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Business-Coaching: Weniger reparieren, mehr tunen

Das Coaching entwickelt sich zurzeit von einem reinen Personalentwicklungs- hin zu einem Organisationsentwicklungsinstrument – auch weil die Unternehmen die Vorzüge der digitalen Technik beim Gestalten von Coachingprozessen für sich entdecken.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2021/07

     

Wenn Mitarbeiter im Arbeitsalltag mehr Eigeninitiative und -verantwortung zeigen sollen, dann müssen sie auch individueller gefördert werden. Dieses Bewusstsein hat sich in den Unternehmen zunehmend entwickelt. Das zeigt unter anderem die Ende 2020 erstellte Studie «Bedeutung und Organisation des Business-Coaching», für die 187 Personalverantwortliche in Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern und 413 potenzielle Coachees befragt wurden.


Die Befragung ergab unter anderem, dass Coaching inzwischen ein fester Bestandteil der Personalentwicklung in den Unternehmen ist. So betonten zum Beispiel 75 Prozent der Personalverantwortlichen beziehungsweise -entwickler, das Coaching habe in ihrer Organisation einen hohen Stellenwert und geniesse eine hohe Akzeptanz. In über 60 Prozent der Unternehmen wurde zum Befragungszeitraum (Oktober 2020) das Coaching aber noch rein als individuelle Entwicklungsmassnahme genutzt und in nur 34 Prozent auch oder primär als Organisationsentwicklungsinstrument.

Team- und Projekt-Coaching gewinnen an Bedeutung

Dementsprechend handelt es sich bei den Coachings auch noch weitgehend um Einzel-Coachings, die sich zudem meist auf die Führungskräfte fokussieren. Eher selten finden in den Unternehmen hingegen noch Team- und Projekt-Coachings statt. Diese Tools befinden sich zwar in 47 Prozent der Unternehmen sozusagen im Werkzeugkasten der Personalentwicklung. Faktisch werden sie aber in 87 Prozent von ihnen «selten» oder «sehr selten» durchgeführt. Zugleich zeigt sich aber das Gros der befragten Personalverantwortlichen überzeugt: Die Bedeutung des Team-Coachings (81%) und des Projekt-Coachings (59%) wird in unserer Organisation steigen.


Mit der Dominanz der Einzel-Coachings korrespondiert, dass fast zwei Drittel der befragten Personalverantwortlichen betonen: Aktuell sind in unserer Organisation Entwicklungs- und Fördermassnahmen der typische Coaching-Anlass und die Coachings sind oft Folgemassnahmen von Feedback- oder Zielvereinbarungsgesprächen mit Mitarbeitern. Zudem werden sie häufig in Konflikt­situationen (20%) oder bei akuten Problemen durchgeführt (18%).

Business-Themen gewinnen an Relevanz

Damit korrespondieren auch die Top-Coaching-Themen. Sie sind aus Entscheidersicht: «Mitarbeiterführung» (75%), «Konfliktmanagement» (63%) und «Resilienz, Stressresistenz, Umgang mit belastenden Situationen» (53%).

Zugleich sieht das Gros der befragten Personalverantwortlichen aber einen steigenden Bedarf an Coachings, die einen glasklaren Bezug zum Business aufweisen – so zum Beispiel zu den Themen «Optimierung der Geschäftsprozesse», «Projektmanagement» sowie «Kooperation/Zusammenarbeit».


Das bedeutet, dass das Coaching insbesondere von den Personalverantwortlichen in den Unternehmen zunehmend ausser als Personal- auch als Organisationsentwicklungsinstrument gesehen wird, wenn es darum geht, herausfordernde Ziele im Unternehmen zu erreichen. Oder anders, bildhaft formuliert: Das Coaching wird nicht mehr als reines Reparatur-Instrument zum Beheben personaler und organisationaler Probleme gesehen, sondern auch als Tuning-Instrument, um die Performance der Organisation zu steigern. Darauf deutet auch die Tatsache hin, dass in einer Folgebefragung im Frühjahr 2021 64 Prozent der Entscheider betonten, sie seien in ihrer Organisation gerade dabei, die Infrastruktur auf- beziehungsweise auszubauen, um das Coaching mit Hilfe solcher digitaler Tools wie zum Beispiel einer Lernplattform zu unterstützen. Das heisst, die Coachings sind in ihrer Organisation bereits in komplexere PE- und OE-Prozesse eingebunden, die es gezielt zu planen, zu managen und zu steuern beziehungsweise zu evaluieren gilt.

Telefon- und Online-Coaching werden Standard-Tools

Bei diesen Prozessen ist eine gezielte Steuerung auch nötig, weil im zurückliegenden Jahr Corona-bedingt in der Personal- und Organisationsentwicklung neben dem Online-Training auch das Online-Coaching an Bedeutung gewann. So fällt zum Beispiel auf, dass im Befragungszeitraum für die Studie (Oktober 2020) nur 63 Prozent der befragten Entscheider betonten, diese Coaching-Form werde in ihrer Organisation aktiv genutzt; bei der Folgebefragung im März 2021 betrug deren Anteil bereits 81 Prozent. Ähnlich verhält es sich bezogen auf das Telefon-Coaching. Auch dieses entwickelt sich zu einem Standardtool, das nicht nur beim Konzipieren von Coaching-, sondern auch Personalentwicklungsprozessen immer häufiger Berücksichtigung findet.


Das heisst: Die Unternehmen haben erkannt, dass das Online- und Telefon-Coaching durchaus auch Vorzüge hat. So lassen sich zum Beispiel mit Hilfe dieser Tools auch Mitarbeiter im Home Office leicht coachen. Zudem lassen sich mit ihnen, wenn’s brennt, oft zeitnäher Coaching-Termine vereinbaren, als wenn der Coach und der oder die Coachees ein persönliches Treffen vereinbaren müssen. Deshalb haben insbesondere die Coaching-Prozesse, die ein Bestandteil grösserer Change-Projekte in den Unternehmen sind, zunehmend einen hybriden Charakter. Das heisst, die Coachings erfolgen – situations-, bedarfs- und teilnehmerabhängig – mal in persönlichen Treffen, mal telefonisch, mal online.

Noch werden Coaching-Prozesse selten evaluiert

Dadurch werden die Coaching-Massnahmen in den Unternehmen jedoch auch komplexer; insbesondere dann, wenn sie im Rahmen grösserer Personal- und ­Organisationsentwicklungsprojekte erfolgen. Erfreulich ist denn auch, dass fast 60 Prozent der Entscheider betonen, in ihrem Unternehmen gebe es einen standardisierten Prozess für das Planen und Durchführen von Coaching-Massnahmen. Auffallend ist jedoch auch: Weit weniger als die Hälfte der Personalentwickler geben zu Protokoll, in ihrem Unternehmen würden die Coachings evaluiert (42%). Dies deutet darauf hin, dass Coaching inzwischen zwar häufig bereits als ein zentraler Baustein einer strategischen Personal- und Organisa­tionsentwicklung gesehen wird, aber in den Unternehmen noch häufig die Infrastruktur fehlt, um das Coaching so zu nutzen, dass es diese Funktion erfüllt. Diese gilt es aufzubauen beziehungsweise zu entwickeln.

Hybriden Coaching- und Entwicklungskonzepte

Zusammenfassend lässt sich sagen: Coaching wird von den Unternehmen zunehmend auch als ein Instrument zur Organisationsentwicklung verstanden. Deshalb wird es verstärkt ausser zum Beheben personaler Defizite auch zum Erreichen strategischer organisationaler (Entwicklungs-)Ziele genutzt. Damit einher geht eine inhaltliche Akzentverschiebung von eher soften Themen wie Kommunikation und Selbstmanagement hin zu Themen mit einem klaren Business-Bezug wie Projektarbeit, Prozessmanagement, Strategieumsetzung und Kulturveränderung. In diesem Zusammenhang gewinnen auch das Team- und das Projekt-Coaching an Bedeutung. Zudem rücken aufgrund der aktuellen New-Work-Debatte solche Themen wie Zusammenarbeit und Kooperation, Arbeits- und Selbstorganisation stärker in den Fokus.


In diesem Kontext entdecken viele Unternehmen für sich auch immer die Möglichkeiten, die ihnen die moderne Informations- und Kommunikationstechnik im Personalentwicklungsbereich bietet. Entsprechend boomen seit dem Ausbruch der Coronapandemie zum Beispiel das Telefon- und Online-Coaching, die zuvor eher noch ein Schattendasein fristeten. Sie sind zunehmend ein organischer Bestandteil aller modernen hybriden Personalentwicklungskonzepte, die versuchen, sowohl die Vorzüge des Präsenz-Lernens als auch des Online-Lernens für das Erreichen der Unternehmensziele zu nutzen.

Die Autoren

Sabine und Hans-Peter Machwürth sind die Geschäftsführer der international agierenden Unternehmensberatung Machwürth Team International (MTI), Visselhövede, die unter anderem die digitale Plattform MTI Coaching Pro zum Planen, Durchführen und Evaluieren von Coaching-Prozessen entwickelt hat. www.mticonsultancy.com


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