Im März dieses Jahres ist Intel-Mitgründer Gordon Moore im Alter von 94 Jahren gestorben. Er wird damit das Ende des von ihm postulierten und selbstredend auch nach ihm benannten Mooreschen Gesetzes (Moore’s Law) nicht mehr erleben. Diesem nähern wir uns jedoch mit grossen Schritten, wird es doch immer schwieriger und teurer, Mikroprozessoren in bewährter Art und Weise noch kleiner, energieeffizienter sowie performanter zu machen. Hinzu kommt, dass der Bedarf an Rechenleistung und Chips, angetrieben beispielsweise durch die grossen Fortschritte der letzten Monate im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI), massiv zunimmt.
«Bisher hatten wir keinen Grund, nach einer Lösung zu suchen, da Moore’s Law funktionierte. Nun ist es aber an der Zeit, das Problem anzugehen», meint Manu V Nair, der 2020 zusammen mit Alessandro Aimar das Unternehmen
Synthara gründete und seitdem an einer neuartigen Architektur für Computerchips arbeitet. Bald wird man einen ersten grossen Meilenstein erreichen. In diesen Tagen wird nämlich die Lieferung erster Chipmuster erwartet. Dann wird sich zeigen, ob das ehrgeizige Ziel des Spin-offs der ETH und der Universität Zürich, das mit seiner Lösung eine bis zu 50-fache Steigerung der Rechenleistung und Effizienz im Vergleich zu herkömmlichen Prozessoren erreichen will, realistisch war oder noch ein bisschen Arbeit wartet.
«Was wir tun, ist sehr ambitioniert», gesteht Nair in einem Gespräch in den Büros des Unternehmens, die sich aktuell noch im Bluelion Incubator in Zürich befinden. Er ist jedoch überzeugt, dass Synthara seine hochgesteckten Ziele erreichen wird. Davon profitieren würden nicht zuletzt auch wir Konsumenten und Endabnehmer, könnten Gerätehersteller dadurch doch weitaus kompliziertere Modelle entwickeln und fortschrittlichere Funktionen in ihre Produkte einbauen, als dies bisher möglich war. Dies hat auch die Jury des mit 100’000 Franken dotierten ZKB Pionierpreises Technopark 2023 überzeugt, der dem jungen Schweizer Unternehmen Ende Mai überreicht wurde.
Grosses Wachstum steht bevor
Nair und Aimar haben sich 2016, zu Beginn ihres Doktoratsstudiums an der ETH Zürich beziehungsweise Universität Zürich kennengelernt und schon bald ist in ihren Köpfen die Idee entstanden, gemeinsam in einem eigenen Unternehmen ein innovatives, neues Chipdesign zu entwickeln. Nach Abschluss ihres PhD und während des ersten Corona-Lockdowns machten der Inder und der Italiener dann Nägel mit Köpfen. Nair hatte zuvor bereits Chips für das Unternehmen Analog Devices in Indien und dann bei Apical Imaging in Grossbritannien entwickelt, während Aimar Physikalische Technik sowie Nanotechnologie studierte und schliesslich ebenfalls in Grossbritannien, bei Imagination, an digitalem Design arbeitete.
Synthara beschäftigt inzwischen bereits 14 Personen und will seine Belegschaft bis Ende nächstes Jahr fast verdoppeln. Damit sei man im Vergleich zu anderen Unternehmen aus der Chip-Branche aber nach wie vor sehr klein, meint Nair. Jetzt, da ihre neuartige Architektur in Form von Chipmustern bald in die Hände erster externer Entwickler und Unternehmen gelange, werde es aber so richtig los gehen. In den nächsten Monaten will das Start-up auf Basis erster Kundenfeedbacks die Entwicklung weiter vorantreiben, sich den Markt erschliessen und dann möglichst rasch schwarze Zahlen schreiben. «Es wird ein grosses Jahr für uns», erklärt Nair.
Noch arbeiten Nair und sein Team also nicht profitabel. Kein Wunder, erst muss man ja ein Produkt haben, das man verkaufen kann. Man sei aber definitiv kein geldverbrennendes Unicorn, so Nair. Ganz im Gegenteil, man gehe sehr haushälterisch mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln um. Und diese sind, im Vergleich zu anderen Start-ups, ganz ansehnlich: Erst kürzlich erhielt Synthara eine weitere Zuschussfinanzierung in der Höhe von über 5 Millionen Franken und steht damit bei insgesamt etwa 10 Millionen Franken. Die Investorensuche läuft bisher also sehr erfolgreich, auch wenn Nair meint, dass bisher noch niemand in der Branche mit so wenig Geld so viel erreicht habe wie
Synthara.
Herausforderung Fachkräftesuche
Der bisherige Erfolg von
Synthara, nicht nur auf Investorenseite, ist gemäss Nair zu einem grossen Teil dem Standort Schweiz zu verdanken. Die Schweiz biete, abgesehen davon, dass sie einfach ein sehr schönes Land sei, für sein noch junges Unternehmen einige Vorteile. Dabei hebt Nair beispielsweise die stark fortgeschrittene Digitalisierung, tolle Arbeitsplätze sowie Arbeits- und Lebensbedingungen, aber auch die hervorragende geopolitische Lage zwischen den beiden (Chip-)Grossmächten China und USA hervor.
Wie viele andere IT-Unternehmen in der Schweiz haben allerdings auch Nair und Aimar Schwierigkeiten, neue Mitarbeitende zu finden. Das wäre im Ausland, sprich im Silicon Valley oder seiner Heimat Indien, eventuell einfacher, meint Nair. Gleichzeitig betont er aber, dass man ein Schweizer Unternehmen sei und das vorläufig auch bleibe. Natürlich werde man, wenn alles nach Plan laufe, irgendwann ins Ausland expandieren, das dauere aber noch ein Weilchen.
Sehr gerne würde Nair sein Team in naher Zukunft auch um Schweizer Fachkräfte erweitern. Bis anhin ist Synthara nämlich ein Schweizer Unternehmen ohne Schweizer Angestellte. Auch mehr Frauen im sonst eigentlich bereits sehr diversen Betrieb wünschte sich Nair. Wer Interesse habe, soll sich doch unbedingt melden, meint er. Es gebe noch viele Herausforderungen zu lösen und einige spannende Aufgaben.
Neue Anwendungsfälle
Spannend ist es tatsächlich, was
Synthara vorhat. Kurz zusammengefasst will das Schweizer Start-up dem In-Memory-Computing endlich zum Durchbruch verhelfen. ComputeRAM wird das ganze genannt, also Rechenleistung mit in den Arbeitsspeicher gepackt. Dabei handelt es sich um einen aktuell zwei auf zwei Millimeter grossen Chip, wobei Synthara selbst nie Chips herstellen wird, sondern sich «nur» auf deren Architektur beschränkt. Dazu gibt es ein ebenfalls selbst entwickeltes Software Development Kit (SDK), mit dem Firmen ihre Anwendungen für den neuen Synthara-Chip optimieren können.
Synthara ersetzt also keine CPU oder GPU, sondern ergänzt diese durch die ComputeRAM-Architektur. Dies soll zu deutlich höherer Rechenleistung führen und entsprechende Hardware gleichzeitig auch noch energieeffizienter machen. Zudem verspricht Nair, dass Chiphersteller die Technologie dank entsprechender Software-Werkzeuge nahtlos in bestehende Produkte werden integrieren können und auch keine Softwarekompatibilitätsprobleme zu erwarten sind.
Zum Einsatz kommen wird ComputeRAM, wenn es nach Nair geht, in Zukunft in ganz unterschiedlichen Bereichen und Produkten. Neben «klassischen» Consumer-Elektronik-Geräten nennt er unter anderem Wearables und Smartphones, aber auch VR-Headsets, IoT-Devices und sogar Server sowie Rechenzentren. Zudem will man insbesondere neue Use Cases ermöglichen, also Dinge, die so heute noch nicht möglich sind. So arbeitet das Unternehmen beispielsweise bereits mit einem Hörgerätehersteller zusammen und forscht an Produkten, die quasi nicht mehr geladen werden müssen.
(mv)
So sieht es aus, das erste Chipmuster mit der neuartigen Architektur von Synthara, das bald an externe Entwickler und Unternehmen verschickt wird. (Quelle: Synthara)