Start-up Myfeld: Gärtnern geht auch via Internet
Quelle: Myfeld

Start-up Myfeld: Gärtnern geht auch via Internet

Myfeld verbindet die digitale mit der analogen Welt und vermietet Teile von Feldern, die man bepflanzen lassen kann. Kunden können ihrem Gemüse so bequem vom Sofa aus beim Wachsen zusehen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2021/07

     

Das eigene Gemüse schmeckt am besten, findet Myfeld, ein Aargauer Start-up aus Meisterschwanden. Deshalb vermietet das Jungunternehmen seit Frühling 2021 Teile von Feldern, die man bepflanzen lassen kann. Nutzer können dabei zwischen 30 verschiedenen Gemüse-, Kräuter- und Früchtesorten auswählen und sie auf 16 Quadratmetern via Online-Tool bepflanzen lassen. Die Auswahl wird dann auf dem realen Feld gesät und später geerntet. Das Zielpublikum seien Personen ohne Garten, so CEO und Gründer Raphaell Schär im Interview.


«Myfeld.ch ist der erste Schweizer Online-Garten», erklärt Schär. «Auf der Webseite kann man sich quasi einen Garten kaufen.» Nach dem Kauf gelangt man auf einen Online-Konfigurator. In diesem kann man sich dann seinen Online-Garten bestücken. Nachdem das Feld spielerisch über den Konfigurator bestückt wurde, wird es in Zusammenarbeit mit Bauern umgesetzt und sobald das Gemüse, die Früchte oder die Kräuter reif sind, erhält der Kunde seine Produkte alle zwei Wochen per Post nach Hause gesendet. «In der Zwischenzeit kann er seinem Gemüse per Webcam beim Wachsen zuschauen», so Schär weiter.

Entstehung und Konzeption

Die Idee ist angelehnt an ein ähnliches Konzept in Österreich (Myacker.com). «Auch in der Namensfindung haben uns unsere Nachbarn inspiriert», so der CEO. Von der Idee bis zum fertigen Produkt hat es aber etwas gedauert: «Die Idee habe ich im TV gesehen – eine Reportage über Myacker in Österreich.» Da­raufhin wollte Schär sich seinen eigenen Garten mieten, konnte aber in der Schweiz nichts finden.

«Somit habe ich mich an das Konzept gesetzt. Ich schrieb einen Business Plan und überlegte mir, was ich alles dazu brauche», erklärt der heutige CEO. «Glücklicherweise ist es nicht das erste Start-up, das ich gründe, und ich wusste somit, auf was ich achten muss. Ich habe dann zuerst einen guten Freund kontaktiert.» Der Freund, ein gebürtiger Holländer, kennt sich ein wenig auf dem Feld aus. Gemeinsamen skizzierten die beiden daraufhin die Prozesse detaillierter. «Nun fehlte noch jemand für die administrativen Prozesse», so Schär weiter. «Somit habe ich meine Geschäftspartnerin Sarah mit ins Feld geholt. Mit Sarah zusammen habe ich bereits das Start-up Just a Box gegründet, welches sie seit anderthalb Jahren führt.» Zuletzt fehlte dann noch die technische Umsetzung. Mit der Agentur Olai Interactive arbeitet Schär bereits seit einigen Jahren in Projekten zusammen – so wurde das Team komplett.


«Danach starteten wir mit der Entwicklung aller Prozesse und Technologien. Das war Ende Frühling 2020. Ich machte mich ausserdem auf die Suche nach potenziellen Partnern respektive Bauern», erklärt Raphaell Schär. «Ich führte bestimmt an die 50 Gespräche, bis ich unsere heimische Landwirtschaft einigermassen verstanden haben. Mir wurde schnell klar, dass unsere Bauern leider nicht sehr flexibel sind mit neuen Ideen in der Landwirtschaft. Nicht weil sie es nicht möchten, sondern eher, weil sie von Amtes wegen eingeschränkt sind.»

Das komplizierte Konstrukt mit Direktzahlungen, unter welche das Start-up mit seiner Idee nicht fällt, hinderte einige Bauern an der Zusammenarbeit, wie Schär erklärt. «Obwohl sie es wollen würden, könnten sie auf der Fläche, die sie uns anbieten, nicht auf die Direktzahlungen verzichten. Da stiess ich schon einmal zu Beginn auf grosse Fragezeichen.» Aktuell arbeitet das Start-up mit drei Bauern zusammen. «Unser Hauptbauer ist Marcel Villiger in Fenkrieden im Kanton Aargau. Dies ist auch unser Hauptstandort.»

Das führte auch, so Schär, zu einer gewissen Enttäuschung, dass kantonale Ämter das Unternehmen ablehnten, obwohl man die heimische Landwirtschaft unterstützen möchte. «Myfeld entspricht halt nicht der Norm, wie auch unsere Rüebli nicht», bringt es Schär auf den Punkt. «Unser Konzept wurde als Hobby-­Gärtnerei abgestempelt.» Doch Schär fand doch noch Bauern, die dem Start-up Flächen zur Verfügung stellen konnten. «Wir gehen nun so weit, dass wir die Kompensation der Direktzahlungen übernehmen und den Bauern dafür entschädigen. Zudem bezahlen wir mehr als ein Grossist für einen Anbauauftrag.»

Am 1. November 2020 ging das Unternehmen schliesslich mit der Webseite ­www.myfeld.ch live. «Wir haben ein bisschen Werbung auf Google und den Sozialen Medien geschaltet und eigenhändig über 10‛000 Flyer in grösseren Städten verteilt. Schnell durften wir feststellen, dass unser Angebot auf eine gute Nachfrage stösst. Dies war für uns dann auch der Proof of Concept», erinnert sich Schär an den Beginn seines Unternehmens.

Vom Garten zum eigenen Hof

Myfeld.ch richtet sich grundsätzlich an jede und jeden, betont der Gründer: «Unsere Hauptzielgruppe haben wir zu Beginn aber als städtisch definiert.» Also etwa Personen, die in einer Stadtwohnung leben und keine Möglichkeit für einen eigenen Garten haben. Jedoch habe sich rasch herausgestellt, dass man mit Myfeld.ch ein breites Publikum anspreche: «Ob Stadt oder Land, von Chur bis Genf.»

Heute bietet das Start-up lediglich die Möglichkeit zu einem eigenen Garten an. «In Zukunft ist geplant, dass wir unser Konzept mit einem eigenen Huhn, einer eigenen Kuh für Milch und Fleisch und weitere Produkte vom Bauernhof erweitern. Zudem schaffen wir an unserem Hauptstandort in Fenkrieden, Aargau, einen Erlebnisbauernhof mit Gastronomie», so Schär. Felder finden sich neben Fenkrieden auch in den Kantonen Solothurn und Schwyz.


Myfeld.ch setzt dabei grundsätzlich auf ein Subscription-Modell. Nutzer bezahlen monatlich 55 Franken – entweder per Rechnung oder online direkt per Kreditkarte. «Das sind 13 Franken pro Woche. Die Felder brauchen Unterhalt, wir fahren nicht mit Traktoren, sondern säen und pflücken das Gemüse von Hand. Dafür geben die Leute gerne etwas mehr aus als für Massenprodukte aus dem Supermarkt», ist Raphaell Schär überzeugt.

Gärtnern vom Sofa aus

Das Team besteht heute neben Schär und Sarah von Aesch, die das Amt des COO inne hat, aus vier weiteren Mitarbeitenden. Zuerst gelernter Koch, studierte Schär danach Softwareentwicklung mit Fokus auf Java und absolvierte Weiterbildung in den Bereichen Management und Verkaufspsychologie. Von 2009 bis 2012 war er zudem als Hotelier tätig und führte einen eigenen Betrieb. Zudem war er zwischen 2012 und 2014 am Aufbau von Moneyhouse beteiligt, danach durchlief er verschiedene Stationen bei Schuler Weine und Manor. Bis 2020 war Schär dann als globaler Marketingleiter des Tabakkonzerns Villiger tätig.

Der Einstieg in den Markt gelang dem Unternehmen sehr gut, wie Schär sagt. «Das Produkt wurde am Markt sehr gut aufgenommen. Wir konnten bereits in den ersten Monaten eine grosse Medienpräsenz erreichen. Ich würde behaupten, dass die Pandemie uns diesbezüglich unterstützt hat. Das Bewusstsein zur Nachhaltigkeit und Regionalität wurde gestärkt.» Ein wichtiger Meilenstein war dabei sicher das Going Live der Website mit dem Konfigurator. «Der Konfigurator enthält ausgeklügelte Formeln. Grundsätzlich ist er in 16 einzelne Quadratmeter unterteilt», erklärt Schär. Wählt der Kunde zum Beispiel ein Gemüse aus, weiss der Konfigurator, dass dieses Gemüse automatisch zwei Quadratmeter benötigt. Er weiss auch, welche Gemüse sich nebeneinander vertragen und welche nicht. Zudem ist der Konfigurator verbunden mit einer Feldsoftware. Diese wird auf dem Feld verwendet und regelt die Bepflanzung der Felder respektive Gärten. «Unsere Feldarbeiter können sich in dieses System einloggen, sehen beispielsweise, was Kunde 265 gepflanzt hat, und setzen dieses Feld 1:1 um», verrät Schär. «Zudem sendet uns die Feldsoftware Notifikationen, etwa dass zum Beispiel auf Feld Nr. 265 die Rüebli reif sein sollten.» Ein automatisches Bewässerungssystem mit Bodensensoren bewässert derweil die Felder. Und wenn ein Gemüse reif ist, wird über die Software automatisch via Schnittstelle zur Post ein Paket ausgelöst. Ein weiterer wichtiger Entwickungsschritt war gemäss Schär die Akzeptanz des Proof of Concept: «Wir konnten bereits innerhalb von zwei Monaten über 100 Felder verkaufen. Das war ein wichtiger Milestone und der Beweis, dass dieses Geschäftsmodell am Markt angenommen wird.»


Aktuell steht bei Myfeld eine Serie-A-Finanzierungsrunde an, sprich man ist auf der Suche nach Investoren. «Anhand der aktuellen Zahlen ist der Break-­Even bereits auf nächstes Jahr realistisch», so Raphaell Schär abschliessend. (swe)


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