bedingt oder bedingt durch den Ukraine-Krieg oder aufgrund der Digitalisierung oder dünnen Personaldecke) in jüngster Zeit recht turbulent zu.» Das Ziel hierbei: Die potenziellen Gründe, warum der Mitarbeiter einen Arbeitgeberwechsel erwägen könnte, zu erkunden, um diese dann eventuell aufzulösen.


Reaktion 3: Der Mitarbeiter sagt, er erwäge, den Arbeitsgeber zu wechseln. Dann sollten Sie ihm zunächst für seine Offenheit danken und zum Ausdruck bringen, dass Sie dies als einen Vertrauensbeweis erachten und entsprechend mit der Information umgehen werden. Danach sollten Sie sich detailliert nach den Motiven für den angedachten Wechsel erkundigen, bevor Sie ihn fragen: «Was kann ich oder das Unternehmen tun, damit Sie bleiben? Denn wie bereits gesagt: Sie sind ein wertvoller Mitarbeiter.»

Die Wunschliste des Mitarbeiters können Sie als dessen Chef oder Vorgesetzter aufnehmen und vorsichtig kommentieren, wenn ein Aspekt unmöglich erfüllbar ist. Die Praxis zeigt: Eine mangelnde Wertschätzung, eine schlechte Arbeits­atmosphäre und eine fehlende Befriedigung bei der Arbeit sind, wenn es um das Halten guter Mitarbeiter geht, meist grössere Probleme als die Höhe des Gehalts.

Reaktion 4: Der Mitarbeiter sagt, er sei fest entschlossen, den Arbeitgeber zu wechseln. Auch dann sollten Sie dem Mitarbeiter für seine Offenheit danken und seine Motive erkunden. Zuweilen gibt es persönliche Gründe: Beispielsweise möchte ein Arbeitnehmer in eine andere Stadt ziehen. Dann können Sie ihm eigentlich nur alles Gute wünschen. Anders ist es, wenn etwa ein Familienmitglied des Mitarbeiters ein Pflegefall wurde und er deshalb seinen Job nicht mehr machen kann und möchte. Dann gibt es in der Regel nur die Alternative, ihn ziehen zu lassen oder mit ihm auszuloten, welche alternativen Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung es gibt.

Wieder anders ist die Situation, wenn der geplante Wechsel in der aktuellen Arbeitssituation begründet ist. Zum Beispiel im schlechten Arbeitsklima, der hohen Arbeitsbelastung oder den geringen Aufstiegschancen. Dann hat sich, wenn ein Mitarbeiter offen sagt «Ich gehe», obwohl er noch keinen neuen Job hat, meist schon viel Frust bei ihm aufgestaut. Entsprechend schwer ist es, den Mitarbeiter zum Bleiben zu bewegen. Trotzdem sollten Sie es bei wertvollen Mitarbeitern versuchen – selbst wenn Sie dann mit einer massiven Kritik an Ihrem Führungsverhalten rechnen müssen, denn Unzufriedenheit mit dem Vorgesetzten ist ein häufiger Grund für einen Arbeitgeberwechsel.

Die Voraussetzungen für ein Umdenken ausloten

Hören Sie sich die Beschwerden ruhig an, und sagen Sie dann beispielsweise: «Ich merke, bei Ihnen hat sich viel Unmut angestaut.» Vermutlich erwidert der Mitarbeiter daraufhin «ja». Darauf können Sie zum Beispiel antworten: «Es tut mir leid, dass ich dies nicht früher registriert habe. Denn für mich sind Sie ein wertvoller Mitarbeiter, und ich würde deshalb gerne weiter mit Ihnen zusammenarbeiten. Unter welchen Voraussetzungen könnten Sie sich vorstellen, Ihre Entscheidung zu überdenken?»


Versuchen Sie also, nachdem der Mitarbeiter Dampf abgelassen hat, das Gespräch in ein ruhigeres Fahrwasser zu lenken – unter anderem, indem Sie Ihrem Gegenüber Ihre Wertschätzung signalisieren. Danach sollten Sie versuchen, mit dem Mitarbeiter herauszuarbeiten, unter welchen Voraussetzungen er sich vorstellen könnte, dem Unternehmen treu zu bleiben und inwieweit diese Bedingungen erfüllbar sind.

Einen Folgetermin vereinbaren

Hierüber eine Einigung zu erzielen, ist in einem Gesprächstermin oft nicht möglich – sei es, weil Sie mit Kollegen noch besprechen müssen, inwieweit gewisse Wünsche erfüllbar sind. Oder weil der Mitarbeiter auf Ihre Frage, unter welchen Bedingungen er sich ein Bleiben vorstellen könnte, noch keine Antwort weiss. Dann sollten Sie gegen Ende des Gesprächs als positives Gesprächsergebnis zunächst festhalten: «Schön, wir sind beide noch gesprächsbereit.» Danach sollten sie gemeinsam in einem Ergebnisprotokoll festlegen, wer was bis wann mit welchem Ziel tut, und einen Termin vereinbaren, bei dem sie sich erneut zusammensetzen.


Nicht selten lassen sich so wechselwillige Mitarbeiter umstimmen und auch emotional wieder ans Unternehmen binden – insbesondere, wenn sie im Bleibegespräch eine echte Wertschätzung seitens ihres Arbeitgebers spüren und ein echtes Bemühen, ihre persönlichen Wünsche, soweit möglich, zu erfüllen. Denn sie wissen, mit einem Arbeitgeberwechsel sind stets auch Risiken verbunden. Deshalb lohnt sich ein solcher Versuch, denn durch jede ungeplante Kündigung entstehen einem Unternehmen hohe Folgekosten – nicht nur aufgrund der dann nötigen Suche eines neuen Mitarbeiters und dessen Einarbeitung. Viel schwerer wiegen oft die sogenannten «Chaoskosten», weil dann eine (Schlüssel-)Position meist längere Zeit vakant ist.

Die Kündigung liegt schon auf dem Tisch

Bleibegespräche können Sie mit Mitarbeitern auch noch führen, wenn deren Kündigung bereits auf dem Tisch liegt. Dann müssen Sie in der Regel dem Mitarbeiter aber deutlich mehr bieten, als wenn er noch keine neue Stelle gefunden hat, damit er sich seine Entscheidung nochmals überlegt. Zu Recht, denn dann haben Sie im Vorfeld die Wechselsignale nicht erkannt. Ansonsten läge nicht unverhofft die Kündigung auf dem Tisch.

Die Autoren

Klaus Doll ist Inhaber von Klaus Doll Organisationsberatung, Neustadt an der Weinstrasse. Seine Frau Nikola Doll arbeitet als Business-Coach insbesondere für Klein- und Mittelunternehmen. Gemeinsam führen sie regelmässig eine sogenannte «Change-Werkstatt – to go» durch, in der sie mit Führungskräften sowie Unternehmern Lösungen für akute betriebliche Probleme erarbeiten.


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