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Die Weichen im Betrieb neu stellen

Zeiten, in denen sich die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handels ­fundamental wandeln, bieten Unternehmensführern die idealen Voraussetzungen, um ­nötige Veränderungen voranzutreiben.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2023/05

     

Alltag in vielen Unternehmen: Kaum verkündet dessen Management «Wir müssen unsere Struktur...» oder «...unsere Strategie ändern», regt sich in ihnen Widerstand. Nicht nur, weil Mitarbeiter befürchten, sie könnten ihren Arbeitsplatz verlieren, sondern auch, weil viele bangen, denn mit der Veränderung werden Privilegien abgebaut und gewohnte Arbeitsinhalte und -strukturen ändern sich. Schnell wird dann der Vorwurf laut:

- Unsere Chefs haben nur noch den Profit vor Augen. Und:


- Unser Management pflegt einen autoritären Führungsstil.

Dass solche Vorwürfe erhoben werden, ist verständlich, denn jede Veränderung stellt Gewohntes in Frage. Deshalb löst sie Unsicherheit aus. Trotzdem ist es erschreckend, welch massiven Ängste geplante Änderungen bei Mitarbeitern oft erzeugen. Dies ist auch in Versäumnissen der Vergangenheit begründet.

Harmonie- statt Entscheidungskultur

In guten Zeiten neigen Unternehmen dazu, konfliktträchtige Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben. Die Folge: In ihnen wächst keine Entscheidungskultur, in der Zukunftsfragen aktiv angegangen werden. Stattdessen macht sich eine Harmoniekultur breit, in der jeder versucht, (Interessens-)Konflikte zu vermeiden. Übersehen wird dabei:

- Jede Entscheidung enthält ein Konfliktpotential, weil sie andere Lösungswege verwirft.


- Jede unternehmerische Entscheidung ist eine Zukunftsentscheidung und somit mit Risiken verknüpft.

- Zukunftsentscheidungen können, weil sie die Zukunft gedanklich vorwegnehmen, meist nicht im Konsens, sondern nur mit Macht getroffen und umgesetzt werden.

Weil in vielen Unternehmen in den zurückliegenden Jahren notwendige Zukunftsentscheidungen nicht getroffen wurden, gerieten sie in folgende für die Firma fatale Situation: Ihre Mitarbeiter vergassen, dass jeder Organismus auf Dauer nur überleben kann, wenn er sich auch weiterentwickelt. In ihnen machte sich zudem eine Denk- und Verhaltensstruktur breit, die ausser Acht lässt, dass Unternehmen Zweckgemeinschaften sind, deren oberstes Ziel es ist, Gewinn zu erwirtschaften.

Dies verdrängten gleichzeitig auch viele Führungskräfte. Deshalb mutierten sie zuweilen von Orientierung bietenden Vorgesetzten zu Coaches, die sich einseitig nur um die Entwicklung ihrer Mitarbeiter kümmerten. Sie vergassen, dass ihre Hauptaufgabe ist, sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter so (zusammen)arbeiten, dass die Unternehmensziele erreicht werden.

Krisen machen klar, was wirklich wichtig ist

In einem solchen Umfeld wirkt es autoritär, wenn Führungskräfte Leistung und sofern nötig ein verändertes Verhalten fordern. Dies ist aber nicht autoritär. Es stellt vielmehr ein Rückbesinnen auf die Hauptaufgabe der Führungskräfte eines Unternehmens dar.

Bewusst werden solche Fehlentwicklungen den Unternehmensführern oft erst, wenn die Erträge sinken. Entsprechend panikartig ist dann häufig ihre Reaktion. Initiierten sie zuvor kaum Veränderungen in der Firma, wollen sie plötzlich alles über Nacht umkrempeln. Wurden zuvor Entscheidungen, wenn überhaupt, weitgehend nach dem Konsensprinzip getroffen, wird plötzlich nur noch mit Macht entschieden. Viele Spitzen-Manager verfallen in solchen Drucksitutaionen also von einem Extrem ins andere. Entsprechend verunsichert sind ihre Mitarbeiter und entsprechend massiv sind ihre Widerstände.


Dabei bieten Krisenzeiten ideale Voraussetzungen, um Veränderungsprozesse effektiv zu gestalten, denn dann ist der Handlungsbedarf offenkundig. Also kann den Mitarbeitern auch recht einfach vermittelt werden, warum Veränderung nötig ist. Ähnlich ist es, wenn sich in den Märkten ein Paradigmenwechsel vollzieht. Dann gruppiert sich das Heer der Anbieter neu und heraus ergeben sich auch Chancen. Auch dies kann den Mitarbeitern vermittelt werden.

Veränderungen mit Macht vorantreiben

Hierfür muss jedoch folgende Voraussetzung erfüllt sein: Die Unternehmensleitung erkennt die Chancen und packt sie gegen alle Widerstände beim Schopf. Denn eines zeigen alle Veränderungs­projekte in Unternehmen. Sie sind nur erfolgreich, wenn die oberste Führungs­ebene die ihr verliehene Macht konsequent nutzt, um

- die nötigen Entscheidungen zu treffen und

- die damit verbundenen Prozesse zu initiieren.

Die oberen Führungskräfte müssen zudem ihre gesamte Autorität in die Waagschale werfen, um bei den Mitarbeitern für die Veränderung zu werben, so dass jedem klar wird: Wir wollen und werden diesen Prozess durchlaufen.

Mitarbeiterführung in turbulenten Zeiten – 8 Tipps

Immer wieder geraten Unternehmen in Situationen, in denen sie auf die Kostenbremse treten, ihre Organisation umbauen und im Extremfall sogar ihr Geschäftsmodell überdenken und Mitarbeiter entlassen müssen. Das ist aktuell aufgrund einschneidender Ereignisse wie etwa der Coronapandemie, des Ukraine-Krieges sowie des Klimawandels und ihrer Folgen gehäuft der Fall.

In solchen Situationen zeigt sich, was die Führungsmannschaft eines Unternehmens wirklich taugt. Denn dann treten ausser den Versäumnissen in der Vergangenheit oft auch die Fehleinschätzungen des Managements bei seinen strategischen Planungen deutlich zu Tage. Dessen ungeachtet erwarten die Mitarbeiter aber von ihren Vorgesetzten gerade in schweren zeiten, wie Krisen- oder Marktumbruchssituationen, Orientierung und Halt.


Folgende acht Regeln sollten Führungskräfte in schlechten beziehungsweise unsicheren Zeiten daher unbedingt beherzigen.

Regel 1: Kommunizieren Sie offen und frühzeitig.
Ihre Mitarbeiter sind nicht dumm. Sie spüren schnell, wenn es im Gebälk des Unternehmens anfängt zu knistern und zu lodern. Sei es, weil das Arbeits- oder Auftragsvolumen sinkt oder die Chefs zusehends nervöser werden und bisher selbstverständliche Privilegien in Frage stellen. Informieren Sie Ihre Mitarbeiter deshalb früh, wenn Ihr Unternehmen in einer Krise steckt, denn nur dann können Sie diese als Mitstreiter beim Bewältigen der Krise gewinnen.

Regel 2: Benennen Sie ehrlich die möglichen Folgen.
Informieren Sie Ihre Mitarbeiter auch über die möglichen Auswirkungen der Krise – jedoch ohne Horror­szenarien zu entwerfen. Denn nichts verunsichert die Mitarbeiter so sehr, wie wenn sie nicht einschätzen ­können:
- Ist das Feuer ein Strohfeuer?
- Ist es auf den Dachstuhl begrenzt oder wird es auch andere Teile des Hauses erfassen?
- Hat es auch Auswirkungen auf meine Arbeitssituation?

Dann beginnt die Gerüchteküche zu brodeln, und das Feuer wird – in den Köpfen der Mitarbeiter – immer grös­ser. Informieren Sie die Mitarbeiter auch darüber: Welche Massnahmen werden respektive wurden von Ihnen oder der Unternehmensleitung ergriffen, um das Feuer zu löschen?

Regel 3: Zeigen Sie Rückgrat.
Stehen Sie in Mitarbeitergesprächen zu den Entscheidungen, die Sie in der Vergangenheit getroffen haben, denn im Rückblick ist jeder schlauer. Und welcher Manager oder Unternehmer bezog in seine strategischen Planungen schon solche «Schwarzen Schwäne» wie die Corona-Pandemie oder den Ukraine-Krieg sowie deren Folgen ein? Vermutlich keiner. Stehen Sie zudem zu den Entscheidungen, die Sie getroffen haben, um die Krise zu meistern – selbst, wenn diese für einige Mitarbeiter schmerzhaft sind. Tun Sie beispielsweise nicht so, als hätten die Banken Ihre Entscheidungen getroffen. Dies mindert Ihre Glaubwürdigkeit. Und so zeigen Sie keine Führungskraft.
Regel 4: Machen Sie Ihrem Team nichts vor.
Appellieren Sie, wenn es um das Bewältigen der Krise geht, möglichst selten an das kollektive Wir-Gefühl, um mehr Leistung aus den Mitarbeitern herauszupressen. Denn dann fühlen sich die Mitarbeiter – zum Beispiel, wenn Entlassungen erfolgen oder Gehälter und Boni gekürzt werden – zu Recht genarrt. Wecken Sie auch nicht die Illusion bei den Mitarbeitern, aus den nötigen Veränderungen gingen alle Beteiligten als Gewinner hervor: Bei jedem Veränderungsprozess gibt es auch Verlierer oder zumindest Mitarbeiter, die sich als solche empfinden.

Regel 5: Seien und bleiben Sie konstruktiv.
Stimmen Sie zum Beispiel, wenn Sie mit Ihren Mitarbeitern zusammensitzen, nicht in das allgemeine Krisen- oder Konjunkturgejammer ein. Zeigen Sie ihnen vielmehr Wege auf, wie sich die Krise voraussichtlich meistern lässt. Schildern Sie anhand konkreter Beispiele, wie Ihr Unternehmen oder andere schon ähnliche Krisen gemeistert haben, damit Ihre Mitarbeiter spüren: Ein Turn-Around ist möglich und Erfolg ist machbar.


Regel 6: Bieten Sie Halt durch klare Ziele.
Vereinbaren Sie mit Ihren Mitarbeitern messbare Ziele und konkrete Massnahmen, was sie tun sollen, um ihren Beitrag zum Meistern der Krise zu leisten. Definieren Sie mit ihnen Meilensteine, die es auf dem Weg aus der Krise zu erreichen gilt; ausserdem – sofern nötig – konkrete Aktivitäten, die sie ergreifen sollen, damit sie diese Meilensteine erreichen.

Regel 7: Gehen Sie konsequent gegen Miesepeter vor.
Kontrollieren Sie zwischenzeitlich, ob die Mitarbeiter auf dem richtigen Weg sind, die Meilensteine zu erreichen. Und schreiten Sie sofort ein, wenn Sie registrieren, dass einzelne Mitarbeiter ihre Kollegen mit ihrem Krisengerede infizieren. Bitten Sie den Mitarbeiter dann zu einem Vier-Augen-Gespräch und fragen Sie ihn: «Wie beurteilen Sie unsere Erfolgsaussichten?» Wenn er dann jammert, sagen Sie zu ihm: «In dieser Situation haben wir zwei Möglichkeiten: entweder uns ins Schicksal zu ergeben und zuzuschauen, wie alles noch schlechter wird, oder dafür zu sorgen, dass alles besser wird. Welchen Weg bevorzugen Sie?» Mit Sicherheit bevorzugt der Mitarbeiter den zweiten Weg. Dann können Sie mit ihm vereinbaren, was er tun kann, um seinen Beitrag zum Verbessern der Situation zu leisten. Tut er dies nicht, ziehen Sie die nötigen Konsequenzen.

Regel 8: Feiern Sie auch Teil­erfolge.
Informieren Sie Ihre Mitarbeiter über (Teil-)Erfolge, die beim Bewältigen der Krise und Versuch, das Unternehmen wieder in die Erfolgsspür zu führen, erzielt wurden. Das spornt sie an und vermittelt ihnen das Gefühl: Wir sind auf dem richtigen Weg. Und spendieren Sie in solchen Situationen auch mal eine Pizza oder ein, zwei Flaschen Sekt als spontane Anerkennung und Belohnung für das bisher Geleistete.

Der Autor

Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist unter anderem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-Provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.


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