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Kolumne: ChatGPT und die zwei Welten
Quelle: Scheuring

Kolumne: ChatGPT und die zwei Welten

Heinz Scheuring berichtet über seine Erfahrungen mit ChatGPT und was er daraus gelernt hat.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2023/05

     

Noch ein Beitrag zu ChatGPT, wo die Medien davon bereits überquellen? Nun, angesichts meiner schockierenden persönlichen Erfahrung und der Bedeutung dieser bahnbrechenden Innovation scheint mir dies geboten.

Dominierte bei der Lancierung im vergangenen Herbst noch die Euphorie über diesen technologischen Weitsprung, hat sich das Blatt mittlerweile gewendet. Warnungen und Berichte über fragwürdige Ergebnisse nehmen überhand. Negativ-Kommentare überbieten sich und gipfeln in der «trojanischen Bombe», wie ein Gastautor den Service in der «NZZ» kürzlich abqualifiziert hat. Beide Extreme, undifferenzierte Bewunderung ebenso wie aggressiv-herablassende Kritik, sind kontraproduktiv. Die Technik beinhaltet ein erhebliches Nutzenpotenzial. Wie jede neue Technologie hat auch diese ihre Kehrseite.


Ich wollte es genauer wissen und habe ChatGPT in unserem Fachgebiet auf die Probe gestellt: «Was versteht man bei Projektmanagement-Software unter dem ‹Konzept der zwei Welten›?»

ChatGPT liess sich nicht zweimal bitten. Die in Sekundenschnelle präsentierte Antwort: «Das Konzept der zwei Welten im Projektmanagement bezieht sich auf die Unterscheidung zwischen der planungsorientierten Welt und der ausführungsorientierten Welt eines Projekts.» Es folgen vertiefende Ausführungen. Alles nachweislich falsch.
Ich liess nicht locker und verwies auf die abweichende Definition auf unserer Produktwebsite. ChatGPT liess sich nicht beirren. Ganz im Gegenteil: Im Brustton der Überzeugung folgte die Bestätigung, dass Scheuring das Konzept tatsächlich etwas anders definiere, um dann – mit direktem Bezug auf Scheuring – denselben, fundamental falschen Gehalt zu präsentieren.

Doch der eigentliche Clou sollte erst noch folgen: «Scheuring AG betont, dass eine erfolgreiche Projektmanagement-Software beide Welten abbilden und integrieren muss, um eine nahtlose Zusammenarbeit zwischen der organisatorischen und der operativen Welt zu ermöglichen.» Das ist so ziemlich exakt das Gegenteil der Konzeption, die besagt, dass die technische Integration hier ins Verderben führt. Der Kern des Konzepts der zwei Welten: Die Makro-Welt des Projektportfolio-Managements und der Multiprojekt-Ressourcenplanung ist gedanklich und Software-technisch von der Mikro-Welt – der Detailplanung durch die Projektleiter – zu trennen. Nachzulesen auch in meinem Beitrag im «Swiss IT Magazine», Ausgabe 7-8/2020.


Wo um Himmels willen hat ChatGPT diese fehlgeleitete Behauptung zusammengeklaut? Dass KI-Sprachmodelle nur das verarbeiten, was im Netz steht, ist bekannt. Dass dabei bezugslose Inhalte wild und nachweislich falsch zusammengekleistert werden, ist allerdings nicht die Idee. Mich als Urheber des Konzepts liess diese zutiefst befremdende Erfahrung sprachlos zurück. Das Fehlen von Quellenangaben ist in dem Zusammenhang selbstredend ein absolutes No-Go. Dringend geboten wäre ausserdem das Verweigern einer Antwort oder zumindest eine entsprechende Warnung bei unzureichender Datenlage.

Potenzial beinhaltet die Technik zweifelsohne. OpenAI und Microsoft müssen an dem Konzept jedoch massiv nachbessern. Das verstörende Beispiel zeigt ausserdem, dass Sprachmodelle allein bei Wissensabfragen nicht zum Ziel führen werden.

Das Fazit: Nutze den Service kreativ, um dort Impulse zu erhalten, wo du über ein Mindestmass an Expertise verfügst. Dies hat bei manchen meiner Abfragen schon ganz ordentlich funktioniert. Meide dann jedoch den Dienst, wenn du in einem dir fremden Bereich gesichertes Wissen suchst.



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