Prime Computer hat einen neuen Server im Angebot. Das klingt aufs erste nicht besonders spektakulär, doch kennt man die Spezialität des Schweizer Unternehmens, nämlich den Bau von lüfterlosen Geräten, wird es das durchaus. Beim Primeserver Pro handelt es sich um den Nachfolger des Primeserver, den "Swiss IT Magazine" bereits testen konnte und der die Redaktion insbesondere durch eben dieses lüfterlose Design und den damit komplett geräuschlosen Betrieb überzeugte. Mit dem Primeserver Pro folgt nun also das Nachfolgeprodukt, das, wie es der Name schon vermuten lässt, mit mehr Leistung aufwartet und auf Pro-Nutzer ausgerichtet ist. Auch hier ist und bleibt aber der Clou: Der Server ist komplett geräuschlos, da keine mechanische, sprich aktive Kühlung mittels Lüfter verbaut wird. Ein Design-Problem, das sich bei CPUs mit eher geringer Leistung und Mini-PCs eigentlich gut lösen lässt, doch klappt dies auch bei einem Gerät mit dem Anspruch auf Leistung?
Die Rückseite ist vollgepackt mit Anschlüssen und Ports. Hier findet sich auch die redundante Stromversorgung. (Quelle: Prime Computer )
Wärme, Abluft & Kühlung
Die meiste Wärme im Computer entsteht bekanntlich bei den Prozessoren und den Chips der Grafikkarten. Gerade Prozessoren mit hoher Taktfrequenz sind vom Hitzeproblem betroffen, denn dort finden besonders viele Schaltvorgänge statt. Wer auf leistungsstarke CPUs setzt, kam deshalb bisher nicht ohne aktive Lüftung aus. Ventilatoren über der Grafikkarte, über dem Prozessor und zusätzlich am Gehäuse sind hier also die Regel. Zwar gibt es die Alternative der Wasserkühlung, die ist jedoch aufwändig, im Handling nicht ganz einfach und gerade bei Servern, die besonders gegen Ausfälle gewappnet sein sollten, nicht die beste Option. Bisher galt also die Devise, dass ein leistungsfähiger PC nicht geräuscharm beziehungsweise ein geräuscharmer PC nicht leistungsfähig ist.
Die Lösung von
Prime Computer sind intelligente passive Kühltechniken. Der grundsätzliche Aufbau erklärt der Computer-Hersteller dabei wie folgt: Die Wärme von CPU und GPU wird über sehr gut leitfähige Materialien abgeleitet. Das entsprechende Bauteil wird als Heatpipe bezeichnet und ist auf der gegenüberliegenden Seite mit einem sogenannten Konvektor verbunden. Wie genau Prime Computer das Wärmeproblem aber gelöst hat, verrät der Hersteller natürlich nicht. Dafür gibt’s ein paar Tipps für das korrekte Platzieren des Geräts. Damit die Wärmeübertragung an die Luft gut funktioniert, sollten die Gehäuseseiten freistehen. Das heisst: Das Gerät nicht direkt neben eine Wand stellen, nicht hinter einer Gardine verstecken und die Unterbringung in einem Schrank vermeiden, so der Hersteller leicht ironisch. Das Prinzip scheint aber auf jeden Fall zu funktionieren, wie unser Test zeigt.
Schwarzer High-tech-Monolith
Aber zuerst zum Wesentlichen: Das neue Modell von
Prime Computer kommt wahlweise mit 4-, 8- oder 12-Kern-Intel-Xeon-CPU, bis zu 128 GB DDR4-Arbeitsspeicher und bis zu acht LAN-Anschlüssen. Damit unterscheidet sich das Pro-Modell, zumindest im Innern und abgesehen von der Anzahl LAN-Ports (die von 5 auf 8 gewachsen ist), erstmal nicht gross vom Vorgänger. Doch natürlich hat sich in Sachen Prozessoren in der Zwischenzeit einiges getan. Wahlweise gibt’s einen Xeon D-2123IT (der sich in unserem Testgerät befindet), D-2146NT oder D-2166NT. Die CPUs unterscheiden sich durch ihre Taktfrequenz (marginal), die Thermal Design Power TDP, also der maximal zu erwartenden abzuführenden Wärme (von 60 bis 80 W), der Anzahl Prozessorkerne (4, 8 oder 12) und insbesondere der Anzahl Threads (8, 16 oder 24 beim High-end-Modell). Beim von uns getesteten Modell handelt es sich um ein System, das mit 3916 Franken (ohne OS-Lizenz) zu Buche schlägt, und eher im unteren Preissegment der angebotenen Systeme angesiedelt ist. Zwar gibt’s dafür 32 GB Arbeitsspeicher und 2 TB SSD-Speicher, bei den Prozessoren handelt es sich aber um die günstigste Variante.
Auch beim Gehäuse hat sich im Vergleich zum vorgängigen Servermodell einiges getan. Handelte es sich dabei noch um einen Mini-Server, kann man die Pro-Variante getrost als waschechten Server bezeichnen, der mit seinen neun Kilogramm auch ordentlich Gewicht auf die Waage bringt. Das hat natürlich mit der besonderen Bauweise zu tun, denn das Chassis besteht aus Aluminium und ist etwa doppelt so gross wie das des Primeserver. Dafür sieht es genau so schick aus und ist ebenfalls ganz in Schwarz gehalten. Das Ganze erinnert etwas an die mysteriösen Monolithen aus dem Film "2001 – A Space Odyssey". Um den Server aber zu transportieren, ist er schlicht zu schwer, sollte also, hat er erstmals seinen Platz gefunden, auch dort gelassen werden. An der Oberseite findet man derweil die vom Primeserver bekannten Rillen, die zur Abführung der Hitze da sind. Dadurch sollen Oberflächentemperaturen von bis zu 60 Grad kein Problem sein. Im Test wurde das Gehäuse denn auch nie wirklich zu heiss, auch unter Volllast der CPU. Allerdings sollte die Umgebungstemperatur nicht allzu hoch sein, so dass die Hitze gut an die Umgebung übertragen werden kann. Der Einsatz in einem Hitzesommer setzt also trotzdem ein temperiertes Klima respektive Büro voraus. Der Server wird zudem standardmässig mit einem 19-Zoll-Rack-Mounting-Kit und anschraubbaren Standardfüssen ausgeliefert. So haben Nutzer die Wahl, ob sie das Gerät im Rack montieren oder freistehend platzieren wollen.
Die Front des Geräts wirkt derweil sehr aufgeräumt, finden sich hier doch nur gerade vier Elemente: Ein Power-Button, ein USB-2.0-Port, vier LED-Anzeigeleuchten sowie die Caddy-Einschübe für insgesamt sechs SSDs oder HDD-Festplatten. Diese können mit einem einzigen Handgriff herausgenommen und falls nötig ausgetauscht werden, weiter können sie mit beiliegenden Schrauben gesichert werden. Mindestens ein weiterer USB-Anschluss hätte an dieser Stelle aber locker noch Platz gehabt, damit einfacher und schneller externe Geräte angeschlossen werden könnten.
Dafür ist die Rückseite aber vollgepackt mit Anschlüssen. USB- und Gigabit-Ethernet-LAN-Ports, ein VGA-Anschluss, zwei optionale Schnittstellen für SMA-Antennen und zwei DC-Stromanschlüsse zur redundanten Stromversorgung: Hier findet sich sozusagen alles, was das Server-Admin-Herz begehrt. Im Vergleich zum kleineren Primeserver finden sich zudem an der Oberseite des Geräts verschiedene Einbau-Slots, etwa ein M.2-SSD-Slot oder die vier Steckplätze für den Arbeitsspeicher.
Die Verarbeitung ist tadellos, das ganze Gerät scheint aus einem einzigen Block Metall gefertigt zu sein. So wirkt der Server extrem stabil, sieht edel aus und macht sich so auch dort gut, wo man sonst keinen Server hinstellen würde. Was uns wieder zurück zum Mini-Primeserver bringt. Denn genau das war es, was "Swiss IT Magazine" an diesem so überzeugt hatte: Die Tatsache, dass sich ein Server mitten im Büro aufstellen lässt, ohne aufzufallen. Im Vergleich dazu ist hier einfach alles etwas grösser, massiver und schwerer. Das verleiht dem Pro-Server aber auch ein viel professionellerers Aussehen.
Kein Lüfter – kein Staub
Auch die Pro-Variante des Primeserver arbeitet dabei tatsächlich komplett lautlos. Dank lüfterloser Bauweise und dem Verzicht auf jegliche Art mechanischer Bauteile vernimmt man von dem Gerät absolut rein gar nichts, auch nicht unter Hochbelastung. Und auch bei der Pro-Variante hat
Prime Computer wieder darauf gesetzt, das Gerät möglichst wartungsarm zu machen. So verspricht der Hersteller Schmutz- und Staubresistenz dank geschlossenem Gehäuse, was für eine längere Lebensdauer der einzelnen verbauten Teile sorgen soll.
Allerdings finden sich an der oberen Seite des Geräts bei den Öffnungen für die Arbeitsspeicher- und PCI-Slots zwei Stellen, wo durchaus Staub in das Gerät gelangen kann. Denn hier sind zwei Gitter als Abdeckungen angebracht, die sich mittels Schrauben lösen lassen, um Komponenten schnell und einfach auszutauschen. Wie sich das bei längerer Nutzung auf den Server auswirkt, ist schwierig zu sagen. Immerhin können die Gitter entfernt und Staub so manuell beseitigt werden, beim Testgerät war allerdings bereits sichtbar, dass sich das eine Gitter, wohl durch mehrmaliges Öffnen und Schliessen, etwas verbogen hatte.
Glücklicherweise bietet Prime Computer allen Käufern 5 Jahre Garantie und verspricht den Ersatz von Teilen innerhalb von maximal fünf Arbeitstagen. Man scheint also grosses Vertrauen in die eigene Bauweise und Komponenten zu haben.
Ins Innere des Servers, also dahin, wo sich quasi das Gehirn des Geräts befindet, gelangen aber definitiv keine Staubpartikel, denn die CPU und Grafikeinheit sind separat abgetrennt und bestens vor Abnutzung und Verschmutzung geschützt. Die Garantie deckt übrigens sämtliche Defekte an Teilen ab, insofern diese nicht auf unsachgemässen Umgang zurückzuführen sind. Das Öffnen des Gehäuses ist dabei, und das ist dem Hersteller hoch anzurechnen, vom Garantiebruch ausgenommen. Bastler dürfen also beruhigt sein und können auch mal einen Blick ins Innere werfen, ohne auf die wertvolle Garantie verzichten zu müssen.
Support & Stromverbrauch
Das in St. Gallen beheimatete Unternehmen montiert alle Geräte in der Schweiz, und zwar in einer hauseigenen Werkstatt. Dies sorgt dafür, dass bei Problemen schnell Hilfe geleistet werden kann. Einen kleinen Haken gibt’s allerdings trotzdem. Denn wer Vorort-Support für seinen Server will, der zahlt dafür in Form des "Itris Supportpacks". Dessen Preis richtet sich nach dem Systempreis und wird automatisch berechnet, liegt aber gemäss Online-Kalkulator mit 24/7-Supporthilfe, einer Reaktionszeit von vier Stunden und einer Laufzeit von 60 Monaten bei mindestens 2400 Franken.
Besonderen Wert legt
Prime Computer auf die Umwelt und verspricht, dass ein Grossteil der verbauten Teile wiederverwertbar oder recyclebar sind. Inwieweit das wirklich realistisch ist, bleibt dahingestellt, PR-technisch tönt das aber sicher gut und könnte auch den einen oder anderen Käufer überzeugen. Was definitiv ökologisch ist, ist der – für einen Server – geringe Stromverbrauch, der im Test durchschnittlich zwischen 60 und 85 Watt lag. Der tatsächliche Stromverbrauch hängt aber natürlich von der gewählten Konfiguration, der Nutzung und hauptsächlich vom Prozessor ab, doch insgesamt verbrauchen die Geräte eindeutig ein gutes Stück weniger Strom als ein handelsüblicher Server mit vergleichbarer Leistung. Die Geräte werden beispielhaft dafür jeweils mit zwei (redundanten) 180-Watt-Netzteilen geliefert, was doch ziemlich wenig ist für einen Server mit dieser Ausstattung.
Performanz & Konkurrenz
Lüfterlose Computer gibt’s wie Sand am Meer. Allerdings fast durchs Band nur in geringer Grösse, etwa als NUC oder im Mini-PC-Formfaktor. Oder aber natürlich als Smartphone oder Tablet.
Wer derweil einen Server ohne aktive Lüftung sucht, der auch noch mit der (aktiv gekühlten) Konkurrenz in Sachen Performanz mithalten will, wird bei der Suche Schwierigkeiten haben. Zwar gibt es einige kleinere Hersteller, die individuell angefertigte Produkte anbieten. Im grossen Stil scheint der Markt aber keineswegs mit solchen Produkten überflutet zu sein. Deshalb ist es auch schwierig, die gebotene Leistung des hier vorliegenden Primeserver Pro mit einem ähnlichen Produkt in Beziehung zu setzen. Die grösste Konkurrenz dürfte wohl
Prime Computer selber sein, denn der günstigere und kleinere Primeserver macht bereits vieles ähnlich, und bietet andere Vorteile, etwa was die Portabilität angeht.
Im Vergleich zum Primeserver bietet das Pro-Modell dafür aber auch eine ganze Reihe an Pluspunkten, die für viele unverzichtbar sein könnten, wenn es darum geht, einen Server zu kaufen. Und damit richtet sich die Pro-Version auch an eine ganz andere Zielgruppe. So ist etwa das Nachrüsten von Arbeitsspeicher viel einfacher möglich und dank den Hot-Swap-Caddys lassen sich auch SSDs und Festplatten in kürzester Zeit auswechseln. Die Möglichkeit, den Server direkt auch auch als 19-Zoll-Rack-Modul einzusetzen, ist ein weiterer Punkt, mit dem sich der Primeserver Pro gegenüber seinem kleinen Bruder abgrenzt.
In Sachen Leistung macht
Prime Computer mit dem Pro-Server seinem Namen alle Ehre und holt, trotz der quasi selbst auferlegten Krücke (der lüfterlosen Kühlung), soviel aus den verbauten Komponenten heraus, wie wohl nur irgendwie möglich ist. Mit den Xeon-Skylake-D21xx-Prozessoren aus dem Jahr 2018 ist man für das Gros der typischen Serveranwendungen gut gerüstet, selbst mit der günstigsten Ausführung. Wer den Server nicht als Machine-Learning- oder KI-Trainings-Maschine verwenden will, findet hier sicher eine ideale, stromsparende und vielseitige Lösung für verschiedenste Anwendungsbereiche.
Im Passmark-CPU-Benchmark-Test erreicht das System denn auch 8178,6 Punkte und lässt damit immerhin 72 Prozent aller gemessenen Systeme hinter sich zurück. Aufgrund der lüfterlosen Bauart müssen aber trotzdem Abstriche in Sachen Leistung gemacht werden. Weil sich im Innern des Geräts, wie auch beim Primeserver, kein Platz für eine dedizierte Grafikkarte findet, hat der Server bei grafikintensiven Anwendungen keine Chance mitzuhalten. Die Grafikausgabe wird vom PCIe-Grafik- und Basement Management Controller (BMC) Aspeed AST2500 übernommen, der keine 3D-Beschleunigung unterstützt, dafür aber immerhin die Möglichkeit zur Fernwartung bietet. Das bedeutet zusammengefasst: Insgesamt fällt die Leistung in Bezug auf CPU, Arbeitsspeicher und Speichermedien (im Testmodell Samsung DTC SSDs) sehr gut aus, sobald es um 2D- und 3D-Workloads geht, wird das Gerät aber in die Knie gezwungen. Allerdings, wer einen Server kauft, informiert sich vorher über die Ausstattung und ob diese für den geplanten Anwendungsfall hinreichend ist. Und hier gibt’s auf jeden Fall einen riesigen Spielraum für den Primeserver Pro.
(swe)