Unter der Last des New Normal im Arbeitsalltag – dem Pandemie-erzwungenen Home Office und den damit ungenutzten betrieblichen Büroflächen – beschäftigen sich Unternehmen mit der Frage, wie die neue Normalität sich letztlich einpendeln soll. Bleiben alle Arbeitsplätze bestehen, auch wenn sie nur einen oder zwei Tage pro Woche besetzt sind? Könnten mit neuen Workplace-Modellen nicht massiv Kosten eingespart werden? Und wollen meine Arbeitskräfte überhaupt noch ins Büro kommen, wenn der Sars-V2-Spuk endlich mal zu Ende ist?
Ein Trend, der schon länger Einzug hielt und mit der Pandemie eine neue Relevanz gefunden hat, ist der des flexiblen Arbeitsplatzes, auch Desk Sharing oder Dynamic Working genannt. Die Mitarbeiter haben also keinen fixen Arbeitsplatz mehr im Betrieb, sondern suchen sich diesen – im Prinzip jeden Tag von neuem – selbst aus. Technologisch wird dies meist umgesetzt, indem vom Unternehmen Schreibtische mit Bildschirmen, Eingabegeräten und Docking Stations gestellt werden. Die Mitarbeiter klicken nur noch ihren Laptop ins Dock und der Arbeitstag kann beginnen. Für die Mitarbeiter heisst das: Keine persönlichen Ferien- und Haustierfotos mehr an die Wand kleistern, keine physische Dokumentenablage mit den eigenen Notizen mehr auf dem Schreibtisch lagern, keine Kaffeetassen bis morgen früh stehen lassen. Für den Arbeitgeber heisst das vor allem: Büroflächen und damit Kosten sparen.
Auf diesen Seiten widmen wir uns einer der technologischen Herausforderungen dieses Szenarios, der Arbeitsplatzverwaltung.
Ti&m, ein Schweizer Spezialist für Digitalisierung und Softwareentwicklung, hat mit Ti&m Places eine Teams-App lanciert, die den Prozess der Arbeitsplatzreservation benutzerfreundlich abbilden soll. «Swiss IT Magazine» hat sich die Lösung im eigenen Büro eingerichtet und selbst getestet.
Bei der Konfiguration lassen sich beliebig viele Büros, Stöcke und Arbeitsbereiche einrichten. (Quelle: Ti&m)
In der Listenansicht sieht man übersichtlich, wer am ausgewählten Tag welchen Platz reserviert hat. (Quelle: Ti&m)
Die Ansicht als Büroplan erlaubt es beim Reservieren zu sehen, welche Plätze im Raum am ausgewählten Tag belegt sind. (Quelle: Ti&m)
Installation
Ti&m Places ist als vollständig in Microsoft Teams integrierte App konzipiert. Das Produkt soll es Benutzern ermöglichen, sich mit nur zwei Klicks einen Tages-Arbeitsplatz im Büro zu buchen. Gleichwohl will
Ti&m Places auch für die Admins zugänglich sein – als reine SaaS-Lösung sollen die Kunden die App selbst im Store finden und ganz ohne Hilfe einrichten können.
Tatsächlich ist die Installation grösstenteils ein Kinderspiel: Im integrierten App-Store von Teams ist Ti&m Places sofort zu finden, mit einem Klick kann es Teams hinzugefügt werden, was eine zweimonatige Testphase einläutet, in der die Nutzung kostenlos ist. Im Anschluss werden pro Monat und Nutzer dann 2.50 Franken fällig. Die einzige Voraussetzung für die Einrichtung sind Admin-Rechte für den betreffenden Unternehmens-Account von Microsoft 365. Nutzer können die App ebenfalls selbst manuell aus dem Store beziehen, alternativ kann sie aber auch von Admin-Seite her in wenigen Minuten für die ganze Unternehmensumgebung freigegeben und installiert werden. Die Lizenzen werden den Nutzern dabei aus einem zentralen Lizenzpool automatisch zugeteilt.
Auch die Einrichtung der Büroräumlichkeiten findet gänzlich in Teams selbst statt. Das Unternehmen wird dabei in verschiedene Ebenen unterteilt: Es gibt (gegebenenfalls mehrere) Bürogebäude, darin gibt es Stöcke, in den Stöcken dann Spaces (Bereiche) und darin schlussendlich die Arbeitsplätze. All das wird über eine nutzerfreundliche und einfach zu bedienende Oberfläche eingerichtet. Wer sich hier vom Setup Wizard und seiner eigenen Intuition leiten lässt, sollte die Einrichtung problemlos schaffen, ohne Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Im Test hat das soweit einwandfrei funktioniert. Als einzige minimale Hürde sei hier die Verknüpfung mit Azure-Active- Directory-Gruppen (AAD Groups) aufgeführt, mit denen die Rechte für Admins und Location Admins (letztere können nur die Konfigurationen der Räumlichkeiten ändern) geregelt werden. Wer selbst AAD-Zugang oder einen kompetenten Kontakt im IT-Engineering hat, sollte aber auch hier keine Probleme vorfinden – es müssen lediglich zwei neue AAD-Gruppen erstellt, diese in Places validiert und die Admins in AAD den Gruppen zugeteilt werden.
Die ganze Einrichtung ist wie erwähnt sehr intuitiv gehalten. So lassen sich beim Setup für die Stockwerke etwa Pläne des Büros als Bilddatei importieren, was die Definition der Spaces greifbar und einfach macht. Innerhalb der Spaces wiederum können mit einzelnen Klicks dann Arbeitsplätze geschaffen werden und wenn man auf eine Arbeitsplatz-Bubble klickt, gelangt man zum Inventar-Management der Arbeitsstation, wo das am Platz verfügbare Equipment aufgeführt werden kann.
Bei der visuellen Gestaltung der Stockwerkpläne gibt es gar etwas kreativen Spielraum: Mit einem hübsch gestalteten Plan aus der Grafikabteilung statt den Architekturplänen sieht die Oberfläche gleich nochmal etwas besser aus, was die Nutzerschaft weiter erfreuen wird.
Hoher UI-Standard
Und wenn wir schon bei der Nutzerzufriedenheit sind, muss eines in aller Deutlichkeit gesagt werden: Man sieht und spürt, wie viel Arbeit und Hirnschmalz ins UI-Design und die Zugänglichkeit der Lösung gesteckt wurden. So gut wie jeder Button ist dort, wo man ihn erwartet, die spürbar durchdachte Benutzeroberfläche muss sich vor nichts verstecken. Unser Test bestätigt das auch in der Praxis: Als die Arbeitskollegen mit wenigen Handlungsanweisungen gebeten wurden, die Lösung kurz zu installieren und Arbeitsplätze zu buchen, fanden diese sich in wenigen Sekunden bestens eigenständig zurecht.
Einzig wenn ein Kollege mit ungünstigem Timing eine Teams-Nachricht schreibt oder ein Anruf reinkommt und man vor dem Speichern zurück in die Teams-Chats wechselt, geht der jüngste Einrichtung- oder Reservationsfortschritt verloren. Aber da kann der Hersteller kaum etwas dafür, das ist wohl eher der Architektur von Teams selbst geschuldet.
Auf Anfrage bestätigt
Ti&m denn auch, dass in Sachen UI-Design sehr viel Aufwand betrieben wurde und man gewisse Features zur Verbesserung des Nutzererlebnisses durchaus mehrfach gebaut hatte. Wir finden: Korrekt priorisiert, die Benutzeroberfläche von Ti&m Places ist State of the Art.
Nutzung
In der App kann man sich als Nutzer mit wenigen Klicks – je nach Auslegung sind es wohl etwas mehr als zwei, aber wer zählt schon genau mit – seinen Platz im Office reservieren. Dabei hat man die Wahl zwischen einer Kalender-Ansicht oder dem oben beschriebenen Office-Plan mit den eingezeichneten Plätzen. Kleiner Minuspunkt: Man sieht im Plan auf Anhieb nicht, wer auf einem besetzten Platz sitzt und damit auch nicht, neben wen man sich setzt. Diese Info kann man sich aber problemlos mithilfe der Listen-Ansicht holen, wo der Arbeitsplatz zusammen mit dem Namen des Buchenden aufgeführt wird.
Den schnellsten Zugang zur Buchung gibt’s über das Dashboard, das neben dem Button für die rasche Reservation noch Vorschläge für beliebte Plätze liefert und die eigenen Buchungen sowie die als Favoriten definierten Arbeitsplätze auflistet. Wenn man übrigens an einem Tag, an dem man bereits einen Platz gebucht hat, einen neuen Platz reservieren will, weist der Speichern-Button darauf hin, dass man im gleichen Zug den alten Platz automatisch storniert – ein tolles Beispiel für die oben erwähnte sehr gelungene Umsetzung von Prozessdetails ohne eine Fehlermeldung oder einen weiteren Klick.
Viel mehr gibt es zur Nutzung nicht zu sagen, das Produkt hält, was es verspricht. Was aber nicht heisst, dass wir nicht auch das eine oder andere vermisst haben.
Fehlt da nicht…?
Unser Hochloben der Einfachheit von
Ti&m Places ist natürlich auch dem überschaubaren Funktionsumfang der Lösung geschuldet, keine Frage. Denn mehr als Plätze für ganze Tage buchen kann die Lösung heute noch nicht. Und hier geraten wir gewissermassen ins Dilemma: Wollen wir nun mehr Funktionen, dafür aber auch mehr Komplexität? Es ist ein Messertanz.
Was wir uns mit Sicherheit wünschen, ist die Möglichkeit, Arbeitsplätze für einzelne Stunden statt nur volle Tage reservieren zu können. Neben mehr Flexibilität könnte man mit Places so auch gleich das Management von Meetingräumen und Phone Booths lösen. Auf Anfrage bestätigt Ti&m denn auch, dass dieses Feature weit oben auf der Roadmap steht und bald verfügbar sein soll.
Ebenfalls in der Pipeline sind die Filterung von Arbeitsplätzen nach Kriterien (z.B. Ausstattung), Buchungsoptionen für Gäste, Points of Interests auf der Office-Karte (z.B. Wasserspender, Aufzüge oder Drucker) und die Buchung von Parkplätzen. Kleiner Pro-Tipp am Rande: Wer ein reines Parkplatz-Reservations-Management sucht, ist mit der heutigen Form von Ti&m Places bereits bestens bedient – statt einem Stockwerkplan einfach einen Google Maps Screenshot des Firmenparkplatzes verwenden. Weitere Punkte auf der Roadmap von Ti&m sind mehr Inclusion-Features für Menschen mit Beeinträchtigungen und die Möglichkeit, variable Namen für die heute noch fix definierten AAD-Gruppen zu vergeben.
Eine genaue Roadmap gibt der Hersteller nicht frei, man priorisiere anhand der Nachfrage, mit den meisten genannten Features müsste aber noch 2022 zu rechnen sein. Spätestens 2023 will Ti&m dann auch ein Partnerprogramm hochziehen, womit das Produkt über Händler bezogen und betreut werden könnte. Als mehrfacher Microsoft Gold-Partner stehen die Entwickler übrigens im direkten Kontakt zu den Teams-Verantwortlichen bei Microsoft.
Verfügbarkeit
Ti&m Places ist seit September 2021 im Teams-Store verfügbar und kostet wie bereits erwähnt 2.50 Franken pro Nutzer und Monat, ab 1000 Usern werden Rabatte gewährt. Die Kosten erscheinen uns recht fair, auch wenn es wohl Szenarien gibt, in denen das Preismodell für den Kunden suboptimal ist. Beispielsweise wenn der grösste Teil der Belegschaft in kleinen Pensen arbeitet, trotzdem einzelne Lizenzen braucht und damit der Preis pro Vollzeitstelle in die Höhe schiesst. Da es sich hier ja genau um eines der Produkte handelt, die auf das New Normal – das flexiblere Arbeiten mit unterschiedlichen Modellen – zugeschnitten ist, fühlt sich das Kostenmodell daher noch nicht ganz ausgereift an.
Neu gibt es
Ti&m Places neben Englisch auch in Deutsch und vier weiteren Sprachen (Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch). Damit plant Ti&m nun auch einen grossen Vorstoss in den internationalen Markt. Denn zum jetzigen Zeitpunkt sei man als vollständig in Teams integrierte Lösung zur Arbeitsplatzbuchung international noch immer konkurrenzlos. Einzelne Kunden im Ausland sind bereits auf die Lösung aufmerksam geworden und nutzen das Produkt eigenständig, in der Schweiz zähle man bisher noch die meisten Kunden, darunter auch Swisscom mit mehr als 10ʼ000 Nutzern.
Fazit
Aufgrund des klar abgesteckten Aufgabenbereichs und der enorm sauberen Umsetzung von
Ti&m Places bekommt die Lösung von uns eine Spitzenbewertung. Das Produkt hat definitiv das Potenzial, über die nächsten Jahre den Quasi-Standard für das Arbeitsplatz-Management in Microsoft Teams zu setzen und international Erfolge zu feiern. Ob es seine bestechende Simplizität mit dem Hinzukommen neuer Features wahren kann, bleibt abzuwarten.
Positiv+ ausgezeichnetes UI-Design
+ vollständige Teams-Integration
+ schnelle Einrichtung und gute Admin-Funktionen
Negativ- (noch) sehr kleiner Funktionsumfang
- Preismodell je nach Einsatzszenario suboptimal
Hersteller/AnbieterTi&mPreis2.50 Franken pro Nutzer und Monat
WertungFunktionalität 5,5 von 6 Sternen
Bedienung 6 von 6 Sternen
Preis/Leistung 5 von 6 Sternen
Gesamt 5,5 von 6 Sternen
(win)