Der Traum, den Globus und alle sich darauf befindlichen Strukturen wie Städte, Dörfer und Strassen digital nachzubilden, entstand schon früh im Computerzeitalter. Doch erst die Kombination von Satellitentechnologie mit den Möglichkeiten hochauflösender Bildgebungsverfahren läuteten die Ära der Digitalisierung der Welt ein. Google leistete mit Google Maps Pionierarbeit. Noch nie zuvor war es möglich, praktisch jeden Flecken unserer Erde in all seiner digitalen Pracht nur mit der Hilfe eines Computers oder Smartphones zur erkunden. Zunächst nur in der zweiten Dimension, doch bald fand Google die Möglichkeit, die Satellitenbilder auch dafür zu nutzen, um die digitale Repräsentation des Globus mit 3D-Daten zu füllen. Plötzlich konnte man Berge, Häuser oder Wahrzeichen auch in der dritten Dimension betrachten. Doch auch Googles Technologie hat – zumindest vorerst – noch seine Grenzen. Die Auflösung der Satellitenbilder lässt zu wünschen übrig und die 3D-Modelle sind teils sehr rudimentär. Und hier kommt das Schweizer Start-up
Nomoko ins Spiel. Dieses hat sich nämlich das ehrgeizige Ziel gesetzt, eine Lösung zu entwickeln, um die Welt digital abbilden zu können.
Nomokos Prototyp seiner Proptech-Applikation. Die darin befindlichen Digital Twins wurden mit der Technologie des Start-ups vermessen und dann in 3D modelliert. (Quelle: Nomoko)
Der Digital Twin
Nilson Kufus, Mitgründer und CEO von
Nomoko, erklärt die Vision dahinter: «Es gibt einige Grundkonzepte, auf denen unser Unternehmen aufbaut. Zum einen das Konzept des Digital Twin, also eine digitale Kopie von etwas, das in der physischen Welt existiert. Das kann ein Objekt oder ein Prozess sein. Wir haben dieses Konzept dann erweitert und uns vorgestellt, wie es wäre, wenn die gesamte Welt als solche digital abgebildet werden könnte, als Netzwerk aus ganz vielen Digital Twins. Wir nennen das die Spiegelwelt, also eine komplette digitale Repräsentation der Welt, in der wir leben. Ein weiteres, für uns sehr wichtiges Konzept ist das der vierten industriellen Revolution, sprich die Verbindung der physischen und der digitalen Welt. Es wird zunehmend Applikationen geben, die zwar digital sind, sich aber in der physischen Welt manifestieren, wie selbstfahrende Fahrzeuge, das Internet of Things oder Augmented Reality.» Kufus ist sich sicher, dass diese Entwicklung massive Auswirkungen auf die Gesellschaft haben wird. So zum Beispiel auf der juristischen Ebene, denn Unfälle, die von selbstfahrenden Fahrzeugen verursacht werden, haben physische Konsequenzen wie etwa Verletzte oder gar Tote, die sich nicht mit einem Update der Software beheben lassen.
«Mit Nomoko möchten wir ein ganzes Ecosystem um diese Spiegelwelt und um diese Applikationen herum entwickeln. Dabei bauen wir auf drei Pfeilern auf. Der erste Pfeiler sind die Daten, wobei es darum geht, wie sich die physische Welt in Datenpunkten abbilden lässt. Der zweite Pfeiler ist ein Software Development Kit, mit dem Entwickler mit Hilfe der gesammelten Daten Lösungen zu Problemstellungen ihrer Kunden entwickeln können. Und schliesslich als dritter Pfeiler die Applikationen, in denen die Endbenutzer mit den Daten interagieren können», so Kufus. Zu Beginn lag der Fokus des Start-ups auf der Frage, wie sich die physische Welt digitalisieren lässt. Nun, da Nilson Kufus und sein Team gelernt haben, diesen Prozess besser zu verstehen, richtet sich ihr Augenmerk auf die Entwicklung von Applikationen und parallel dazu eines SDK.
Die Dekade der Roboter
Um die physische Welt einzufangen und zu digitalisieren nutzt
Nomoko Drohnen, welche die Umgebung scannen, und zwar auf den Zentimeter genau. Gemäss Kufus hat dies damit zu tun, dass die nächste Dekade den Robotern gehören wird, die sehr genaue Daten benötigen, um sich in der physischen Welt zurechtzufinden: «Wir Menschen können auch mit der Zuhilfenahme einer zweidimensionalen Repräsentation unserer Umgebung navigieren. Man denke an die mittlerweile aus der Mode gekommenen Landkarten. Roboter hingegen, wie beispielsweise selbstfahrende Fahrzeuge, brauchen viel mehr Daten, um sich in der Welt zurechtzufinden. Sie müssen ihre Umgebung dreidimensional wahrnehmen können. Wichtig ist deshalb auch, diese Daten so aufzubereiten, dass sie maschinenlesbar sind und von Robotern verstanden werden können. Ich bin überzeugt, dass in zehn bis 15 Jahren unsere Kernkunden Maschinen sein werden, die mit unseren Applikationen interagieren und die Informationen beziehen, die sie benötigen, um ihre Aufgaben zu erfüllen.»
Zu Beginn stand für das Team von Nomoko daher die Frage im Raum, wie sich die Welt mit der nötigen Auflösung digitalisieren liesse. Die Wahl fiel auf Drohnen, weil sie sehr flexibel sind, sich nahezu überall einsetzen lassen und es ermöglichen, Objekte aus allen möglichen Winkeln aufzunehmen und zu vermessen. Laut Kufus kommt Nomoko dabei entgegen, dass die Schweiz eine sehr fortschrittliche Gesetzgebung für den Einsatz von Drohnen kennt, weshalb es dem Unternehmen in den letzten Jahren möglich war, allerlei Tests mit den fliegenden Geräten durchzuführen. «Der Vorteil gegenüber anderen Technologien, wie zum Beispiel dem Einsatz von Satelliten, liegt bei den Drohnen ganz klar darin, dass man Objekte aus der Nähe und in viel höherer Auflösung aufnehmen kann als aus dem All. Satellitenbilder sind nicht geeignet, um den Detailgrad zu erreichen, den wir anstreben», so Kufus.
Den gesamten Globus mit Drohnen abzufliegen und zu digitalisieren dürfte jedoch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Das ist auch dem CEO von Nomoko bewusst: «Wir konzentrieren uns hauptsächlich auf urbane Gebiete. In der heutigen Realität wohnen immer mehr Menschen in Städten, und auch wirtschaftlich gesehen sind urbane Zentren massgebend. Deshalb steht für uns vor allem die Frage im Fokus, welche Städte man zuerst digitalisieren soll und wie schnell man dies tun kann. Mit unserer Technologie ist es uns derzeit möglich, eine europäische Stadt mit 20 Drohnen in rund zwei bis vier Tagen komplett zu vermessen und zu digitalisieren.» Der Digitalisierungsprozess kreiert die Rohdaten, die in einem zweiten Schritt zur Berechnung und Erstellung von 3D-Modellen benötigt werden. Wie Nilson Kufus weiter erklärt, ist die Geschwindigkeit entscheidend, weil Städte stetig im Wandel begriffen sind. Dauert die Digitalisierung zu lange, könnten Inkonsistenzen in den Daten entstehen.
Die Idee entstand im Zug
Auf die Idee für Nomoko und die Technologie dahinter kam Nilson Kufus während einer Zugfahrt: «Nachdem ich an der ETH Mathematik studiert hatte, ging ich für weitere Studien nach Maastricht in die Niederlande. Ich wollte aus Zürich raus und meinen Horizont erweitern. So kam es zu einem Meeting an der Universität in Delft, in dem es um eine meiner Arbeiten ging. Die Rückmeldung, die ich während dieses Meetings erhielt, hat mich auf der Rückfahrt nach Maastricht zum Konzept von Nomoko inspiriert.» Gleichzeitig kam Kufus zu dieser Zeit mit Unternehmerkreisen zuerst in Maastricht, dann in Amsterdam und in Delft in Berührung. So reifte in ihm die Vision für ein Start-up und er begann nach einem Team zu suchen, mit dem er dieses aufbauen konnte.
Zurück in Zürich lernte Nilson Kufus an einem Start-up-Speed-Dating der ETH Kevin Mersch kennen. Für ihn war dies der eigentliche Startschuss für
Nomoko: «Ich fragte mich, ob es möglich ist, in Zürich die richtigen Leute für ein solches Vorhaben zu finden. Schliesslich gibt es hier eine sehr gute technische Hochschule und hervorragende Computer Vision Labs.» Über Kevin Mersch lernte Kufus schliesslich auch Vincent Pedrini, den dritten Mitgründer des Start-ups kennen. Während den nächsten rund neun Monaten trafen sich die drei fortan jedes Wochenende und vertieften ihre Bekanntschaft. «Ich denke, dass es ungemein wichtig ist, einander gut zu kennen und zu vertrauen, bevor man zusammen ein Unternehmen auf die Beine stellt», begründet Nilson Kufus diese erste Phase. Und so wurde Nomoko 2015 gegründet. Heute hat das Unternehmen fast 40 Mitarbeitende, die eine grosse Bandbreite an Disziplinen abdecken. Wie Kufus erklärt, braucht es Spezialisten in allen möglichen Bereichen, so zum Beispiel für die Digitalisierung der Städte an sich, aber auch für die Applikationsentwicklung und die Datenanalyse.
Der Expansion entgegen
Nilson Kufus hält grosse Stücke auf die Schweiz: «Man findet hier sehr gute Leute, und die Konkurrenz durch Google und andere grosse Technologieunternehmen ist nicht so gross wie anderswo. Ausserdem geniessen die Start-ups hier einen sehr guten Ruf.» Dennoch bleibt die Schweiz ein kleiner Markt, weshalb der Schritt über die Grenze hinaus unausweichlich ist, wie Kufus betont. Aktuell betätigt sich
Nomoko deshalb im heimischen Markt hauptsächlich im Immobilien-Bereich: «Autonome Fahrzeuge wird es erst in einigen Jahren geben. Wir fokussieren uns deshalb auf bestehende Märkte wie beispielsweise Proptech, sprich die Digitalisierung der Immobilienbranche. Noch sind wir nur in der Schweiz tätig, aber eine Internationalisierung unserer Produkte und die Expansion nach Europa und später nach Asien und die USA ist unser Ziel.»
(luc)