Unerwartete Kosten einer Cloud-Migration

Bei Cloud-Strategien liegen die Tücken im Detail: Die Abrechnungsmodalitäten von Cloud-Providern und technische Fallstricke der eigenen IT-Infrastrukturen können Kostenvorteile schnell zunichtemachen. Wie man sich gegen böse Überraschungen wappnen kann.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2021/11

     

Mit den laufenden Digitalisierungsmassnahmen haben Unternehmen bereits ein gutes Bewusstsein dafür entwickelt, dass sich die IT-Budgetplanungen und -Kostenstrukturen mit Cloud-Umgebungen erheblich verändern. Doch es lauern kritische Kostenfallen, die im komplexen Projektmanagement einer Cloud-Migration schnell übersehen werden können. Ein Thema, das Unternehmen auch im Cloud-Betrieb begleitet, wie eine aktuelle Studie von Harvard Business Review zeigt. Denn demnach ist zwar der Mehrwert, der aus dem Einsatz von Technologie resultiert, von höchster Bedeutung bei Budgetplanungen. Allerdings vertrauen nur 62 Prozent den dazu verfügbaren Informationen. Die Hälfte der Befragten gibt an, dass sie den durch Technologie-Investi­tionen generierten Mehrwert nur ad hoc (31%) oder gar nicht (20%) messen, 16 Prozent tun dies nur zu bestimmten Projektmeilensteinen. Es gibt gleich mehrere Bereiche, welche die Budgets einer Cloud-­Migration sprengen können und die es deshalb im Auge zu behalten gilt.

On-Premises-Verbindlichkeiten

Bei der taktischen Planung, wann welche Workloads in die Cloud migriert werden sollen, stehen häufig geschäftsstrategische Kriterien im Vordergrund. Dabei werden allzu oft bestehende, dezentral verwaltete vertragliche Verpflichtungen übersehen, die mit dem bestehenden Rechenzentrum verbunden sind. Dies beginnt bei Mietverträgen und laufenden Abschreibungen der Hardware sowie deren Wartungs- und Support-Verträgen, zu nennen sind zudem auch Aufwände in den Bereichen Asset Management, Administration und Audits.


Wichtig ist daher, vorab anhand der Laufzeiten die Gesamtkosten solcher On-Premises-Verträge zu klären, die ­parallel zum Cloud-Betrieb auflaufen. Dies erst ermöglicht eine realistische Kosten-Nutzen-Rechnung mit den nötigen Eckdaten, um ein kosteneffizientes Timing der Migration in die Cloud zu planen sowie zu entscheiden, in welchen Schritten beziehungsweise in welcher Reihenfolge die Umstellung erfolgen sollte.

Fähigkeit zum aktiven Multi-Cloud-Management

Die meisten Public-Cloud-Anbieter ­können aus einer Hand alle gängigen Cloud-­Anforderungen erfüllen. Im Detail betrachtet variieren die Kosten und Leistungen allerdings, zudem sollte die Ab­hängigkeit von nur einem Provider für eine ausgewogene Risikostreuung vermieden werden. Hinzu kommt, dass Multi-­Cloud die Datensicherheit für Unternehmen unterstützt, indem Daten mit spezifischen Techniken codiert und über verschiedene Clouds verteilt werden. Dies bietet einen höheren Schutz vor ­Hackerangriffen und Datenverlusten.


So sind Unternehmen – gewollt oder nicht – mit den Anforderungen eines aktiven Multi-Cloud-Managements konfrontiert. Wer darauf technisch und organisatorisch mit entsprechenden Lösungen, Experten und Prozessen vorbereitet ist, vermeidet Kostenfallen – etwa durch Workload-Analysen für bessere Prognosen, Rightsizing und die Optimierung von Kosten, die aktive Nutzung der Elastizität von Cloud-Kapazitäten für Lastspitzen oder durch Monitoring, das ungenutzte Services oder Anomalien im Verbrauch identifiziert.

Abrechnungsvarianten von Cloud-Anbietern

Bei der Kostenschätzung und Budget­planung für Cloud-Dienste ist es wesentlich, zu verstehen, wie einzelne Cloud-­Anbieter die Nutzung ihrer Ressourcen messen und nach welchen Kriterien abgerechnet wird – dies reicht von stundenweiser Abrechnung der Nutzung einzelner Instanzen über Kosten nach Datenmenge bis hin zum ausgehenden Datenverkehr in Gigabyte pro Monat mit unterschiedlichen Commitments.


Das heisst, Unternehmen sollten einen möglichst detaillierten Einblick haben, welche Cloud-Kapazitäten in welchen Qualitäten sie über welche Zeiträume in den verschiedenen Phasen der Cloud-­Migration benötigen, um die optimale Kombination an Cloud Services beziehungsweise -Skalierung bei unterschiedlichen Anbietern zu beauftragen.

Von App-Performance bis Skalierung

Die Architektur und Performance von Anwendungen, was etwa den Bedarf an Arbeitsspeicher oder die Menge der Transaktionsdaten betrifft, spielt mit der zumeist grosszügig dimensionierten Hardware in Rechenzentren kaum eine Rolle. Im Cloud-Betrieb kann das allerdings überraschend deutlich die Kosten in die Höhe treiben.

In Multi-Cloud-Umgebungen ist es ein oft unterschätzter Kostenfaktor, wenn durch Skalierung Anwendungen über Cloud-Grenzen hinweg Datenverkehr erzeugen. Viele Cloud-Provider berechnen nach ein- und ausgehendem Traffic. Hier ist es wichtig, dass die Kostenstrukturen bekannt sind und die Anwendungen nach Lastspitzen automatisiert wieder zurück skalieren. Ähnliches gilt für Cloud-Speicher und andere Ressourcen, die beispielsweise DevOps-Teams in Projekten beanspruchen. Bei der Cloud-Migration und im Betrieb ist daher von Beginn an eine verursachergerechte Kostenanalyse hilfreich, um schnell und gezielt steuernd eingreifen zu können.

Von Lift & Shift bis zu Altsystemen

Von den vielen möglichen teuren Plan­änderungen bei Cloud-Migrationen sind zwei besonders hervorzuheben, die im Vorfeld durch genaue Prüfung vermieden werden können: Dies betrifft zunächst den beliebten «Lift & Shift»-Ansatz, bei dem schnell und ohne Anpassungen Anwendungen und Daten in die Cloud verschoben werden und selbst die einzelnen Cloud Services nicht auf die tatsächliche Nutzung dimensioniert wurden. Dieser vermeintlich günstige Weg kann eine unerwartete Kostenexplosion nach sich ziehen: Wenn erst im Nachhinein festgestellt wird, dass die Kosten der Public-Cloud-Infrastruktur deutlich teurer sind als die Rechenzentrums-Ko­sten und letztlich doch Architektur-Anpassungen für die Cloud erforderlich sind, verbunden mit erheblichem Projektierungsaufwand.


Ein weiterer Kostenfaktor kann durch Altsysteme beziehungsweise Legacy Systems entstehen, die aus technischen Gründen nicht einfach migriert werden können, aber mit ihren Daten – zumeist aus rechtlichen Gründen – weiter vorgehalten werden müssen. Die Folge: On-Premises-Ressourcen können nicht im geplanten Mass abgeschaltet werden und belasten weiterhin die IT-Budgets des Unternehmens.

Exit-Strategie für On-Premises – Redundanzen begrenzen

In der Übergangsphase sind redundante Kapazitäten in der Cloud und im Rechenzentrum unabdingbar. Diese Phase sollte mit einem konsequenten Monitoring der Workloads und Analysen des tatsächlichen Bedarfs in Korrelation zu den Kosten und deren Variablen bei dem Cloud-­Anbieter oder den Cloud-Anbietern verbunden sein. Neben der technischen Qualität stellt dieses Vorgehen sicher, dass Entscheidungen, wann welche Rechenzentrumskapazitäten abgeschaltet werden – oder eben nicht –, rasch und konsequent getroffen werden können. Ansonsten droht die Gefahr, dass teure Redundanzen unnötig lange weitergeführt werden.

Kompliziertes Wechselspiel

Die Umsetzung von Cloud-Strategien ist verbunden mit einem komplexen Wechselspiel zwischen Verbrauch und Kosten, das geprägt ist von unterschiedlichen technischen und wirtschaftlichen Variablen, die sich dynamisch verändern. Es braucht daher eine zeitnahe Verknüpfung zwischen IT- und Finanz-Monitoring mit Prozessen und Systemen, die gleichzeitig zu einer Cloud-Migration implementiert werden sollten. Dies mag für manche Unternehmen zunächst ungewohnt sein, aber es hilft nachhaltig, den optimalen wirtschaftlichen Mehrwert aus Cloud-Ini­tiativen zu realisieren.

Der Autor

Thomas Köppner ist bei Apptio als Solution Consultant für die Themen Agile, DevOps, Cloud und IT ­Financial Management unterwegs. Er ist nicht nur auf grossen Bühnen, Messen und Kongressen (im letzten Jahr eher in Web­inaren) zu finden, er dreht auch informative Videos rund um verschiedene IT-Themen in seinem Home-Studio. Er arbeitet seit 20 Jahren in der IT bei grossen Unternehmen wie Compuware und Hewlett Packard. Hier hat er Erfahrung im Bereich Agile und DevOps, ­Application Lifecylce Management, Quality Management und Portfolio Management ­gesammelt.


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