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Das überfällige Upgrade der Telefonspinne
Quelle: Kandao, Owl Labs

Kandao ­Meeting 360° Pro & Meeting Owl Pro USB 360°

Das überfällige Upgrade der Telefonspinne

Wenn mehrere Personen im gleichen Raum an einem Video-Call teilnehmen, wird der Platz rasch knapp. Die zwei Konferenz-Call-Kamerasysteme Kandao Meeting 360° Pro (Bild links) und Meeting Owl Pro USB 360° (rechts) im Vergleich.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2021/05

     

Die Tage der berühmten Telefonspinne – diesem dreibeinigen Monstrum in der Tischmitte, in dessen Richtung im Rahmen von Konferenz-Calls gesprochen, aber auch oft genug gerufen (respektive geschrien) wird – sind gezählt. Erstens ist das laute Diskutieren im selben Raum derzeit weder erlaubt noch besonders beliebt und zweitens telefonieren die Leute immer weniger und treffen sich stattdessen in Video-Calls per Teams, Zoom oder ­Webex. In Calls mit mehreren Teilnehmern in einem Raum wird daher gerne eine Webcam an den grossen Meeting-Bildschirm montiert. Während die Pandemie ein temporäres Problem ist, wird uns der Trend zu Video-Calls voraussichtlich erhalten bleiben, denn ein Call ist eben doch deutlich günstiger als eine Delegation an Managern für ein Meeting über den grossen Teich zu fliegen.


Für uns Grund genug, die moderne Version der Telefonspinne, nämlich 360-Grad-Videokonferenzsysteme mit Kamera, Mikrofonen und Lautsprechern, unter die Lupe zu nehmen.

Rundum-Sicht auf Konferenzen

Schauen wir uns die beiden heutigen Kandidaten genauer an: Die unauffällige Kandao Meeting Pro des chinesischen Herstellers Kandao sowie die durchaus auffällige Meeting Owl Pro des US-Herstellers Owl Labs.

Die beiden Geräte erledigen grundsätzlich dieselbe Aufgabe: Einen durchgehender 360-Grad-Panoramablick auf den gesamten Raum ohne Blindpunkt sowie mehrere auf alle Seiten ausgerichtete Mikrofone und Lautsprecher. Weiter sind beide Gerätschaften mit einer Auto­fokus-Funktion ausgestattet, die einen Sprecher fokussiert und scharfstellt. Während die Anforderungen an die beiden Geräte nicht ähnlicher sein könnten, könnten die Unterschiede aber kaum grösser sein.


Und hier gleich der erste Unterschied, den man beim Lesen getrost im Hinterkopf behalten kann: Während die Kandao Meeting Pro im Fachhandel für rund 850 Franken den Besitzer wechselt, kostet die Meeting Owl stattliche 1330 Franken. Wir werden noch herausfinden, ob dieser Unterschied gerechtfertigt ist.

Unser Test-Setup besteht aus zwei Personen im Konferenzraum mit den 360-Grad-Systemen und einem Full-HD-Screen, am anderen Ende der Leitung sitzt ein Gesprächspartner, der per Microsoft Teams kontaktiert wird.

Testgeräte
Die Testgeräte wurde uns freundlicherweise von Brack.ch zur Verfügung gestellt.

Auf die Plätze, ausgepackt

Beide Geräte fühlen sich einwandfrei und wertig an und werden mit den nötigen Kabeln und Quick Start Guides ausgeliefert. Das Kandao-System kommt zusätzlich mit einer Fernbedienung, einer Gummi-Kappe für den Schutz der Kamera sowie einem Stoffbeutel zur Aufbewahrung daher und schneidet damit in der Kategorie Lieferumfang einen Hauch besser ab.

Bei der Meeting Owl finden sich neben dem (etwas veralteten) Micro-USB-Port für die Verbindung zum Rechner lediglich ein Stecker für die Energieversorgung an den Aussenseiten. Das Konkurrenzprodukt wartet neben dem USB-C-Stromstecker mit einem Fächer an Anschlüssen auf: HDMI, Ethernet, USB-C Out (Screen) und USB-A (Maus und Keyboard). Weiter gibt es einen Micro-SD-Slot für das Speichern von Aufnahmen. Gemein ist beiden Geräten das ¼-Zoll-Gewinde für die Montage auf einem Stativ.


Die beiden Systeme unterscheiden sich nur leicht in der Grösse und nehmen auf dem Tisch etwa den Platz einer 1-Liter-Flasche in Anspruch. Äusserlich sind sie dennoch sehr verschieden: Die Kandao Meeting Pro kommt in elegantem Metallic-Grau daher und verfügt über zwei Kameras, die gegenüberliegend angeordnet sind. Das Design ist strikt und aufgeräumt. Die Meeting Owl Pro hingegen hat nur eine Kamera oben und ist deutlich spielerischer gestaltet: Das hellgraue Äussere aus Kunststoff und Textilien und die auffälligen Eulenaugen, die hinter der Stoffummantelung leuchten, machen das Gerät zu einem Hingucker. Was aber natürlich nur gut ist, wenn man diese Art von Humor respektive das verspielte Design auch mag.

Einrichtung: Kandao Meeting Pro

Die wahren Differenzen in der Konzeption der beiden Geräte lassen sich bei den Anschlüssen vermuten und werden spätestens beim Einrichten mehr als deutlich. Die Kandao Meeting Pro basiert auf der Idee, dass man für ein Meeting-System, abgesehen von einem Bildschirm oder Beamer, keine weitere Hardware benötigt, während die Meeting Owl eher als klassische Webcam mit einigen Spezialfunktionen zu sehen ist.


Da die Kandao Meeting Pro für den Einsatz ohne PC gedacht ist, kommt eine abgespeckte Android-10-Version zum Einsatz, mit der das Gerät gesteuert wird. Somit reicht es, eine HDMI-Verbindung zu einem Screen herzustellen und die Einrichtung geht sofort los. Falls der Screen die native 1080p-Auflösung, die vom Gerät kommt, nicht schlucken sollte, gibt es eine Tastenkombination am Gerät, um auf 720p umzustellen, was einwandfrei funktioniert. Etwas Kritik gibt’s für die Notwendigkeit zweier aufeinanderfolgender Firmware Updates, was nicht mehr ganz dem gewohnten Komfort gängiger Patch-Gepflogenheiten entspricht. Dafür ist der Rest der Einrichtung umso einfacher. Auf der vom Smartphone gewohnten Android-Oberfläche kann das Gerät mit einem WLAN verbunden, aufdatiert und mit der gewünschten Software ausgestattet werden. Verfügbar sind im App Store neben den Android-Versionen von Skype, Teams, Slack, Zoom und Webex noch einige hierzulande unbekanntere chinesische Lösungen. Damit ist die Kandao Meeting Pro bereit für den Einsatz. Als Kritikpunkt muss an dieser Stelle die etwas mühselige Bedienung mit der Fernbedienung genannt werden. Man merkt, dass das OS eigentlich für die Touch-Eingabe konzipiert wurde.

Einrichtung: Meeting Owl Pro

Ganz anders sieht das Setup bei der Meeting Owl Pro aus. Wird diese erstmals an den Strom angeschlossen, begrüsst ein Eule-Gurren aus dem Speaker den Nutzer und fordert diesen auf, die zugehörige App für Android oder iOS herunterzuladen. Diese verlangt neben dem Aktivieren der Standortfunktionen zum Finden der Meeting Owl eine Online-Anmeldung ebendieser (und nein, ich möchte künftig wirklich keine Produkte-News erhalten). Die App ermöglicht es, der Owl einen Namen zu geben und sie mit einem WLAN-Netzwerk zu verbinden. Daraufhin muss das Gerät nur noch per Kabel an einen PC angeschlossen werden und wird regulär als Webcam, Mikrofon und Speaker erkannt. Was erst im Laufe der Einrichtung ersichtlich wird: Weder App noch Anmeldung sind wirklich erforderlich – wie jede andere Webcam funktioniert die Meeting Owl als ganz normale Plug-and-Play-Webcam, die nach dem Einstöpseln am Rechner sofort einsatzbereit ist. Damit ist auch die Meeting Owl ebenfalls sehr schnell eingerichtet, auch wenn der vom Setup Guide forcierte Umweg über die App offen gestanden recht unnötig ist. Denn abgesehen von der Tatsache, dass man als Besitzer mehrerer Owls mit der App seinen Eulen-Schwarm (die Benutzeroberfläche ist mit Vogel-Witzen gespickt) überblicken kann, bietet diese so gut wie keine Funktionalität. Wir empfehlen an dieser Stelle den Einsatz der Meeting Owl ohne die Newsletter-Anmeldung bei Owl Labs und dem überflüssigen GPS-Einsatz.

Praktischer Präsentationsmodus

Wir erproben den Anruf zuerst mit der Kandao Meeting Pro über die Teams-App auf der Android-Oberfläche. Auffällig ist dabei vor allem ein nicht zu übersehender Blaustich der Kamera, die abgesehen davon aber gut funktioniert und ein passables Webcam-Bild generiert. Die Tonqualität aus dem Lautsprecher ist in Ordnung, nur da und dort nehmen wir ein leichtes Scheppern wahr. Und auch unser Gesprächspartner gibt den Kandao-Mikrofonen die Note gut. Die Autofokus-Funktion, die den aktuellen Sprecher ins Zentrum des Bildes rücken soll, funktioniert ebenfalls zuverlässig, hat aber ein bis zwei Sekunden, bis der Wechsel zum Sprecher vollzogen ist. Gut gelöst ist der Mode-Knopf, der an der Kamera wie auch auf der Fernbedienung zu finden ist und mit dem zwischen verschiedenen Modi für die Darstellung des ausgegebenen Bildes gewechselt werden kann. Von einem Präsentationsmodus mit einem einzigen Bild bis hin zur Darstellung des Raumpanoramas mit zusätzlichen Bildbereichen für verschiedene Teilnehmer sind unterschiedliche Layouts möglich. Weiter wären mit der Kandao Meeting Pro auch Aufnahmen möglich, was uns aufgrund der Tatsache, dass dies so gut wie jede Konferenz­lösung ebenfalls anbietet und man dort keine SD-Karte dafür braucht, aber recht unnütz erscheint.

Guter Sound und Eulen-Logos

Den Call mit der Meeting Owl Pro starten wir hingegen wie gewohnt auf unserem Rechner und definieren in den Hardware-Einstellungen die Meeting Owl als Kamera, Mikrofon und Lautsprecher. Während die Tonqualität auf unserer Seite des Calls spürbar stieg, stellte unser Test-Gesprächspartner sowohl eine schwächere Ton- wie auch Bildqualität fest. Die Unterschiede sind definitiv zu verkraften, die Meeting Owl macht ihre Sache nicht schlecht, bleibt damit in Sachen Mikrofon- und Kameraqualität aber leicht hinter der Kandao Meeting Pro. Fast gleiches gilt für die Autofokus-Funktion, die zwar ebenfalls einwandfrei funktioniert, aber nochmal knapp eine Sekunde langsamer reagiert als bei der Konkurrenz. Wie bereits angemerkt, kann die Owl-App auf dem Smartphone so gut wie nichts, hat aber eine Zusatzfunktion für den Praxiseinsatz: Die Kamera kann damit fixiert oder manuell bewegt werden. Im Test haben wir dafür kein Szenario gefunden, in dem das nötig gewesen wäre, aber es ist schon denkbar, dass einem der Autofokus unter gewissen Lichtbedingungen mal einen Streich spielt. Und spätestens dann könnte man diese Funktion (und damit letztlich auch die App) doch noch lieben lernen. Gestört hat uns an der Nutzererfahrung mit der Owl aber besonders eines: Es gibt keine verschiedenen Layouts für die Darstellung, das ausgegebene Bild besteht immer aus einem Panoramastreifen am oberen Bildrand und einem dynamischen Bildbereich, der einen bis zwei Sprecher anzeigt. Ausserdem ist da ein nicht zu übersehendes und nicht entfernenbares Eulen-Logo im Bild, was wir als etwas aufdringlich empfinden und das uns an die angebliche Notwendigkeit der Owl-App erinnert.


Wichtiger Punkt aus aktuellem Anlass: Beide Kameras, beziehungsweise deren Autofokus-Funktionen, funktionieren auch mit Gesichtsmaske.

Der Wahrheit in die Glubschaugen schauen

Keine Frage – beide getesteten Systeme sind um Meilen bessere Lösungen als die bisher an der Wand über dem Grossfernseher installierte Webcam gepaart mit einer Telefonspinne. Aber besonders folgende drei Punkte führen bei uns zu einer deutlichen Entscheidung:

Erstens, die Stand-alone-Lösung mit eigenem OS ohne die Notwendigkeit eines Rechners ist im Vergleich zu einer Spezial-Webcam durchaus elegant. Damit ist ein Konferenzzimmer mit einem Screen oder Beamer und einer Kandao-360-Kamera schon bereit für professionelle Gruppen-Calls. Zweitens schneidet die Kandao-Lösung gegenüber der Meeting Owl in Sachen Ton- und Bildqualität einen Hauch besser ab. Drittens – und hier wird die Luft für die Eule schliesslich richtig dünn – kostet die Lösung mit den Glubschaugen knapp 500 Franken mehr, was in unseren Augen nicht mehr wegzudiskutieren ist. «Jöh»-Effekt hin oder her, die Kandao Meeting Pro ist unser Vergleichstestsieger. (win)


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