«Swiss IT Magazine»: Herr Bosshard, bevor Sie bei der KPT in Ihrer heutigen Position eingestiegen sind, waren Sie 15 Jahre lang auf staatlicher Seite tätig. Was haben Sie aus Ihrer Arbeit für den Staatsapparat in die Privatwirtschaft mitgenommen?
Roland Bosshard: Auf der staatlichen Seite dauert es vielleicht etwas länger, bis man zu einer Entscheidung gelangt – aber wenn diese einmal gefällt ist, wird sie auch durchgezogen. Das ist mir positiv aufgefallen und ist wohl der Vorteil der Trägheit einer Verwaltung.
War das für Sie schwierig beim Wechsel zurück in die Privatwirtschaft?Nein. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir bei der KPT einen CEO haben, der ebenfalls länger in der Verwaltung war und diese Werte kennt. Und die staatlichen Mühlen mahlen manchmal doch recht langsam. Das kann wie erwähnt Vorteile haben, aber ich bin der Typ Mensch, der weniger am Weg denn am Ziel interessiert ist. Daher hat es mich dann zurück in die Privatwirtschaft gezogen.
Wenn ich Sie richtig verstehe, ist diese gelebte Konsequenz etwas, das Ihnen auch in Ihrer heutigen Rolle noch sehr wichtig ist.Genau – so wissen alle Mitarbeitenden, woran sie sind, und es gibt ihnen eine gute Planungsgrundlage. Wenn sie Zeit und Kreativität investieren, können sie sich damit auch darauf verlassen, dass das wie geplant umgesetzt wird. Das ist sehr wertvoll und das leben wir bei der KPT auch so.
Wo ist Ihre Rolle innerhalb der KPT heute angesiedelt?Meine Rolle ist in der Geschäftsleitung angesiedelt und direkt dem CEO unterstellt.
Und wo liegen Ihre zentralen Aufgabenbereiche?Der wesentlichste Teil ist die digitale Transformation. Grundsätzlich werden wir innerhalb der KPT aber als Erfolgsfaktor und als Business Enabler angesehen. Ich habe es hier nie erlebt, dass die IT bei uns nur als notwendiges Übel betrachtet wurde – auch wenn sie bei meinem Start noch einigen Erneuerungsbedarf hatte. Gerade unter der beschleunigten Digitalisierung im Gesundheitswesen und dem Aufkommen verschiedener Einsatzgebiete von KI wird die IT heute anders – eben als Enabler – gesehen. Aktuell haben wir daher auch den Auftrag aufzuzeigen, wie wir die KPT so positionieren können, dass man von diesen Veränderungen profitieren kann.
Wenn Sie sagen, dass die KPT-IT vor Ihrem Start noch nicht im gewünschten Zustand war – was meinen Sie damit?Das Problem zieht sich wohl durch die gesamte Finanzbranche: Die IT wuchs über Jahrzehnte hinweg mit einem alten Kernsystem, über welches alles abgewickelt wurde und das man sukzessiv ausgebaut hat. Vielleicht hat man etwas zu lange auf dieses System gesetzt. Als ich zur KPT gestossen bin wussten wir, dass wir dieses Kernsystem herauslösen und auf eine Branchenlösung setzen müssen.
Welche ist das?Wir setzen Syrius von Adcubum ein.
Ein solcher Wechsel klingt nach einem geradezu monströsen Projekt.Ja, das war ein grösseres Projekt (lacht), es hat insgesamt 42 Monate lang gedauert. Dabei haben wir alles von A bis Z neu konzipiert und umgesetzt – von neuen Glasfaserkabeln über einen neuen Provider bis hin zur letzten Anwendung sowie allen Arbeitsplätzen. Speziell war, dass es auf dem Schweizer Markt nur zwei Syrius-Provider gab. Wir hatten gemeinsam mit Inventx und unterstützt durch Adcubum die Idee, dieses Oligopol aufzubrechen und mit diesem Projekt einen dritten hiesigen Syrius-Provider aufzubauen. Das ist Inventx in der Zwischenzeit auch gelungen.
Wie viele Personen arbeiten an einem solchen Projekt mit?Im Schnitt waren über den erwähnten Zeitraum etwa 150 Personen involviert; in Spitzenzeiten sogar mehr als doppelt so viele.
Der Abschluss dieses Projektes ist damit nun etwas mehr als ein Jahr her. Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem neuen Syrius-System und Ihrer neuen IT-Umgebung?Gut, die Einführung war erfolgreich. Natürlich gibt es das eine oder andere, das man im Vorfeld falsch eingeschätzt oder dimensioniert hat, was man aber im Sommer 2022 gut ausgleichen konnte. Kurz darauf gab es einen Herbststurm, der seinen Namen verdient: Wir haben etwa 50 Prozent mehr Kunden gewonnen – das System hat also seine Feuertaufe bekommen und bestanden.
Das strapaziert ein solches System natürlich. Gab es Zwischenfälle?Wir mussten nur einmal gemeinsam mit unseren Partnern die Kapazität ausbauen. Das lief «on the Fly» übers Wochenende, das war alles. Bisher stimmt alles für uns – die Zusammenarbeit ist gut und die Systeme laufen stabil. Ich würde rückblickend bis auf ein paar Details alles gleich machen und mich wieder sowohl für Syrius als auch für Inventx entscheiden.
Zuvor haben Sie erwähnt, dass Sie jüngst eine neue Digital-Strategie für die KPT auf die Beine gestellt haben, mit der man die Chancen der Digitalisierung optimal nutzen kann. Wo sehen Sie die wichtigsten Entwicklungen, in welche Richtung wird es in den kommenden Jahren bei Ihnen gehen?Grundsätzlich ist es wichtig, in einem sich bewegenden System den Anschluss zu behalten. Die Leistungserbringer treiben die Digitalisierung derzeit stark voran, weiter ändert sich das Kundenverhalten laufend – etwa in Bezug auf die Nutzung von KI. Wir müssen uns dabei fragen, wie wir hier Mehrwert generieren können und arbeiten an entsprechenden Lösungen.
Gibt es hier schon konkrete Ansätze oder Beispiele für diese neue Interaktion mit Ihren Kunden?Wir arbeiten derzeit daran, den gesamten Kunden-Lifecycle auf Wunsch vollständig digital abwickeln zu können. Wenn Sie wollen, können Sie damit künftig Kunde der KPT werden, ohne je persönlich mit uns in Kontakt zu treten. Eingeführt ist das jedoch noch nicht, da wir uns wie erwähnt erst technisch fit machen mussten; das alte System war noch eine Innovationsbremse. Aber wir schliessen auf und haben viele Ideen!
Zum Beispiel?Details der Produktepipeline und zu unseren Services gebe ich natürlich nicht preis. Aber im Vordergrund steht immer der Kundennutzen. Eine weitere Priorität ist die Erhöhung des Automatisierungsgrades und der Effizienz.
Die KPT hat mehr als 600 Mitarbeiter – damit dürften Sie auch mindestens 600 Clients in der KPT-IT verwalten. Wie sieht Ihr Gerätepark aus?Zusammen mit den mobilen Geräten sind es etwa 1000 Clients. Wir pflegen eine recht klassische IT über alle Ebenen hinweg. Unsere Services beziehen wir heute vollumfänglich aus der Cloud – allerdings einer Private Cloud. Das passiert aus verschiedenen Gründen, am wichtigsten ist aber natürlich der Datenschutz.
Mit dem Betrieb einer Private Cloud haben Sie aber wahrscheinlich viel eigenes IT-Know-how im Haus, oder?Das ist grundsätzlich korrekt. Aber wir haben wie angemerkt gemeinsam mit Inventx unsere Health Care Information Platform konzipiert und aufgebaut. Alle Administratorentätigkeiten im Rechenzentrum werden daher von Inventx ausgeführt.
Wie viele Leute arbeiten denn inhouse in Ihrer IT?Derzeit sind es 56 Mitarbeitende in der IT.
Eine relativ grosse eigene IT – viele andere Firmen lagern grössere Teile ihrer IT aus.Das ist an unserer IT-Organisation tatsächlich etwas speziell: Meine Strategie ist, dass unser gesamtes Schlüsselwissen, das es braucht, um die KPT im Kontext der digitalen Transformation optimal zu positionieren, bei uns im Haus ist. Ich bin bei fast keinem IT-Thema auf externe Spezialisten angewiesen. Für den gesamten 24/7-Betrieb reichen die Ressourcen aber natürlich nicht.
Ehrlicherweise muss man sagen: Ein wichtiger Grund, warum viele Unternehmen ihre IT-Aufgaben auslagern ist, weil sie schlicht keine Leute finden. Wie schaffen Sie es, ein attraktiver Arbeitgeber für IT-Fachkräfte zu sein und diese Fachkräfte zu bekommen?
Genau weiss ich das nicht – aber wir schaffen es offenbar. Was auffällig ist bei uns: Wir dürfen bei der KPT auch ältere Semester einstellen. Ich habe einige Leute über 50 und auch über 60 Jahre eingestellt. Das sind sehr gute, erfahrene und motivierte Personen. Zurzeit gelingt es uns gut, alle Kompetenzen inhouse aufzubauen. Das gilt übrigens auch für Positionen ausserhalb der IT, wir haben trotz dem Fachkräftemangel keine grossen Probleme, Stellen zu besetzen. Ich denke, das liegt an einer guten Grösse und offenbar geniessen wir einen ausgezeichneten Ruf in der Branche. Das spricht sich herum.
Und fördern Sie auch intern Leute, um die Stellen zu besetzen?
Ich höre immer wieder, dass es sehr geschätzt wird, dass wir stark auf die internen Leute setzen. Ich habe in meiner Laufbahn leider schon oft erlebt, dass man bei spannenden Projekten halbe externe Firmen ins Unternehmen holt. Für die internen Leute bleiben dann die weniger attraktiven Arbeiten übrig. Aber ich will das genau andersherum haben – die anspruchsvollen und spannenden Aufgaben, die sowohl die Unternehmung als auch einen selbst weiterbringen, will ich mit Internen umsetzen. Die Leute wissen damit, dass es auf sie ankommt und können wirklich etwas verändern.
Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie folglich auch Informatiker-Nachwuchs heranziehen und Lehrlinge haben?
Jetzt, wo die grossen Projekte vorbei sind, haben wir endlich Raum dafür. Nach den Sommerferien startet der erste Informatik-Lernende bei uns. Das ist sowohl für den Lernenden wie auch die KPT eine grosse Chance. Als Unternehmen können wir einen Beitrag zur Stärkung der Berufsbildung leisten und einem Neueinsteiger einen attraktiven Arbeitsplatz bieten.
Sie haben bereits angemerkt, dass Sie eng mit Inventx als Dienstleister zusammenarbeiten. Gibt es weitere IT-Dienstleister und wie ist Ihre Erfahrung mit den externen Fachleuten?
Wir hatten früher mal zwei Provider und das war nicht so günstig. Wenn man Probleme mit dem Boiler hat, ist es schwer herauszufinden, ob man den Sanitär oder den Elektriker holen muss.
Und der eine sagt immer, dass es das Problem des anderen ist.
Genau das war dann häufig die Situation. Darum haben wir uns für einen einzigen Provider entschieden. Ja, das gibt zwar ein gewisses Klumpenrisiko, aber die Zusammenarbeit ist sehr gut und findet auf Augenhöhe statt. Wir arbeiten unkompliziert und kollegial – aber sehr verbindlich – zusammen. Für die Software-Entwicklung haben wir aber noch drei weitere Partner, welche die Lösungen bauen, die wir dann selbst implementieren.
Können Sie verraten, was da derzeit entwickelt wird?
Gemäss unserer Unternehmensstrategie wollen wir einen Schwerpunkt auf die Bereiche Prävention und Diagnostik setzen. Wir schauen derzeit an, welche Möglichkeiten wir hier haben. So evaluieren wir etwa Lösungen, die es schon auf dem Markt gibt oder neu auf den Markt drängen. Hierfür haben wir ein Labor in unserer Umgebung aufgebaut, in dem wir Neues testen können. Dafür gibt es seit dem 1. Juni auch eine neue Abteilung bei uns. Die wichtigste Aufgabe des Abteilungsleiters besteht darin, den Markt zu beobachten, Lösungen zu analysieren, das Potenzial zu bestimmen und Möglichkeiten zu nutzen, wenn sie die KPT bei der Strategieumsetzung unterstützen.
Genau einer dieser extrem spannenden Jobs in Ihrer IT, von denen Sie gesprochen haben.
Und auch hier: Das ist keine Neuanstellung. Wir konnten hierfür interne Leute gewinnen, die daran interessiert sind und das gerne machen.
Und was bringt die Zukunft für die KPT-IT?
Die Grenze, welche Aufgaben man Systemen überlassen kann, verschiebt sich ständig nach oben. Bei uns gehört es wie gesagt zum Konzept, dass wir möglichst viel selbst machen können. Wir werden lernen müssen, wie wir mit neuen Themen wie etwa Künstlicher Intelligenz umzugehen haben. Ich bin überzeug, dass KI in der nächsten Zeit viele Themenbereiche dominieren wird. Dieses Potenzial auszuloten, ist eine der grossen Aufgaben, die wir nun haben.
Welche Auswirkungen wird das in naher und ferne Zukunft auf Ihre Abteilung haben?
Ich könnte mir vorstellen, dass die bereits genannte Digitalisierungs-Abteilung weiterwachsen wird. Auch wollen wir künftig Querschnittsaufgaben freier gestalten und disziplinübergreifende Teams schaffen, um Aufgaben oder Ideen anzugehen. Dies, damit wir eben nicht externe Leute brauchen, sondern das intern aufbauen können. So werden klassischere Aufgaben in der IT auch immer mehr in den Hintergrund rücken. Die Themen Daten und KI werden sicher immer wichtiger werden.
Roland Bosshard
Roland Bosshard (59) ist seit Februar 2018 CIO und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Krankenkasse KPT. Daneben sitzt er im Verwaltungsrat von Cent Systems, einem Spezialisten für Dokumentendigitalisierung. Bosshard verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in leitenden Positionen im IT-Geschäft und hatte seinen Einstieg in die IT-Welt in der Finanzbranche. Weiter arbeitete der erfahrene Manager lange Zeit für den öffentlichen Dienst – unter anderem für Organisation und Informatik des Kantons Zürich (OIZ) und als Leiter Planung, Projekte und Erneuerung bei der Schweizer Armee.
Zum Unternehmen
Die vor rund 130 Jahren gegründete Krankenkasse KPT gehört zu den zehn grössten Krankenkassen der Schweiz und beschäftigt über 600 Mitarbeitende. Das Unternehmen ist eine Genossenschaft und bietet Versicherungs-Services für knapp 600’000 Kunden an. Der Hauptsitz der KPT befindet sich in Bern.
(win)
KPT-Hauptsitz in Bern (Quelle: KPT)