CIO-Interview: «Dem Cloud-Trend können auch wir uns nicht verschliessen»
Quelle: Swica

CIO-Interview: «Dem Cloud-Trend können auch wir uns nicht verschliessen»

Die Digitalisierung schreitet im Schweizer Gesundheitswesen mancherorts eher gemächlich voran. Nicht so bei Swica, und dies obwohl CIO Fabian Ringwald und sein Team sich erst jetzt so richtig auf den Weg in die Cloud machen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2022/12

     

"Swiss IT Magazine": Herr Ringwald, während der Recherchen für unser Interview habe ich bemerkt, dass Sie ein Twitter-­Konto besitzen und dort auch ziemlich aktiv sind. Erlauben Sie mir deshalb zuerst eine persönliche Frage: Wie stehen Sie zu den aktuellen Entwicklungen rund um den Kurznachrichtendienst? Und zu Elon Musk?
Fabian Ringwald:
Ich sehe die Entwicklung kritisch. Twitter hat eine sehr grosse Anzahl Nutzerinnen und Nutzer. So ein Dienst sollte nicht von einem einzelnen Menschen, der eine für mich manchmal unverständliche Vorstellung von Demokratie hat, gesteuert werden. Gleichzeitig müssen wir so etwas als Gesellschaft und User bis zu einem gewissen Mass aushalten. Wir können durch die sichtbare Vertretung unserer Werte ein Gegengewicht geben.

Wir teilen heute privat freiwillig viele Daten mit Grosskonzernen wie Twitter, aber auch Meta, Microsoft, Google oder Apple, darunter immer mehr Gesundheitsdaten – Stichwort Smartwatches und Fitness Tracker. Wenn es aber um Themen wie das elektronische Patientendossier (EPD) geht, dann wird es auf einmal schwierig. Wie beurteilen Sie diese Situation?
Hier schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Der passionierte Digitalisierer in mir fragt sich, warum wir uns da so viele Steine in den Weg legen. Wir könnten ­einen riesigen Nutzen aus Lösungen wie einem gut funktionierenden, breit unterstützten EPD ziehen. Gleichzeitig verstehe ich, dass es einen Unterschied macht, ob wir einem Staat oder einem Unternehmen etwas anvertrauen. Den Dienst des Unternehmens kann ich nach Belieben wieder kündigen. Wenn ich zum Beispiel aufhöre, Twitter zu nutzen, habe ich eine gewisse Chance, dass meine Daten dort umgehend gelöscht werden. Aus einem staatlichen Gebilde kann ich mich schwerer vollständig zurückziehen. Nun ist die Schweiz aber eine der fortschrittlichsten Demokratien der Welt mit klaren Grenzen staatlicher Macht und einem guten Menschenbild: Wo, wenn nicht hier, können wir unseren Institutionen also den nötigen Vertrauensvorschuss gewähren?


Bleiben wir noch etwas beim EPD. Hier gab es zuletzt, sagen wir mal, nicht nur positive Schlagzeilen. Das stärkt das Vertrauen in eine solche Lösung natürlich nicht.
Ich gehöre vermutlich zur ganz, ganz kleinen Minderheit mit genügend digitaler Neugier und Interesse am Gesundheitswesen, die sich ein EPD eröffnet hat. Es war die reinste Odyssee, bis dieses Ding aufgeschaltet war und die reduzierte Funktionalität letztendlich eine riesengrosse Enttäuschung. Ich will den Betreibenden oder Entwicklerinnen und Entwicklern aber in keiner Weise einen Vorwurf machen: Wir haben als Gesellschaft die falschen Rahmenbedingungen geschaffen und es war schlicht nichts anderes möglich als das, was nun vorliegt. Unser föderales System steht im Zielkonflikt zu eher national wirksamen Ansätzen. Gleichzeitig war das Verständnis für Digitalisierung zu der Zeit, als die Anforderungen an das EPD definiert wurden, noch ein ganz anderes. Deshalb ist es mehr als nachvollziehbar, dass sich die Anwendung heute nicht State of the Art anfühlt. Wir sollten aber nicht länger in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft schauen. Die Chancen stehen gut, dass wir bald einen funktionierenden Weg beschreiten werden.

Das wäre bestimmt auch im Sinne von Swica. Ein EPD würde für einen Krankenversicherer und für seine Kunden einige Vorteile bringen.
Absolut. Ein EPD wäre aus unserer Sicht sehr vorteilhaft. Hier muss man unterscheiden: Welche Daten wollen und dürfen wir aus Datenschutzgründen als Krankenversicherung überhaupt haben? Und welche Daten liefern wir selbst ein und könnten so einen Mehrwert stiften - zum Beispiel Policen oder andere Informationen zu unseren Versicherten. Gleichzeitig sind wir nicht nur eine Krankenversicherung, sondern verstehen uns als Gesundheitsorganisation und sind beispielsweise Leistungserbringer im telemedizinischen Bereich. Wir erbringen also medizinische Dienstleistungen aus der Ferne, digital unterstützt. Selbstverständlich wäre es spannend, die dabei gewonnenen Informationen über ein EPD mit weiteren Stellen zu teilen – insbesondere, wenn die telemedizinische Beratung durch einen physischen Arztbesuch ergänzt wird. Es gäbe also aus Sicht einer Gesundheitsorganisation einige interessante Anwendungsfälle, von denen unsere Versicherten profitieren könnten.

Ein Thema sind hierzulande auch immer wieder die steigenden Gesundheitskosten. Welchen Beitrag zur Senkung dieser Kosten könnten Lösungen wie die angesprochenen, könnte die IT leisten?
Solche Lösungen sind ein wichtiger Baustein für eine integrierte Versorgung. Im Gesundheitswesen haben wir es mit vielen Partikularinteressen zu tun, die nicht ideal aufeinander abgestimmt sind. Durch einen besseren Datenaustausch und eine bessere Vernetzung von Informationen sowie mehr Transparenz im Sinn der Versicherten könnten wir beispielsweise viele Doppelerfassungen vermeiden. Wenn wir also besser zusammenarbeiten könnten, würde sich das vermutlich kostendämpfend auswirken. Was die Gesundheitskosten betrifft, gibt es aber ein weitaus grösseres Problem. Wir gehen als Konsumentinnen und Konsumenten nicht sparsam mit dieser Ressource um. Es gibt Werkzeuge wie die Franchise, die meiner Beobachtung nach zu wenig wirken und es gibt kaum weitere Anreize, etwas an unserem Konsumverhalten zu ändern. Dies ist menschlich und individuell sehr nachvollziehbar, als Gesamtsystem aber schwierig.


Apropos Kosten: Die IT dürfte bei ­einem Krankenversicherer wie Swica nur ein kleiner Ausgabenposten sein - oder täusche ich mich da?
Wenn man die Gesamtkosten oder das Prämienvolumen ansieht, das in die Milliarden geht, sind die IT-Kosten sicher vernachlässigbar. Nichtsdestotrotz ist Digitalisierung nicht gratis. Das ist wichtig zu verstehen und es ist immer gut zu überlegen, wo ich wann welchen Nutzen schöpfe. Wir können für unsere Versicherten durch unsere Telemedizin beispielsweise die langen Wartezeiten in Praxen reduzieren. Oder Familien mit kleinen Kindern unter Umständen den Weg zum Kinderarzt oder zur Kinderärztin ersparen. Die Ärztinnen und Ärzte wiederum freuen sich über weniger überfüllte Praxen und weniger Patientinnen und Patienten mit einfachsten Themen, die sich auch aus der Ferne lösen lassen. So profitiert das ganze System, Kundinnen und Kunden, Leistungserbringende und Beitragszahlende. Und für uns lohnt sich das somit auch.

Wie stehen Sie zum Thema Künstliche Intelligenz (KI)? Werden Ihre Kunden bald auch durch Bots beraten? In anderen Branchen und Bereichen funktioniert das ja schon ganz gut.
Technologisch wäre heute bereits einiges möglich. Es gibt aber noch keine Produkte, die entsprechend zertifiziert sind und wir auf dem Schweizer Markt einsetzen könnten. Das ist gut so und auch völlig angemessen, dass wir hier langsamer vorgehen als andere Branchen oder Märkte wie beispielsweise die USA. Es geht hier schliesslich um unsere Gesundheit, unser wichtigstes Gut. Da gilt es, besondere Vorsicht walten zu lassen. Als Techniker begeistert es mich aber natürlich, wenn eine KI dabei helfen kann, gewisse Diagnosen zu ermöglichen oder treffendere Diagnosen durch die simultane Auswertung von Millionen Datensätzen gleichzeitig zu stellen. Im nicht-telemedizinischen Bereich beziehungsweise im medizinischen Vorortbetrieb sind entsprechende Lösungen ja schon in Erprobung, beispielsweise in der Krebs­erkennung. Wir fokussieren uns aktuell auf die Weiterentwicklung von Tyto Home, einem Telemedizingerät, das wir im Sommer 2021 lanciert haben. Damit bringen wir quasi das Stethoskop der Hausärztin oder des Hausarztes zu unseren Versicherten nach Hause und können aus der Ferne Herz- und Lungentöne abhören, in den Rachen und die Ohren filmen und vieles mehr.

Welchen Einfluss wird das Metaverse im Bereich Telemedizin spielen? Ich denke da an virtuelle Sprechzimmer und Gesundheitsberatungen ...
Als Gedankenexperiment kann ich mir das vorstellen. Es ist aber ein Henne-­Ei-Problem: Sind wir erst mit Angeboten im Metaverse und kommen dann die User oder warten wir, bis sie aufgrund anderer Anwendungen da sind und wir bewegen uns dann dorthin? Persönlich stehe ich dem Metaverse eher kritisch gegenüber. Viel los ist dort noch nicht, besonders wenn ich mir anschaue, wie viele User dort interagieren und mehr machen als sich nur etwas zu unterhalten. Zudem gibt es noch kein klar etabliertes Universum, in das man sich hineinbegeben müsste. Wir beobachten das Ganze aber sicherlich und sind sehr gespannt, wo die Reise hingeht.


Von der Zukunft zurück in die Gegenwart: Man konnte kürzlich lesen, dass Sie mit Azure Synapse Analytics und Power BI erste Schritte in die Cloud unternehmen. Die Cloud ist also auch bei Swica angekommen?
Das ist so. Wir glauben, dass die Weiterentwicklung von Software in Zukunft primär in der Cloud stattfinden wird und gewisse Programme und Funktionen vielleicht nur noch dort angeboten werden. Die noch On-Premises verfügbaren Tools und Lösungen hinken im Funktions­umfang heute bereits eher hinterher als Frontrunner zu sein. Man muss also irgendwann den Weg in die Cloud finden, insofern ist sie auch für uns ein Thema.

Die Migration in die Cloud wird aber also eher durch die Hersteller getrieben als durch Sie selbst?
Ja. Das ist ein allgemeiner Trend, dem wir uns als kleiner Schweizer Konzern nicht oder nur mit sehr grossem Aufwand verschliessen können.

Sicher spielt rund um das Thema Cloud in Ihrem Umfeld auch der Datenschutz eine grosse Rolle.
Wir sind im Gesundheitswesen tätig und besitzen damit sehr sensible Kundendaten. Natürlich sind diese Daten bei uns gut geschützt. In Bezug auf die Cloud ist der Datenschutz für uns aber aufgrund der damit einhergehenden Paradigmenwechsel eine Herausforderung. Ich bin mir sicher, dass wir eine Lösung finden werden, um trotzdem in grossem Ausmass von der Cloud profitieren zu können. Das muss aber alles wohlüberlegt angegangen werden.

Sie befinden sich also erst auf dem Weg in die Cloud. Dementsprechend besitzt und betreibt Swica heute noch eigene Rechenzentren?
Ja, wir arbeiten hier mit zwei Partnern zusammen. Zum einen haben wir den Betrieb unseres Kernsystems Adcubum Syrius, den wir in einem Joint Venture, der Firma Centris, in die Swiss-Health-Plattform ausgelagert haben. Dabei handelt es sich um eine bewährte Partnerschaft, die kürzlich bis 2030 verlängert wurde. Zum anderen haben wir einen Bereich, in dem es primär um interne Herausforderungen geht. Hier arbeiten wir mit dem Hosting-Partner Aveniq Avectris zusammen.


Wie viele Mitarbeitende arbeiten in Ihrer internen IT-Abteilung? Und wofür sind sie genau zuständig?
In der Informatik von Swica sind wir rund 90 Personen in fünf Abteilungen. Wir kümmern uns um das Business Application Management, die Infrastruktur- und Technologie-Entwicklung und um den Betrieb unserer Services. Inhaltlich gehören dazu beispielsweise das Workplace Engineering inklusive Security und unsere Hosting-Strategie sowie alles aus dem Bereich des IT Service Continuity Management (ITSCM), also vom Ticketing Management bis hin zum Operations Engineering. Natürlich haben wir unsere Fähigkeiten für Projektarbeit und Innovation ebenfalls zentral gebündelt.

Sie haben das Workplace Engineering angesprochen. Um wie viele Clients und Anwendungen kümmern Sie sich alles in allem?
Wir zählen aktuell etwas über 2000 Mitarbeitende. Hinzu kommen einige externe Kolleginnen und Kollegen, die uns unterstützen. Insgesamt sind es somit rund 2500 Clients. Bei den Anwendungen gibt es natürlich bei uns wie in jeder anderen Firma jede Menge Kleinstlösungen. Die kann man zwar kaum zählen, sie sind jedoch aus Security- oder Governance-Aspekten von grosser Bedeutung. Wenn wir die bei Seite lassen, kommen wir auf etwa 25 Applikationen einer mittleren bis grossen Relevanz. Dazu gehören beispielsweise unser Kernsystem Syrius, ein CRM, ­einige Offertensysteme und natürlich die ganze Microsoft-Palette mit Office. Hier sind wir noch mit der Version 2016 unterwegs und klären im Rahmen unserer Cloud-Initiative aktuell, wie der Weg zu Microsoft 365 aussehen könnte.

Sie verfügen über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Entwicklung digitaler Services und Systeme und bezeichnen sich selbst als passionierten Digitalisierer. Nun geht es aber gerade im Gesundheitswesen manchmal nicht ganz so schnell vorwärts – wie auch das Beispiel Microsoft 365 zeigt. Ist das nicht mühsam?
Ich finde herausfordernde Branchen sehr spannend und habe im Gesundheitswesen eine breite Spielwiese, auf der ich gestalten und tatsächlich etwas verändern und bewegen kann. Zudem ist Geschwindigkeit immer relativ. In unserem Fall geht es nicht in erster Linie darum, durch Digitalisierung rasch ein Sales-Volumen zu steigern oder die Entwicklung eines Produkts zu beschleunigen. Für uns stehen unsere Kundinnen und Kunden im Zentrum und wie wir ihnen durch digitale Mittel einen Mehrwert im Kontext ihrer Gesundheit bieten können. Eine zentrale Rolle spielt für mich also viel mehr, wie wir unsere bereits sehr hohe Kundenzufriedenheit auch in der digitalen Welt erhalten und steigern können.

Welche Rolle spielen Sie beziehungsweise die Informatikabteilung von Swica in Digitalisierungsprojekten überhaupt? Es geht hier ja längst nicht nur um technologische, sondern vor allem auch um organisatorische, prozessuale und kulturelle Themen.
Die Digitalisierung ist bei uns horizontal integriert. Das heisst, wir sind sehr nah an den jeweiligen Prozessen und Abteilungen und versuchen so gemeinsam eine maximale digitale Wirkung zu erzeugen. In unseren Fachabteilungen haben wir dementsprechend viele sehr digital affine Menschen, jedoch weniger ausgewiesene Technologieexpertinnen oder -experten. Hier findet der Schulterschluss mit der IT statt. Wir spielen also in jedem Digitalisierungsprojekt eine Rolle: zumindest die, eine Basis für entsprechende Projekte bereitzustellen und die Digitalisierung dort zu ermöglichen, wo sie gewünscht und wirksam ist.


Es gibt aber bestimmt auch von der IT selbst initiierte Digitalisierungsprojekte?
Die gibt es. Einerseits die Digitalisierung, wie wir sie alle am liebsten sehen, also wo wir Kundinnen und Kunden mit neuen digitalen Funktionen glücklich machen. Dazu gehören zum Beispiel unsere App-Landschaft oder die Integration der Tyto-Produkte in die Telemedizin. Daneben gibt es einen zweiten Teil der Digitalisierung, der mehr die Innensicht betrifft. Hier geht es um Prozesseffizienz, darum besser und schneller zu werden. In diesen Bereichen, also eher der automatisierenden Digitalisierung, kann es Impulse aus der Informatik geben, die zu einem Projekt führen. Diese Impulse setzen wir immer im Schulterschluss mit unseren Business-Kolleginnen und -Kollegen um. Ohne sie haben solche Projekte keinen Erfolg. Es gibt nichts Schlimmeres als eine Idee aus der Informatik, die durch die Informatik umgesetzt wird, auf die aber niemand gewartet hat. Auch wenn sie letztlich vielleicht sogar nützlich gewesen wäre, findet sie aus Unverständnis oder einer leichten Fehljustierung heraus keine Anwendung. Das ist verschwendetes Talent, das können und wollen wir uns heute nicht mehr leisten.

Gibt es ein aktuelles, durch die Informatik angestossenes, internes Digitalisierungsprojekt?
Ganz nach dem Motto «Zufriedene Mitarbeitende machen zufriedene Kundinnen und Kunden» analysieren wir momentan, wie wir unseren Service Desk verbessern können. Wir haben zunehmend Anfragen, die ein bisschen länger in der Bearbeitung stecken als gewünscht. Hier können wir uns zum Beispiel vorstellen, zukünftig einen moderneren Chat- oder Voice-Bot einzusetzen. Zudem befassen wir uns aktuell mit Automatisierungen rund um unsere Configuration Management Database (CMDB). Hier würden wir uns primär selbst helfen und von schnelleren und unkomplizierteren Abläufen profitieren.

Stichwort Service Desk: Sie haben die Informatik von der Pike auf gelernt, und Ihre Karriere im Service Desk gestartet. Helfen Sie heute manchmal selbst noch aus?
Nein, im Helpdesk bin ich heute nicht mehr anzutreffen, ich bin aber noch in der Rolle des Supporters unterwegs: Wann immer Kolleginnen oder Kollegen aus anderen Abteilungen oder der Geschäftsleitung ein IT-Problem haben und ich gerade im Raum bin, fragt man mich schon mal um Rat. Und das, obwohl ich aus unserem ganzen Team sehr wahrscheinlich die Person bin, die am schlechtesten Auskunft geben kann. IT-Organisationen sind Wissensorganisationen und es ist schlicht unmöglich, als einzelner über alle Bereiche aktuell Bescheid zu wissen. Also muss ich, wenn ich ad hoc keine Lösung parat habe, auch erst bei den Profis nachfragen. So dauert die Beantwortung durch mich typischerweise länger, als wenn man die Anfrage direkt im Service Desk positioniert hätte. Spass macht mir dieser Kontakt mit unseren Anwenderinnen und Anwendern aber immer noch.


Ihre Vergangenheit im Service Desk kommt Ihnen als CIO heute aber sicher zugute.
Ja, man bringt dadurch Verständnis dafür mit, mit welchen Herausforderungen Anwenderinnen und Anwender im Einsatz neuer Tools und Lösungen konfrontiert sind und wie sich das für sie anfühlt. Zudem weiss man auch, wie man als Mensch im Service Desk manchmal gefordert wird und wie hoch die Anspruchshaltung der Mitarbeitenden ist, die sich dort Rat holen. Der Service Desk ist vermutlich der menschlichste Ort in der Informatik.


Sie waren bisher nicht nur in diversen IT-Funktionen, sondern auch ganz verschiedenen Branchen tätig. Gibt es Erfahrungen aus Ihren früheren beruflichen Engagements, die sie ins Gesundheitswesen respektive konkret in Swica einbringen konnten?
In meiner ersten Karrierestation als Service-Desk-Mitarbeiter beim Spielehersteller Ravensburger konnte ich sehr viel über Anwenderinnen und Anwender und wie man ihre Zufriedenheit erhöhen kann, lernen. Aus der Industrie bei Siemens nehme ich mit, wie wirklich klassisches Engineering funktioniert. In der Energiebranche und im Energiehandel bei BKW ging es dann unter anderem um sehr schnelle Modelle und wie sie sich durch Digitalisierung beeinflussen lassen. Bei SBB Cargo, also in der Logistik, war die Frage, wie man ein komplexes System beziehungsweise Netzwerk optimiert, um die Landesversorgung sicherstellen zu können. Das lässt sich natürlich alles nicht 1:1 in eine Gesundheitsorganisation übertragen. Es hat jedoch eine gewisse Art zu Denken stimuliert und erlaubt mir heute in branchenübergreifenden Konzepten zu denken. Zudem versuche ich Dinge, die an einer anderen Stelle besonders gut funktioniert haben oder funktionieren, zu adaptieren.

Können Sie uns ein Beispiel geben?
Im Energiehandel und der Logistik waren eine 24x7-Fähigkeit und Systeme, die rund um die Uhr laufen, zentral. Nun bin ich in einem Unternehmen, wo wir typischerweise zu Bürozeiten arbeiten. Für eine sinnvolle Dimensionierung der IT in einem nicht 24x7-Betrieb konnte ich mich also ganz praktisch von früherem abgrenzen. Ich wusste, worauf wir ganz bewusst verzichten können.


Worauf Sie ganz bestimmt nicht verzichten können, sind gute Mitarbeitende. Nun herrscht hierzulande ein grosser Fachkräftemangel. Spüren Sie den auch in der IT bei Swica?
Swica ist zum Glück eine bekannte und positiv besetzte Marke und man kennt uns als Arbeitgeber, bei dem man sich entfalten kann. Das leben wir in der Informatik ganz besonders. Natürlich haben auch wir Herausforderungen bei gewissen Profilen: Dort wo der Markt recht ausgetrocknet ist und schlicht keine oder kaum mehr Talente vorhanden sind. Wir haben jedoch nicht nur glückliche Kundinnen und Kunden, sondern auch glückliche Mitarbeitende, insbesondere in der Informatik. Darum stösst man gerne zu uns und bleibt uns auch erhalten.

Wo suchen Sie momentan ganz besonders nach Fachkräften?
Wir haben aktuell grossen Bedarf in den Bereichen Business-Analyse und Engineering sowie rund um das Thema Cloud, also in den Bereichen Architektur sowie in strategischer Hinsicht. Wir haben aber auch Operations-Stellen offen und benötigen sehr spezifische Fähigkeiten, zum Beispiel, um unser Kernsystem zu parametrisieren. Und natürlich sind wir – wie beinahe alle Unternehmen – auf der Suche nach Security-Spezialistinnen und Spezialisten.

Wie steht es um die Ausbildung eigener, neuer ICT-Fachkräfte? Oder anders gefragt: Wie viele ICT-Lehrstellen bietet Swica an?
Das duale Ausbildungsmodell ist sehr wertvoll und in meinen Augen einer der grössten Erfolgsfaktoren für die Talent­entwicklung in der Schweiz. Selbstverständlich sind wir da als Informatik von Swica dabei. Es ist für uns eine ganz wichtige Quelle, um zukünftige Talente auszubilden und für uns gewinnen zu können – was uns meistens gelingt. Aktuell haben wir in den verschiedenen Abteilungen acht Lernende und bilden so knapp 10 Prozent der in der IT Festangestellten aus.


Zum Abschluss noch einmal eine persönliche Frage: Sie wurden im September von einer Fachjury zum Top-CIO des Jahres 2022 gewählt. Was bedeutete dieser Award für Sie?
Für mich persönlich war das natürlich eine schöne Auszeichnung. Viel wichtiger ist jedoch, was sie für mein Team bedeutet. Der Award wurde durch die Informatikerinnen und Informatiker von Swica ermöglicht. Sie arbeiten mit viel Herzblut und Leidenschaft jeden Tag daran, einen digitalen Beitrag für unser Gesundheitswesen zu leisten und unsere Kundinnen und Kunden glücklich zu machen. Der Award macht dies etwas sichtbar. Und für Swica zeigt die Auszeichnung, dass wir auf dem richtigen Weg sind, wie wir Informatik und Digitalisierung begreifen.

Fabian Ringwald

Fabian Ringwald (43) leitet als CIO seit Anfang Oktober 2020 das Departement IT bei Swica. Damit ist der studierte Informatiker, der zudem über einen MBA/EMBA sowie einen Micro Master in Supply Chain Management verfügt, auch Mitglied der Geschäftsleitung der Gesundheitsorganisation. Weitere Karrierestationen des Top-CIOs des Jahres 2022, dem ein agiles Mindset wichtig ist und der sich selbst als «passionierten Digitalisierer» beschreibt, waren unter anderen SBB Cargo, BKW, Siemens und der Spielehersteller Ravens­burger.

Zum Unternehmen

Swica mit Hauptsitz in Winterthur ist mit rund 1,5 Millionen Versicherten, 28`000 Unternehmenskunden sowie einem Prämienvolumen von 4,9 Milliarden Franken eine der grössten Kranken- und Unfallversicherungen der Schweiz. Dabei versteht sich Swica als Dienstleister bei allen Fragen zur Gesundheit – von der medizinischen Versorgung über die Begleitung erkrankter oder verunfallter Menschen bis hin zur Gesundheitsförderung in Betrieben. Dazu gehört unter anderem ein praxisbewilligtes telemedizinisches Angebot unter der Marke Santé24. (mv)


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