Entstanden aus einer Kooperation mit der Bauunternehmung Lang aus Mainz, Deutschland, hat es sich das in Zürich ansässige Start-up
Timly.com zum Ziel gesetzt, ein ungelöstes Industrieproblem zu lösen: «Bauunternehmungen sind dazu verpflichtet, die technischen und sicherheitsrelevanten Qualifikationen ihrer Fachkräfte sicherzustellen. Dies, um einerseits gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen, andererseits auch, um wichtige Industriezertifizierungen und Qualitätssiegel zu erhalten. Die Qualifikationen müssen regelmässig erneuert, beziehungsweise nachgeschult werden, so dass die Überwachung der Qualifikationen eine Herausforderung war», erklärt Mitgründer und CEO Philipp Baumann. «Meistens wurde die Überwachung im Excel gemacht. Bei kleineren Betrieben mag das noch funktionieren. Aber bei grösseren Betrieben stösst man mit Excel dann irgendwann an seine Grenzen.»
So sollte die Applikation etwa die saubere Dokumentation aller Schulungen in der Personalakte erlauben. Kommt es trotz aller Sicherheitsmassnahmen und Qualifikationen zu einem Personenunfall, muss man als erstes gegenüber der SUVA darlegen, dass man als Arbeitgeber seinen Ausbildungspflichten nachgekommen ist, und die Person ausreichend qualifiziert war für die ausgeübte Tätigkeit. «Aus dieser ursprünglichen Problemstellung ist eine auf die Industrie massgeschneiderte Personal-, Training- und Talentmanagement-Lösung entstanden», so Fitim Mehmeti, der
Timly mit dem heutigen CEO Philipp Baumann gegründet hat.
Jetzt aber richtig
«Die enge Zusammenarbeit mit unserem Industriepartner Lang war sehr wichtig, denn nur so konnte eine Lösung geschaffen werden, die auch ein konkretes und vor allem relevantes Problem der Industrie löst», so Baumann, betont aber auch, dass die Problemstellung nicht nur auf die Bauindustrie zutreffe, sondern auch auf jegliche Industrien, bei denen Mitarbeiter und Arbeitsplatzsicherheit eine grosse Rolle spielen. Die Applikation wurde zudem auch in Kooperation mit der Gesundheitsindustrie entwickelt, in der Patienten- und Mitarbeitersicherheit ebenfalls ein grosses Thema sind.
Des Weiteren legen die zwei Gründer grossen Wert auf intuitive und benutzerfreundliche Software. «Im Consumer-Bereich werden wir mit perfekt designten Applikationen beglückt, bei denen jeder Prozessschritt auf eine optimale User-Experience (UX) optimiert wird», so Mehmeti. «Dann kommt man ins unternehmerische Umfeld und wird mit ERP-Lösungen konfrontiert, die aus den Nuller-Jahren stammen, die weder intuitiv sind noch Spass machen. Ein häufiges Feedback, das wir bekommen ist, dass
Timly sehr intuitiv und einfach in der Verwendung ist, obwohl es über viele Funktionen verfügt.»
Das Gründerduo Philipp Baumann und Fitim Mehmeti besass vor dem Aufbau von Timly bereits reichlich Erfahrung, wenn es um digitale Geschäftsmodelle geht. So arbeitete Baumann mehr als zehn Jahre in der Digital- und Strategieberatung und baute bei Ricardo das B2C-Geschäft mit auf. Dort fanden die beiden auch zusammen, denn Mehmeti leitete den Aussenhandel und war später bei Bonuscard als Head Digital Business tätig.
Und sowohl Baumann als auch Mehmeti haben in diversen Start-ups mitgewirkt, sie gegründet und auch vereinzelt sprichwörtlich an die Wand gefahren. «Das Unternehmer-sein-wollen macht uns als Gründer aus. Lange genug haben wir unsere Projekte nebenher gemacht. Mit Timly haben wir den Schritt gewagt von ‹nebenher› zu ‹jetzt aber richtig›», so Mehmeti.
Auf Schienen ans Ziel
Heute ist Fitim Mehmeti als CMO für den Bereich Marketing & Sales verantwortlich, während Philipp Baumann die Produktentwicklung sowie geschäftliche Weiterentwicklung der Firma in der Rolle des CEO vorantreibt. Ausserdem hat das Start-up einen Entwickler und zwei Sales-Mitarbeiter eingestellt.
Der Name
Timly wurde von zwei Faktoren geprägt, erklärt Baumann: «Einerseits hat die Produktentwicklung einen Einfluss auf die Namensgebung gehabt, da wir ganz zu Beginn auf das Thema ‹Fristen/Termine› im Geschäftsalltag gesetzt haben. Daher war der Name abgeleitet von ‹Time/on time/timely›.» Andererseits sollte der Name im täglichen Gebrauch verwendet werden können.
In Sachen Technologie setzte Timly auf Ruby on Rails (RoR). «Mit RoR lassen sich sehr schnell viele Funktionalitäten entwickeln, ohne sich dabei zu viel Komplexität an Bord zu holen», bemerkt Baumann. Ruby sei nach wie vor dafür bekannt, dass neue Funktionalitäten rasch entwickelt werden können, so dass mit einem kleinen Team (und entsprechend geringerer Komplexität) etwas Grosses geschaffen werden könne.
Für den Betrieb der Applikation wählten Baumann und Mehmeti einen grossen Hyperscaler und nutzen dessen Plattform-as-a-Service (PaaS)-Angebot. Somit sind viele Aufgaben rund um den Betrieb der Plattform (Backups, Monitoring, Redundanz, etc.) an den Hyperscaler delegiert. Zudem ist damit auch technische Skalierung gewährleistet. «Server-Standort ist in Deutschland, das war uns wichtig, denn so gelten die sehr strengen Datenschutzgesetze von Deutschland und der EU. Für viele Kunden ist das essenziell», so Baumann.
Cloud-Lösung mit zwei Standbeinen
Das Start-up bietet zurzeit zwei Module an: Inventar & Services und Personal & Talent. Neben der Fristenüberwachung im Personal- und Qualifikationsbereich müssen Bauunternehmungen ebenfalls Fristen im Bereich technischer Ausstattung überwachen. Daraus etablierte sich ein zweites Standbein im Bereich Inventar & Services. «Der Bereich Inventar & Services stösst derzeit auf grosses Interesse», so Mehmeti. «Wenn man schon sein Inventar in einer Software abbildet, so machen zusätzliche Softwarefunktionalitäten rund um das Thema Inventar Sinn: Inventardokumentation, Defekt- und Wartungsmanagement, GPS-Ortung, Erfassen und Abbilden von Betriebsstunden und Betriebskilometer. In diesem Anwendungsbereich bietet Cloud-Technologie grosse Vorteile, denn Informationen können überall dort abgerufen werden, wo die Geräte und Fahrzeuge stehen, und zwar auf dem Bauhof oder auf der Baustelle.» Jedes Objekt wird mit einem individualisierten QR-Code versehen. Nutzer müssen diesen lediglich mit ihrem Smartphone scannen und erhalten vor Ort sogleich alle Informationen.
Zudem speichert
Timly die GPS-Positionen, sodass der Standort schnell ermittelt und zurückverfolgt werden kann. «Dadurch hat man stets alle Informationen zur Hand und kann den letzten Standort einsehen», erläutert Mehmeti. «Die Geräte sind einfach auffindbar, was Suchkosten und Materialverlust, die bei Baufirmen auf die Profitabilität schlagen, reduziert.» Dieses Modul wurde im April 2020 veröffentlicht, im selben Monat, in dem auch – mitten während der Coronapandemie – die Timly Software AG gegründet wurde.
Philipp Baumann & Fitim Mehmeti (Quelle: Timly.com)
Gründung während der Krise
Timly ist ein klassischer Software-as-a-Service-Anbieter. «Unsere Module sind in unterschiedlichen Leistungspaketen verfügbar, für die eine jährliche Lizenzgebühr abgerechnet wird», erklärt Baumann. Die Preise richten sich nach der Anzahl an effektiv verwalteten Ressourcen – konkret nach der Anzahl an verwalteten Mitarbeiterprofilen in
Timly Personal & Talent und nach der Anzahl an verwalteten Geräten, Fahrzeugen oder Anlagen in Timly Inventar & Services.
Besonders stolz sind die Gründer Mehmeti und Baumann, dass sie bei Gründung bereits mit einer Handvoll zahlender Kunden an den Start gehen konnten, verrät Mehmeti: «Das war sicher ein wichtiger Meilenstein für uns.» Derzeit führt das Start-up auch Gespräche mit einem Industriezweig, den sie bisher nicht antizipiert haben: die Immobilienwirtschaft. «In einem Pilotprojekt möchten wir demnächst jeweils einen QR-Code in Mietwohnungen platzieren. Mieter brauchen dann lediglich den QR-Code zu scannen und können auf Informationen ihrer Wohnung zugreifen, beispielsweise auf Betriebsanleitungen von Küchengeräten oder Servicekontakte», so Baumann. «Keine App herunterladen, keine lästige Benutzerregistrierung – nicht einmal einloggen muss sich der Benutzer. Denn der QR-Code enthält bereits Login-Informationen für ein einzelnes Objekt. Einfacher geht das aktuell über keine Konkurrenzlösung.»
In Zukunft setzt Timly weiter voll auf Wachstum. «Aktuell haben wir Kunden aus Deutschland und der Schweiz, was auch derzeit unsere Fokusmärkte sind. Eine anschliessende Expansion innerhalb von Europa wäre natürlich sehr wünschenswert, ist aber noch etwas abhängig von der Entwicklung in den nächsten ein bis zwei Jahren. Auch planen wir, mittelfristig Kunden in neuen Industriezweigen zu gewinnen. Die aktuellen Fokusbranchen sind Bau, Medizin, Logistik und Immobilien», verrät der CEO. Geplant sei zudem auch der Aufbau eines Nearshoring Entwicklungsteams, sowie die Verstärkung des Sales-Teams. «Produktseitig wollen wir die Konnektivität erhöhen. Einerseits zu etablierten ERP-Systemen, aber auch zu Geräten und Maschinen. Ein weiteres spannendes Gebiet ist das Thema IoT. Derzeit denken wir auch darüber nach, ob GPS-Tracker oder andere Sensoren angebracht werden können. Denn so könnten die erfassten Objekte mit Live-Informationen angereichert werden. Das ist ein Zukunftsmarkt, in dem wir auch Timly sehen», so Baumann zu den Zukunftsplänen des Jungunternehmens.
Konkurrenz und Ambitionen
Angesprochen auf die Konkurrenz im Markt erklärt Mehmeti selbstbewusst: «In der Tat gibt es grosse Player in unserem Markt. In vielen Branchen sind Firmen in Sache Digitalisierung nach wie vor wenig fortgeschritten, somit gibt es nach wie vor ausreichend Potenzial. Zudem spielt uns in die Hände, dass wir als SaaS-Lösungen daherkommen und eine Einführung einfacher ist, als bei klassischer proprietärer Software.»