Digitales On- und Offboarding

Durch die Digitalisierung von On- und Offboarding gestalten Unternehmen einen effizienten und wertschätzenden Ein- und Austrittsprozess. Denn es zählt nicht nur der erste Eindruck, sondern auch der letzte.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2021/06

     

Der Ein- und Austritt von Mitarbeitenden gehört für jedes Unternehmen zur Normalität, aber auch die damit verbundenen Prozesse? In der Theorie vielleicht, die Praxis sieht jedoch oftmals anders aus. Dabei bedeuten ein nicht optimal gestaltetes On- und Offboarding zwangsläufig negative Konsequenzen, die sich Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels nicht leisten können. Es ist also unerlässlich, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Die Coronapandemie leistet ihr Übriges und verlangt – im Idealfall – digitale Prozesse, um On- und Offboarding auch in Zeiten von Remote Working optimal zu gestalten.

Effizientes Onboarding

War der Bewerbungsprozess erfolgreich und ist der Arbeitsvertrag erst einmal unterschrieben, beginnt die eigentliche Arbeit – und das nicht nur für den neuen Mitarbeitenden. Onboarding gehört zu den entscheidenden Schritten, um Talente dauerhaft an das Unternehmen zu binden. So ergab eine Studie des Marketing-Unternehmens Aberdeen Group, dass sich 90 Prozent aller neu eingestellten Mitarbeitenden innerhalb der ersten sechs Monate entscheiden, ob sie dauerhaft im Unternehmen bleiben möchten.

Gerade für junge Arbeitnehmer ist ein effizientes Onboarding ausschlaggebend. Sie erwarten eine klare Einführung in ihre Aufgaben sowie in die Unternehmenswerte und -ziele. Sie möchten möglichst schnell ihren Platz im Team und im Unternehmen finden und verstehen, worin der Sinn und Zweck ihrer Arbeit liegt. Auch mit Blick auf die sogenannte Vollbeschäftigung ist ein umfassendes Onboarding essenziell: Jeder Mitarbeitende, der beschliesst, das Unternehmen schnellstmöglich zu verlassen, kostet Know-how, Zeit und Geld. So werden die Kosten für den Verlust eines Mitarbeiternden im ersten Jahr auf mindestens die dreifache Höhe seines Gehalts geschätzt. Durch eine optimale Einarbeitung verkürzt sich jedoch die Durchschnittszeit, die neue Mitarbeitende benötigen, um ihr optimales Produktivitätslevel – kurz OPL – zu erreichen.


Wer sich also von Anfang an willkommen und gut aufgehoben fühlt, arbeitet nicht nur motivierter und produktiver, sondern wird seinem Arbeitgeber zudem langfristig die Treue halten. Doch wie sieht ein effizientes Onboarding aus – vor allem in der aktuellen Situation? Aufgrund der verschiedenen Coronamassnahmen sind viele Bu¨ros nahezu vollständig verwaist, was für neue Mitarbeitende automatisch eine teilweise oder komplett digitalisierte Einarbeitung bedeutet. Mit den folgenden vier Etappen lassen sich neue Mitarbeitende optimal begleiten und unterstützen:

1. Preboarding
Unter Preboarding versteht man alle Prozesse und Aktivitäten, die sich noch vor dem ersten Arbeitstag abspielen. Das können praktische Informationen zur Unternehmensstruktur sein, aber auch Einladungen zu Willkommens- oder Afterwork-Videokonferenzen und zu digitalen Events. Unternehmens-Goodies, die mit einer netten Nachricht des zukünftigen Teams nach Hause geschickt werden, sorgen bei neuen Mitarbeitenden bereits im Vorfeld für ein Zugehörigkeitsgefühl – selbst im Home Office.

2. Der erste Arbeitstag
Ohne Ausrüstung kein erster Arbeitstag: Auch im Home Office müssen Firmen-­Notebook samt VPN-Zugang, Smartphone und Co. fertig eingerichtet sein und vor allem rechtzeitig eintreffen – ebenso wie wichtige Unternehmensrichtlinien. Dazu zählen gerade aktuell Vorgaben, wann und in welchen Räumen das Tragen eines Mund-Nasenschutzes verpflichtend ist, oder Regelungen zum Home Office. Der Umgang mit Unternehmens- und Kundendaten im Rahmen der DSGVO sollte ebenfalls dazugehören. Damit sich der neue Kollege nicht alleingelassen fühlt, empfiehlt sich am ersten Tag ein Meeting mit der Führungskraft, die ausserdem immer per E-Mail oder Chat erreichbar sein sollte. Auch ein virtuelles Kaffeetrinken mit dem Team unterstützt den neuen Kollegen dabei, sich besser einzuleben.

Ein Tipp: Selbst wenn das Onboarding zu 100 Prozent digital erfolgt, sollte, sobald es die Umstände zulassen, ein physisches Treffen fest eingeplant sein. Es ist fu¨r neue Mitarbeitende beruhigend zu wissen, dass ein persönlicher Austausch vorgesehen ist.

3. Nach einer Woche/einem Monat
Hier ist sowohl eine formelle als auch eine informelle Kommunikation entscheidend. Auf der einen Seite ist es wichtig, messbare Ziele und Fristen zu setzen, die eine strukturierte Einarbeitung und Bewältigung der ersten Aufgaben ermöglichen. Andererseits spielt der informelle Austausch – gerade aus der Ferne – eine wichtige Rolle. Dazu zählen Fragen, wie die Einarbeitung und die Integration bisher klappen, das Eingehen auf Probleme oder eine Unterhaltung über private Belange. Jede Art der Kommunikation und des Feedbacks ist willkommen.

4. Nach 90 Tagen
Nach diesem Zeitraum ist es notwendig, eine erste Bilanz zu ziehen. Wie ist das Onboarding bisher verlaufen? Wie geht es dem Mitarbeitenden, gibt es Fragen oder Probleme? Auch Feedback zum Onboarding-Prozess an sich ist sinnvoll. Denn: Ein kontinuierliches Optimieren des Prozesses nützt künftigen Neuankömmlingen und der Arbeitgebermarke. Die Zukunft des Mitarbeitenden im Unternehmen sowie seine Ziele und Erwartungen sind ebenfalls relevant, ebenso wie Schulungen und Weiterbildungen, um diese Ziele zu erreichen.

Offboarding – essenziell, jedoch häufig unterschätzt

Kündigungen – egal, ob durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer – gehören zum Arbeitsalltag dazu und sind nicht immer schön. Arbeitgeber sollten jedoch beachten, dass das Offboarding genauso wichtig ist wie das Onboarding neuer Mitarbeitenden. Gerade bei sehr emotionalen Kündigungsprozessen gilt es, alles daran zu setzen, dass die betroffenen Mitarbeitenden nach wie vor in alle Arbeits- und Kommunikationsprozesse eingebunden werden und sich nicht mit Misstrauen oder Vorwürfen konfrontiert sehen.

Ohne ein bewusstes Offboarding verspielen Unternehmen nicht nur die Möglichkeit, aus dem künftigen Ex-Mitarbeitenden einen positiven Multiplikator zu machen, sondern sehen sich zudem mit einem grossen Risikofaktor für das Employer Branding, das Recruiting und das Betriebsklima konfrontiert. Denn wer das Unternehmen frustriert verlässt, macht sich seinem Ärger eher auf verschiedenen Bewertungsplattformen Luft, als seinen ehemaligen Arbeitgeber weiterzuempfehlen. Auch eine potenzielle Rückkehr in das Unternehmen hat sich so erledigt.


Ein ideales Offboarding berücksichtigt deshalb zwei Aspekte. Zum einen muss das technische Ausscheiden aus dem Unternehmen, dem Team und dem eigenen Aufgabenbereich reibungslos vonstatten gehen. Das beinhaltet das Schliessen von Zugängen zu verschiedenen Accounts, die Rückgabe von technischem Equipment oder die Aktualisierung von Organigrammen. Know-how bleibt erhalten, indem der Mitarbeitende seinen Nachfolger selbst einlernt oder seinen Aufgabenbereich umfassend dokumentiert.

Der zweite und zugegeben schwierigere Teil liegt auf der sozialen beziehungsweise emotionalen Ebene. Hier sind Wertschätzung, Fairness, Offenheit und Transparenz ausschlaggebend, um mögliche Konflikte zu verhindern. An dieser Stelle ist es besonders wichtig, die Kündigung rechtzeitig im Unternehmen zu kommunizieren, um dem Flurfunk vorzubeugen. Auch das Austrittsgespräch ist ein essenzielles Instrument. Je nachdem, ob die Kündigung vom Unternehmen oder dem Mitarbeitenden selbst ausgesprochen wurde, bietet das Gespräch die Möglichkeit, Hintergründe zu klären, Fragen zu beantworten und wichtiges Feedback zum Arbeitsverhältnis einzuholen. Für den Arbeitgeber eine Chance auf Verbesserungen im Bereich Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung.

Ein wohlwollenes Zeugnis sowie das Angebot, künftig als Referenz zur Verfügung zu stehen, gehören zum professionellen Umgang ebenfalls dazu. So bleiben Unternehmen als fair in Erinnerung. Dazu kommt, dass eine offene und ehrliche Kommunikation, die Unterstützung und Wertschätzung gegenüber dem Mitarbeitenden anderen Kollegen ebenfalls nicht verborgen bleibt und so die Arbeitgebermarke gestärkt wird.

Digitalisierung von On- und Offboarding

Generell gilt: Die Ausstattung des Mitarbeitenden mit Laptop, Smartphone, Software-Lizenzen und Zugangsdaten für diverse Accounts betreffen On- und Offboarding gleichermassen. Selbiges gilt für Feedback-Gespräche mit Führungskräften oder der Personalabteilung. Daher sollten Unternehmen Onboarding und Offboarding nicht getrennt voneinander sehen – selbst wenn diese mehrere Jahre auseinanderliegen können. Eine automatisierte Integrations-HR-­Software ermöglicht eine deutliche Zeitersparnis bei repetitiven Verwaltungsaufgaben und das schon bei der Personalbeschaffung. So lassen sich Stellenbeschreibungen generieren und auf entsprechenden Plattformen veröffentlichen, Bewerbungen verwalten oder Vorstellungsgespräche planen. Auf diese Weise entsteht eine völlig neue Dynamik in der Zusammenarbeit zwischen Recruitern und Managern. Digitale Lösungen sind ausserdem in der Lage, Onboarding-Programme individuell an jeden neuen Mitarbeitenden anzupassen und gewährleisten so Schritt für Schritt das Eingewöhnen. Dazu gehören etwa ein Stundenplan für die ersten Arbeitstage, E-Learning-Module oder der Zugriff auf kontextbasierte News und HR-Informationen. Auch das Offboarding sollte weitestgehend digitalisiert werden, damit mehr Zeit für die wertschätzende persönliche Begleitung bleibt. Viele Gegenstände müssen zurückgegeben und Zugänge gelöscht werden. Meist sind verschiedene Ansprechpartner und Abteilungen daran beteiligt, die mit einem digitalisierten Prozess systematisch beauftragt oder erinnert werden können. So behalten Personaler stets im Blick, welche Prozessschritte anstehen, welche Aufgaben bereits erledigt wurden und wie die Terminlage ist. Eine gute Software stellt den Mitarbeitenden, die sich im Einarbeitungs- oder Trennungsprozess befinden, zudem Informationen via Self-Services zur Verfügung.

On- und Offboarding ernst nehmen

Die Risiken eines fehlenden On- und Offboarding-Prozesses sind gross. Sie reichen von Unsicherheiten, Fehlern und mangelnder Effizienz, frühzeitigen Kündigungen von neuen Mitarbeitenden bis zu Datenschutzpannen, Know-how-Verlust und Schäden für die Arbeitgebermarke. Deshalb sollten Unternehmen die Integration und das Ausscheiden ihrer Mitarbeitenden gleichermassen ernst nehmen und klare Prozesse aufstellen. Denn es gilt: Der erste und der letzte Eindruck zählen.

Der Autor

Elton Schwerzel, Managing Director DACH bei Talentsoft, blickt auf mehr als 20 Jahre Berufserfahrung im Software-Sektor, unter anderem in Management-Positionen bei SAP, Opentext und Workday, zurück. Der ausgebildete Fachinformatiker und Betriebswirt leitet das Talentsoft-DACH-Team von Köln aus und verantwortet die strategische Entwicklung innovativer Software-Lösungen.


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