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Kolumne: Ohne Konsequenzen
Quelle: Von Salis ­Engineering

Kolumne: Ohne Konsequenzen

Luzi von Salis über die riesigen Summen, die Swisscom jedes Jahr für Rechts­streit­ereien und Ver­zögerungen ausgibt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2023/03

     

Die Winterthurer Firma Init7 hat bekannterweise den Glasfaserstreit gegen Swisscom vor dem höchsten Gericht für sich entscheiden können. Endlich wurden die Planungssicherheit und die Gleichbehandlung aller alternativen Service Provider wieder hergestellt. Viel Kraft, Mittel und Überzeugung waren dazu nötig, um das staatliche Unternehmen dazu zu zwingen. Die Glasfaserausbauten sollten nun endlich wieder nach dem Point-to-Point-Verfahren erfolgen. Trotz des Gerichtsentscheids baut Swisscom aber teilweise immer noch nach dem Point-to-Multipoint (P2MP)-Verfahren weiter. Es wird auf bereits vergebene Verträge verwiesen. Ist Swisscom nicht zufälligerweise ein Kommunikationskonzern? Nutzen die noch Rauch- oder Morseübermittlungsverfahren mit ihren Lieferanten? Sind diese FTTH- und Tiefbaufirmen nicht genügend im Telecom-­Markt eingebettet, um die ­Veränderung genau zu verfolgen? Doch, und wie! Denn sie arbeiten ja gleichzeitig für andere Netzbetreiber und kennen die Situation bestens. Die Branche schüttelt nur noch den Kopf.

Diese Fehlinvestitionen müssen zu einem späteren Zeitpunkt rück- oder umgebaut werden, wie die bereits bestehenden und nicht vermarktbaren hunderttausenden Glasfaseranschlüsse im P2MP-Verfahren. Anfangs Februar veröffentlichte Swisscom den Jahresbericht 2022, kommunizierte knapp 500’000 P2MP-Anschlüsse und schlägt weiterhin 22 Franken Dividende pro Aktie vor. Was das Unternehmen nicht erwähnt sind die Kosten, die nun auflaufen, weil es das Verfahren jahrelang taktisch verzögert und weitergezogen hat. Wie schon in meinen früheren Kolumnen erwähnt, versenkt Swisscom so jährlich riesige Summen in Rechtsstreitereien und Verzögerungen – und verliert die Mehrheit. Und seit über 20 Jahren hat dies keine Konsequenzen für niemanden. Keine Köpfe rollen, keine Verantwortungen müssen übernommen werden. Wieso wird dies einfach so akzeptiert? Aha, es ist ja der Staat Schweiz, der immer noch 51 Prozent der Aktien hält und lieber Dividenden einstreicht als mutwillig fehlbares Management verantwortlich dafür zu machen. Nun kommt nebst den verlorenen Verfahrenskosten, den immensen Fehlinvestitionen in eine falsche Ausbau-Architektur noch eine riesige Umbausumme dazu. Der Projektname heisst irreführenderweise Feeder-Cleanup.

Rechnen wir mal auf dem Bierdeckel: 500’000 Anschlüsse mal 1500 Franken Kosten pro P2MP-FTTH-Anschluss ergibt etwa 750 Millionen Franken Investitionen für den falschen Ausbau. Davon können vielleicht 50 Prozent der verbauten Infrastrukturen nach dem Umbau wiederverwendet werden. Also sprechen wir von einer Fehlinvestition von 375 Millionen Franken. Jetzt müssen alle falsch erstellten Anschlüsse korrigiert werden. Rechnen wir mit Korrekturkosten von 750 Franken pro Anschluss. Dies ergibt wiederum 375 Millionen Franken. 157 Millionen Franken hat Swisscom laut Geschäfts­bericht für «Bildung Rückstellungen für Rechtsverfahren Schweiz» 2022 beiseitegelegt, notabene dreimal mehr als 2021. Ergo hat Swisscom 2022 rund 900 Millionen Franken versenkt. Das entspricht fast doppelt so viel wie für den Glasfaserausbau 2022. Kann das noch jemand rational nachvollziehen? Für die Staatsstuben und Aktionäre scheint dies Courant Normal zu sein und die nächsten versenkbaren Millionen werden zielstrebig angepeilt. Wann wachen eigentlich dieser Verwaltungsrat, die Aktionäre und die Öffentlichkeit auf, um diese Missstände zu korrigieren?


Es sind nämlich die trägen Privatkunden, die die Zeche bezahlen. Mit überhöhten Margen können diese Abenteuer des Managements weiterhin bezahlt werden. Ein systematischer Regimewechsel wäre schleunigst angezeigt. Der neue, verantwortliche Bundesrat Rösti könnte hier gerade ein erstes, wichtiges Zeichen setzen und sich korrigierend in Szene setzen. Glauben wir daran? Wohl eher nicht – leider. Einmal mehr ist wieder eine Chance verpasst in dieser bequemen Schweiz.

Luzi von Salis

Luzi von Salis ist Geschäfts­führer der Firma Von Salis ­Engineering und agiert als Interim-­Manager, Konsulent sowie als «Business Troubleshooter» im ICT-Sektor. In seiner Kolumne kommentiert und beleuchtet er aktuelle Themen aus dem ICT-Bereich.
luzi.vonsalis@vseng.ch


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