Die Herausforderung
Die
BKW Gruppe hat sich von der Energieversorgerin zur Energie- und Infrastrukturdienstleisterin gewandelt. Entsprechend hat die Gruppe strategisch vorausschauend in neue, energienahe Geschäftsfelder investiert und bietet heute integrierte Lösungen in den Bereichen Gebäude, Infrastruktur und Energie an. Ihr Portfolio reicht von der Planung und Beratung für Energie-, Infrastruktur- und Umweltprojekte über integrierte Angebote in der Gebäudetechnik bis zum Bau und Unterhalt von Energie-, Telekom-, Verkehrs- und Wassernetzen.
Zur Unterstützung dieser Transformation wurde entschieden, die bestehende, aber in die Jahre gekommene SAP-Landschaft fit zu machen. Diese Absicht wurde mit der Einführung von S/4 HANA umgesetzt. Michel Frey, damals noch Leiter SAPCC Projects bei der BKW und heute Leiter Business-Prozess-Unterstützung, erinnert sich: «Die BKW folgte bei der Konzipierung einem Greenfield-Ansatz. Der Anspruch war, sämtliche branchenunabhängigen Businessprozesse zu standardisieren und sie zugleich zu modernisieren, damit sie auf der neuen Plattform transparenter, effizienter und zukunftsfähiger sind.» Konsequent wurde ein Standardansatz verfolgt. Die Motivation dahinter: den Unterhalt tief halten und weitere Digitalisierungsschritte rasch auf einem stabil funktionierenden System umsetzen zu können. Seither nutzt die BKW
SAP 4/HANA On-Premise sowohl für Finanzen, Beschaffung, Vertrieb, Personal, Logistik oder Anlageninstandhaltung als auch für weitere zentrale und übergreifende operative Prozesse und das Reporting.
Die Lösung
Aufgrund der steigenden Komplexität im Betrieb der SAP-Infrastruktur und der daraus resultierenden zunehmenden quantitativen und qualitativen Anforderungen an die Basis-Spezialisten entschied die
BKW im Mai 2019, den SAP-Basisbetrieb auszulagern. Frey: «Spezialisierte Service Provider können den Betrieb solcher Infrastrukturen professionell und effizienter anbieten.» Der grösste Vorteil aus seiner Sicht: «Ein Service Provider kann besser skalieren und aus diesen Skaleneffekten Kostenvorteile erzielen, die inhouse kaum möglich wären. Zudem können wir uns nun besser auf das Applikationsmanagement und gemeinsam mit dem Business auf Innovationsprojekte konzentrieren.»
Die Auswahl
Auf der Longlist figurierten sieben einschlägige Provider, wobei die
BKW sowohl grösseren als auch kleineren Anbietern verschiedener Provenienz eine Chance gab. Die Eckpunkte waren klar: In Lösungsworkshops sollen Herangehensweise und konkrete Lösungsansätze für das technische Setup in Bezug auf Betrieb, Netzanbindung und Schnittstellen präsentiert werden. Grossen Wert legte BKW auf den menschlichen Faktor. Michel Frey hält dies bei einem First Generation Outsourcing für zwingend: «Mit dem SAP-Basisbetrieb übergeben wir ein zentrales Element für den Betrieb unserer Unternehmensprozesse in fremde Hände. Mit der Auswahl der eingeladenen potenziellen Partner stellen wir sicher, dass uns hohe Technologiekompetenz am Tisch gegenübersitzt. Damit das Projekt und der spätere Betrieb zum Erfolg werden, muss die Zusammenarbeit auch menschlich passen.» Daher war die Präsenz des gesamten Projektteams vom Projektmanager bis zum Solution Architect an der Präsentation ausdrücklich erwünscht. Das im zweiten Schritt einzureichende Angebot musste neben dem Vorschlag zum Solution Design für Systemarchitektur und Technologie auch das Transitions- und Transformationsvorgehen sowie das Service-Level- und Qualitätsmanagement im Detail erläutern. Wesentlichen Fokus legte die BKW auf das zum Zuge kommende Zusammenarbeitsmodell und darauf, wie der Provider vom PMO zum FMO (Present bzw. Future Mode of Operations) zu kommen gedenkt. Dem potenziellen Provider war freigestellt, für den FMO die darunter liegende Infrastruktur zu konsolidieren und Massnahmen zu ergreifen, die die Ziele der Ausschreibung unterstützen.
Die Umsetzung
Ziel der BKW-Ausschreibung war es, durch die Reduktion der On-Premise-Infrastruktur die eigenen Ressourcen auf das Applikationsmanagement zu konzentrieren, Flexibilität zu schaffen und Kosten in den Investments zu senken. Im Lichte dieser Ziele und der verlangten Kriterien trat die BKW mit zwei Anbietern in die Vertragsverhandlungen ein, in deren Endergebnis sich
T-Systems Schweiz als künftiger SAP-Partner der BKW durchsetzte. Marcel Schori, Leiter SAPCC Operations seitens
BKW, kommentiert: «Wir haben beim letztlich ausgewählten Partner einen grossen Willen gespürt, dieses Projekt mit uns umzusetzen. T-Systems war sehr flexibel und hat grosse Offenheit gezeigt, mit uns gemeinsam die für einen Erfolg nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen.» Florian Aziri, auf T-Systems-Seite als Account Manager verantwortlich für die
BKW, bestätigt: «Wir wollten den Deal. In den Verhandlungen stellten wir uns jeweils die Frage: ‹Können wir diesen oder jenen Service mit unserem Anspruch an Qualität und Zuverlässigkeit unter den gegebenen Voraussetzungen guten Gewissens so anbieten?›» Letztlich müssten beide Seiten aufeinander zugehen, um Vertrauen als Basis für eine langfristig ausgerichtete Zusammenarbeit zu schaffen.
Neben interessanten technischen Ansätzen und dem Zugeständnis, SAP komplett in der Schweiz zu hosten, waren es auch die Erfahrungen im First Generation Outsourcing, die für die BKW zählten. Das ist für Aziri nachvollziehbar: «Unserer Erfahrung nach muss der mit dem Outsourcing einhergehende Change-Prozess sehr behutsam angegangen werden. Denn die Änderungen sowohl für die IT-Abteilung wie auch für die User sind einschneidend.» Was bislang auf Zuruf möglich war, wird einem klar definierten Prozess aus Change Requests und Service Level Support folgen müssen. In der IT-Abteilung wandelt sich der Skillset, wenn man vom Eigenbetrieb dazu übergeht, einen Provider zu managen. Die Aufgaben werden spannender, denn die Inhouse-IT kann sich stärker auf Projekte fokussieren.
Mit Projektstart im September 2019 übernahm T-Systems bereits im Outtasking erste Betriebsprozesse an
SAP, damit die BKW Ressourcen schonen und T-Systems die Systeme kennenlernen konnte. Parallel wurde am Solution Design gearbeitet. Die Plattform war in ihrer Standardversion gegeben und wurde durch T-Systems nach dem Zero-Downtime-Prinzip weiter flexibilisiert. Sämtliche Komponenten sind redundant, damit Wartungsfenster minimiert werden können und der Kunde hiervon kaum etwas spürt. Obschon in der Private Cloud, kann die BKW die Kapazitäten dynamisch anpassen. Aziri formuliert es so: «Der Kunde erhält preisoptimiert und elastisch höchste Performance und maximale Hochverfügbarkeit für seine kritischen Infrastrukturen.» T-Systems hat zudem die Stand-by-Systeme nutzbar gemacht, indem sie als Testumgebungen genutzt werden, solange die Primary-Systeme stabil und zuverlässig laufen. So werden wertvolle Ressourcen nicht verschwendet.
In die eigentliche Migration waren zirka 40 Projektmitarbeitende seitens T-Systems vom Projektleiter bis zum (Netzwerk-)Engineer involviert. Bei der BKW waren es alle Mitarbeitenden im Applikationsmanagement und ausgewählte Key User, insgesamt ebenfalls rund 40 Beteiligte. Schori relativiert: «Die Systeme wurden inhouse bereits sehr gut betrieben; das hat die Migration vereinfacht.» Dennoch sei die Planung sportlich und nur durch gute Vorbereitung machbar gewesen. Wichtig war die erfolgreiche Migration der ersten unkritischen Systeme, um zu prüfen, ob die gewählten Methoden funktionieren. Denn alle gute Vorarbeit wäre hinfällig geworden, wenn ein Ausfall bei den kritischen SAP-Systemen Auswirkungen auf das Business nach sich gezogen hätte. Und ausgerechnet diese Phase fiel in den Lockdown. Schori gibt Entwarnung: «Auf das Resultat hatte Corona keinen Einfluss. Doch wir mussten uns ohne jegliche Vorbereitung in eine komplette Remote-Working-Projektorganisation umstellen. Bislang waren wir der Meinung, dass manches vor Ort einfach besser zu bewerkstelligen ist; zum Beispiel hatten wir Abnahmetests immer mit allen Testern in einem Raum durchgeführt.» Auch wenn die Erfahrung für beide Seiten neu war, konnte das klassische Projektmanagement mit den wöchentlichen und monatlichen Abstimmungs-Meetings reibungslos in den virtuellen Raum verlagert werden. Aziri ist im Rückblick stolz: «Unsere Grundplanung stand und der Zeitstrahl musste kein einziges Mal verändert werden. Wir sind einer bewährten Projektmethode mit regelmässigen Quality Gates gefolgt, die sukzessive erfolgreich durchlaufen werden müssen.» Auch Schori sagt: «Da war viel Erfahrung im Projekt- und Schnittstellenmanagement vorhanden. Ausschlaggebend war aber die Leistung eines jeden einzelnen Projektmitarbeiters. Nie gab es Zuständigkeitsdiskussionen, sondern das Projektteam hat ziel- und lösungsorientiert zusammengearbeitet.» Das Highlight war die parallele Transition der fünf Key-Instanzen Fiori, ERP, Business Warehouse und Business Objects sowie des Web Dispatchers, die aufgrund der engen Koppelung der Systeme an einem einzigen Wochenende erfolgte. Bis zum Juni 2020 wurden laufend neue Instanzen ins Rechenzentrum des Providers geshiftet und seit Sommer 2020 laufen dort alle Systeme mit insgesamt 55 Instanzen, 2000 named und 500 aktiven SAP-Benutzern im Regelbetrieb in einer Private Cloud. Die BKW legte Wert auf lokale deutschsprachige Ansprechpartner beim Partner; T-Systems verlängert auf ihrer Seite die Service-Erbringung im Nearshoring in die Slowakei, um dem Wunsch nachzukommen.
Das Fazit
Marcel Schori ist insgesamt zufrieden: «Klar hätte man einiges anders machen können. Bei einem System wäre eine Migration anstelle eines Neuaufbaus möglicherweise sinnvoller gewesen. Noch sind wir in einer Phase der Stabilisierung. Aber bereits können wir bei Bedarf kurzfristig zusätzliche temporäre Systeme beziehen und sind mit den Kapazitäten nicht mehr so limitiert.» Und auch zur Zusammenarbeit hat Schori eine klare Meinung: «Bei SAP-Migrationen ist es aus Garantiegründen unerlässlich, den von
SAP zertifizierten Methoden zu folgen. Da macht die Auswahl der richtigen Leute im Projektteam und deren Erfahrung den Unterschied.» Derzeit steht der Wechsel des Systems auf den neuesten Release an.
T-Systems bereitet sich in allen technischen Aspekten vor und bei der
BKW formiert sich bereits die Equipe für das Application Testing. Marcel Schori blickt noch weiter in die Zukunft: «Wir haben jetzt die Ressourcen und das Know-how, mit unserem Provider innovativere Ideen anzugehen: Wie können wir beispielsweise unser Business dabei unterstützen, aus den verfügbaren Daten mehr Nutzen und Wertschöpfung zu generieren?»
(mw)