Ein Umzug löst bei den Menschen eine breite Palette an Emotionen aus. Zum einen wohl Vorfreude auf die neue Wohnung oder das neue Haus, auf der anderen Seite bedeutet ein Umzug aber auch Stress, denn es gibt eine Vielzahl von Dingen zu beachten, bevor man es sich im neuen Heim bequem machen kann. Wer schon öfter umgezogen ist, wird unter Umständen im Laufe der Zeit Checklisten erstellt haben, die helfen sollen, alle Details im Auge zu behalten. Andere wiederum stehen zum ersten Mal vor einem Wohnungswechsel und wissen vielleicht nicht, wie sie dieses Projekt aufgleisen sollen. Es konnte also nur eine Frage der Zeit sein, bis ein paar kluge Köpfe auf die Idee kommen würden, für die zahlreichen Probleme, die sich bei einem Umzug stellen, eine Lösung zu entwickeln.
So geschehen in Lausanne, wo das Start-up
Planyourmove im EPFL Innovation Park beheimatet ist. Das noch junge Unternehmen, das erst im März dieses Jahres gegründet wurde, hat im Juni die gleichnamige Web-Applikation auf den Schweizer Markt gebracht.
Planyourmove soll – wie der Name verrät – helfen, den ganzen Umzugsprozess zu planen und zu koordinieren, vom Auszug aus dem alten Heim bis hin zu den Adressänderungen, die anfallen, wenn man erst einmal im neuen Zuhause ist. Die Idee dazu ist wie so oft aus einem Bedürfnis der Initianten heraus entstanden, wie Mitgründer Sébastien Flury erklärt: «In meinem Umfeld kam immer wieder das Thema auf, dass ein Umzug zunächst Stress bedeutet. Wer nicht schon im Vorfeld alles peinlich genau plant und organisiert, steht am Umzugstag und auch noch danach oft am Berg oder vergisst Dinge, die dann im Nachhinein zusätzlich Zeit und Nerven kosten. Das muss nicht sein, dachten wir uns, und haben begonnen, Ideen zu sammeln, um das Problem zu lösen.»
Im Eiltempo zur Marktreife
Laut Flury ist ein Umzug ein nicht unwesentlicher Einschnitt im Leben eines Menschen: «Entweder es ist der erste Umzug in ein neues Heim, und man weiss nicht genau, was einen erwartet, oder man zieht mit einem Lebenspartner zusammen, was noch einmal etwas anderes ist, oder aber eine Beziehung bricht auseinander und man geht getrennte Wege in eine neue Bleibe. In jedem Fall gibt es sehr viel zu bedenken, wenn man umzieht.» Dafür gebe es kaum Hilfestellungen, wie Flury festhält. Es bestehe deshalb ein klares Bedürfnis nach Informationen und unterstützenden Dienstleistungen für einen Umzug.
Der erste Schritt in der Entwicklung von
Planyourmove, die im Frühling 2019 begann, war eine Lösung, um die Adressänderungen in den Griff zu bekommen. Daran denke man oft erst, wenn man nach dem Umzug keine Briefe mehr erhalte, so Flury. Allerdings handelt es sich dabei um einen der letzten Schritte im Verlauf eines Umzugs, weshalb für die Gründer des Start-ups schnell klar wurde, dass sie eine Applikation entwickeln wollten, um den gesamten Prozess abzudecken. «Bei einem Umzug will man so wenige Reibungspunkte wie möglich haben, man will nicht ständig an alle Details denken müssen, sondern sich um die wesentlichen Dinge kümmern, beispielsweise um die Einrichtung im neuen Zuhause», so Flury.
Zusammen mit den Mitgründern Guillaume Dubray und Cynthia Fivaz-Kühne machte sich Sébastien Flury also daran, das Angebot von Planyourmove sukzessive zu erweitern: «Wir haben seit dem letzten Jahr etliche Bedarfsanalysen durchgeführt und eine Vielzahl von Prototypen entwickelt, bis wir im vergangenen Juni mit dem fertigen Produkt an die Öffentlichkeit gingen. Seither ist unser Team auf fünf Personen angewachsen und wir denken bereits an die nächsten Entwicklungsschritte.»
Der Umzugsassistent
Herausgekommen ist in nur wenig mehr als einem Jahr ein vollständig automatisierter Assistent in Form einer App, der die Nutzer Schritt für Schritt begleitet und ihnen fortwährend in Erinnerung ruft, was noch zu tun ist. So hält
Planyourmove beispielsweise vorgefertigte Kündigungsschreiben bereit. «Es gibt viele, die nicht wissen, wie man einen Brief verfasst, geschweige denn ein Kündigungsschreiben für eine Wohnung. Denn heute sind es sich viele gewohnt, via E-Mail oder andere Kanäle zu kommunizieren. Ausserdem gibt es auch in der Schweiz Menschen, die nur ein Smartphone, aber weder Laptop noch PC besitzen und somit kein Textverarbeitungsprogramm, um solche Dokumente zu verfassen», gibt Sébastien Flury zu bedenken.
Ein wichtiger Aspekt der App sind verschiedene Checklisten, welche die Umziehenden abarbeiten können und nützliche Informationen und Tipps enthalten. Ein Beispiel dafür ist ein Modul, in dem genau beschrieben wird, worauf man bei der Endreinigung einer Wohnung achten muss, damit die Verwaltung diese auch abnimmt und man danach nicht noch einmal putzen oder für eine weitere Reinigung finanziell aufkommen muss. Die Checklisten können online bearbeitet oder aber als PDF heruntergeladen und ausgedruckt werden, um die einzelnen Punkte von Hand abzuhaken.
In einem ersten Schritt können die Nutzer in der App jedoch wählen, ob sie überhaupt schon eine neue Wohnung gefunden haben. Wenn nicht, dann hilft Planyourmove gleich bei der Bewerbung für eine neue Bleibe und listet unter anderem alle Dokumente auf, die zusammen mit dem Bewerbungsschreiben bei der Verwaltung eingereicht werden müssen.
Planyourmove hilft mit einer übersichtlichen App bei der Planung und Organisation des Umzugs. (Quelle: Planyourmove)
Partner erweitern das Angebot
Planyourmove ist für die Nutzer komplett kostenlos. Das Business-Modell basiert auf der Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern, von denen das Start-up schon einige an Bord holen konnte. «Wir sind auf verschiedene Unternehmen zugegangen, die im selben Bereich wie wir tätig sind. Dabei war uns wichtig, dass es sich dabei um Firmen handelt, die auch für unsere Nutzer einen Mehrwert bieten können», sagt Flury. Dabei sei das grosse Netzwerk von Guillaume Dubray eine grosse Hilfe gewesen. Dubray, Managing Partner von Polytech Ventures, hat unter anderem den Start-up Accelerator Fintech Fusion gegründet und verfügt laut Flury daher über sehr gute Kontakte, nicht nur in der Fintech-Szene.
Externe Investoren hat
Planyourmove bisher keine, das Start-up finanziert sich derzeit allein über Eigenkapital und als Deal-Anbieter für seine Geschäftspartner. Wie Flury ausführt, gibt es unterschiedliche Angebote aus den Reihen der Partner: «Unsere Partner können sich über die App mit ihren Produkten oder Dienstleistungen an die Nutzer richten, beispielsweise für eine Bankkaution für das Mietdepot oder eine Hausratsversicherung. Planyourmove bietet auch kleine Geschenke an, so zum Beispiel verschiedenfarbige Stickers für die Umzugskisten, damit diese sauber angeschrieben und unterschieden werden können.» Unter den Partnern figurieren Unternehmen wie Sunrise, Privera, Swisscaution, La Redoute, die Mobiliar, Animalia und Ecoway. «Dazu haben wir auch eine Partnerschaft mit dem Zürcher Unternehmen Moveagain. Dieses bietet Reinigungsdienstleistungen an sowie komplette Umzüge. Denn mit 20 hat man noch genügend Freunde, die beim Umzug helfen wollen, doch deren Zahl nimmt mit dem Alter kontinuierlich ab», sagt Flury lachend.
Schwieriger gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Behörden. So sei zwar der eUmzug, an den alle Gemeinden angeschlossen sind und wo Privatpersonen ihren Umzug innerhalb der Schweiz auf elektronischem Wege melden können, schon vor zwei Jahren gestartet, aber noch nicht vollständig automatisiert, so Flury. Deshalb sei auch die Anbindung an Dienste der Behörden zwar theoretisch möglich, aber noch kein Thema. «Zurzeit verlinken wir aus der App heraus auf die Webseiten der einzelnen staatlichen Stellen. Wir möchten diesen Bereich verbessern und weiter automatisieren, aber direkte Schnittstellen zu den Systemen der Gemeinden zu entwickeln macht derzeit keinen Sinn, denn viele sind noch nicht soweit», erklärt Flury.
Schweiz bleibt Fokusmarkt
An eine Expansion über die Landesgrenzen hinaus denkt das Team von
Planyourmove noch nicht. In den Augen von Sébastien Flury gibt es denn auch gute Gründe dafür, sich auf den Schweizer Markt zu fokussieren: «Der hiesige Markt ist zwar begrenzt, aber schweizweit gibt es jährlich zwischen 450’000 und 550’000 Umzüge, das ist eine Menge. Für potenzielle Mitbewerber aus dem Ausland ist die Schweiz als Markt jedoch zu klein. Ausserdem ist er nicht ganz einfach, nicht zuletzt wegen der verschiedenen Amtssprachen, der vielen Kantone und Gemeinden. Umgekehrt ist es für uns nicht leicht, in einen anderen Markt einzutreten, weil in jedem Land andere Bedürfnisse und Gepflogenheiten in Bezug auf einen Umzug bestehen.» Für Planyourmove wäre eine Expansion ausserdem auch eine Kostenfrage, und in anderen Ländern wie beispielsweise Frankreich und Spanien gibt es laut Flury bereits ähnliche Lösungen, die dabei sind, sich zu etablieren.
«Primär geht es uns darum, den Menschen, die in der Schweiz umziehen wollen oder müssen, zu helfen. Dabei sind wir schon auf sehr gutem Wege und haben eine Lösung entwickelt, die sich gemäss den Feedbacks bisher bewährt hat. Dennoch besteht noch Verbesserungsbedarf. Auch hier nehmen wir die Rückmeldungen der Nutzer ernst», versichert Flury. Auf der Agenda von Planyourmove steht neben der Weiterentwicklung der App nun auch die Ausweitung des Partnernetzwerks, um den Umziehenden noch mehr relevante externe Dienstleistungen anbieten zu können.
(luc)