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CIO-Interview: 'In fünf Jahren existiert eine operative City-Logistik'
Quelle: Cargo Sous Terrain

CIO-Interview: "In fünf Jahren existiert eine operative City-Logistik"

Cargo Sous Terrain (CST) entwickelt ein System, das Kleingüter autonom durch unterirdische Tunnels transportieren soll. Philipp Noser, Projektleiter Digitization & IT, gibt im Interview einen Einblick in das komplexe Vorhaben, das dereinst das Schweizer Transportwesen revolutionieren könnte.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2020/01

     

Swiss IT Magazine»: Ein unterirdisches Tunnelnetzwerk, das dereinst die ganze Schweiz verknüpfen und in dem Waren mittels autonomer Fahrzeuge transportiert werden – das klingt sehr futuristisch, soll aber bis 2031 Realität sein.
Philipp Noser:
Das Projekt befindet sich in der Vorbereitung für die Planung der Baubewilligung. Die effektive Planung kann aber erst beginnen, wenn die Politik die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz geschaffen hat, damit ein solches System überhaupt realisiert werden kann. Dazu hat der Bund im April die Vernehmlassung zum Bundesgesetz über den unterirdischen Gütertransport (UGüTG) eröffnet. Seitens Parteien und Verbänden haben wir bisher fast nur positive Rückmeldungen erhalten. Der Auftrag lautet nun dafür zu sorgen, dass das Gesetz zu Stande kommt, und keine politischen Auflagen in das Gesetz gelangen, die einen privatwirtschaftlichen Betrieb verunmöglichen würden.


Können Sie unseren Lesern beschreiben, wie ein Transporttunnel und auch das gesamte Logistiknetzwerk etwa aussehen wird? Gibt es hier noch Lücken im Hinblick auf die Technologie?
Eine intelligente Steuerung mit hochmoderner IT und der automatische Verlad und Transport von Gütern bilden den Kern des Systems. Der Zugang zum System erfolgt über sogenannte Hubs, die ein voll automatisiertes Be- und Entladen der Fahrzeuge ermöglichen. Über senkrechte Lifte werden die Güter ins Beförderungssystem eingespiesen. Die Hubs werden idealerweise in existierenden Logistikzentren gebaut und die Anbindung an andere Verkehrssysteme – Schiene, Strasse, Wasser, Luftfracht – sicherstellen. Das Prinzip von CST entspricht demjenigen eines automatischen Fördersystems. In den Tunnels verkehren rund um die Uhr selbstfahrende, unbemannte Tunnelfahrzeuge, die in den Hubs an dafür vorgesehenen Rampen oder Lifts automatisch Ladungen aufnehmen und abgeben können. Die Fahrzeuge, die auf Rädern fahren und über einen elektrischen Antrieb verfügen, verkehren in dreispurigen Tunnels mit einer konstanten Geschwindigkeit von rund 30 Stundenkilometern. Der Gütertransport erfolgt palettiert oder in angepassten Behältern. Die Transportmittel fassen dabei zwei Europaletten, sind also etwa 1,8 Meter lang. An der Decke des Tunnels ist ausserdem eine schnelle Paket-Hängebahn für kleinere Güter geplant, kleine Chargen wie Medikamente oder Ähnliches.

Existieren denn die grundlegenden Technologien bereits, geht es also grundsätzlich darum, aus bestehenden Technologien ein Gesamtsystem zu entwickeln?
Grundsätzlich handelt es sich um eine Kombination bestehender Technologien in ein Gesamtsystem. Die Schlüsseltechnologien für CST sind meines Erachtens heute bekannt. Gleichzeitig wissen wir, dass wir unseren Radar offen halten müssen für neue Technologien, die zukünftig in unser System integriert werden könnten. Dabei muss man sagen, dass zwar die wesentlichen konzeptionellen Grundpfeiler klar sind, es aber noch viele Detail­fragen zu klären gilt. Etwa wie genau das Laden der Fahrzeuge funktioniert, wie gross der Abstand zwischen den Fahrzeugen sein muss, oder wie die Kommunikation mit den autonomen Tunnelvehikeln und ihre Positionierung gehandhabt wird.


Wie weit ist Cargo Sous Terrain (CST) bei der Umsetzung dieses Projekts und womit sind Sie als IT-Verantwortlicher derzeit beschäftigt?
Mich beschäftigen derzeit hauptsächlich zwei grosse Themen. Zum einen gilt es noch viele strategische und konzeptionelle IT-Fragen zu beantworten. Etwa wie unsere IT-Organisation in zehn Jahren aussehen soll oder wie viele Mittel wir parallel zum Bau der Infrastruktur in den Aufbau der CST-IT-Systeme investieren müssen. Zum anderen geht es um den Aufbau der urbanen Logistik, also die Lieferung bis vor Ihre Haustüre. Hier können wir auch bereits ohne das Tunnelsystem arbeiten. Nächstes Jahr wollen wir damit an den Markt gehen. Dies wäre auch gleich die erste Marktleistung, die wir als CST erbringen würden und die für Glaubhaftigkeit und Vertrauen sorgen würde, etwa gegenüber dem Bund, aber auch gegenüber unseren Aktionären. Hier bin ich gefordert, eine Plattform zu schaffen, welche unsere Vorstellung einer attraktiven und nachhaltigen urbanen Logistik ermöglicht.

Sie waren zuvor in verschiedenen Positionen bei BKW in Bern tätig. Wie kam es zu Ihrem Wechsel zu Cargo Sous Terrain?
BKW ist Aktionärin von Cargo Sous Terrain. Daher verfolge ich die Idee respektive das Projekt bereits seit einiger Zeit. Über diesen Weg bin ich dann auch auf die neu geschaffene Position als Projektleiter Digitization & IT aufmerksam geworden. Die Herausforderung dieses Grossprojekts aktiv mitzugestalten hat mich dann gepackt. Letztlich war für CST wie für mich rasch klar, dass dies die richtige Entscheidung ist. Seit August 2019 bin ich nun für CST tätig.


Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Teams aus? Als IT-Leiter stellen Sie beispielsweise sicher Überschneidungen zu anderen operativen Teams im Unternehmen fest.
Vor rund zwei Jahren sind wir mit zwei Mitarbeitern gestartet. Zwischenzeitlich sind wir auf acht Personen angewachsen. Rund die Hälfte davon beschäftigt sich mit der Vorbereitung der Bauphase sowie der Spezifikation der technischen Komponenten wie etwa der Tunnelfahrzeuge. Die andere Hälfte kümmert sich um den Aufbau der urbanen Logistik. Als IT-Verantwortlicher bin ich an beiden Fronten mittendrin. Natürlich gibt es aber Misch­themen, etwa was die Leittechnik betrifft.Im Mai sind wir in unsere neuen Räumlichkeiten hier in Olten eingezogen, mit dem Hintergedanken, die Kommunikation untereinander zu fördern. Zuvor befanden sich unsere Büros in Basel und viele Mitarbeiter arbeiteten oft ausserhalb. Heute schauen wir, dass jeweils am Dienstag und Mittwoch die meisten Mitarbeitenden vor Ort sind. Dadurch funktioniert die Kommunikation untereinander.

Das Projekt befindet sich also noch in einem frühen Stadium, der Zeitplan sieht aber neben dem Start des operativen Betriebs auf der letzten Meile in 2021 auch die Fertigstellung der ersten Teilstrecke zwischen Härkingen und Zürich bis 2031 vor. Was steht sonst noch auf der To-do-Liste und wie denken Sie, wird sich Ihre eigene Position in diesem Zeitraum entwickeln?
Aktuell richte ich meinen Fokus stark auf die Konzeption und Entwicklung der zukünftigen Lösungen. Mittelfristig wird die Sicherstellung des operativen IT-Betriebs vermehrt in den Vordergrund rücken. Gegen Ende der Bauphase der ersten Teilstrecke werden wir zudem stark in die Tests und Betriebsübergabe des Tunnelsystems integriert sein. Die zukünftige IT Organisation von CST sowie meine Rolle wird sich entsprechend der veränderten Gesamtsituation laufend anpassen müssen. Konkret bedeutet dies, dass wir uns heute Gedanken machen müssen, wohin wir unsere Organisation per Ende 2021 entwickeln wollen, denn dann beginnt die Planungsphase sowie der operative Betrieb der urbanen Logistik.

Und wie sieht es mit dem IT-Team aus?
Zurzeit bin ich noch alleine für die IT verantwortlich. Im Rahmen der Projekte beziehen wir oftmals Externe mit ein. Hierbei werden nach Möglichkeit auch die Aktionäre eingebunden. Unternehmen wie die Swisscom, SAP oder auch DSV Panalpina sind natürlich bestens dazu in der Lage, verschiedene Aufgaben in unseren Projekten zu übernehmen, und wir können von ihrem Know-how profitieren. Das Know-how muss und wird aber definitiv auch inhouse wachsen müssen. Ich denke hier beispielsweise an Kernaufgaben von CST wie Netzwerk-Optimierung, Tourenplanung, Bündelung und Konsolidierung. Damit diese optimal im Gesamtsystem abgestimmt sind, wird es sicherlich wichtig sein, dass das Wissen und die Entwicklung der entsprechenden Lösungen bei CST liegen. Ich erwarte daher, dass unser Team in absehbarer Zeit weiter wachsen wird.


Wo sehen Sie Cargo Sous Terrain in fünf Jahren, quasi auf halber Strecke im Hinblick auf die erste Transportroute?
In fünf Jahren existiert eine operative City-­Logistik und der Spatenstich für den Tunnel zwischen Härkingen und Zürich steht bevor. Sobald das Gesetz zu Stande kommt, wird es ausserdem einen starken Sprung geben, was die Personalrekrutierung betrifft. IT-spezifisch werden Systeme wie ERP, CRM, diverse Spezialanwendungen für Ingenieure und natürlich die Anwendungen für die urbane Logistik in Betrieb sein. In den nächsten zwei Jahren rechne ich mit einem IT-Team von rund fünf Leuten, in fünf Jahren dann vielleicht 15 Personen – auch wenn das jetzt natürlich eher schwierig vorauszusagen ist.

Philipp Noser

Philipp Noser (36) ist seit August 2019 als Projektleiter Digitization & IT bei Cargo Sous Terrain tätig. Nach der Ausbildung zum Mediamatiker hat er an der Fachhochschule Bern Wirtschaftsinformatik studiert. Zur Zeit absolviert er an der Universität St. Gallen ein Executive MBA in Business Engineering. Vor Cargo Sous Terrain war Philipp Noser zwölf Jahre bei der BKW in verschiedenen Positionen tätig. Er ist verheiratet und lebt in der Nähe von Bern.


Zum Unternehmen


Cargo Sous Terrain (CST) ist ein Gesamtlogistiksystem für den flexiblen Transport kleinteiliger Güter. Tunnels verbinden Produktions- und Logistikstandorte mit städtischen Zentren. Oberirdisch verteilt CST die transportierten Güter in umweltschonenden Fahrzeugen und will damit einen Beitrag zur Reduktion des Verkehrs und der Lärmemissionen leisten. Die erste Teilstrecke soll ab 2030 den Raum Härkingen-Niederbipp mit Zürich verbinden. Bis 2050 soll dann der Bau der restlichen Abschnitte folgen. (swe)


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