Angesichts dessen, dass die Schweizer Wirtschaft einhellig über den Mangel an IT-Fachkräften stöhnt, könnte man davon ausgehen, Arbeitslosigkeit sei für ebendiese IT-Fachkräfte bestenfalls eine Randerscheinung. Dem ist nicht so. Gemäss der Erhebung «ICT-Fachkräftesituation: Bedarfsprognose 2026», die das Institut für Wirtschaftsstudien Basel im Auftrag von ICT-Berufsbildung Schweiz im Herbst 2018 veröffentlicht hat, zählte das Berufsfeld ICT in der Schweiz per 2017 7200 erwerbslose Informatiker, denen 199’200 Beschäftigte ITler gegenüberstanden. Damit lag die Erwerblosenquote in der ICT bei 3,5 Prozent, während die gesamtschweizerische Erwerbslosenquote bei 4,8 Prozent lag.
Ein ähnliches Bild zeigte sich 2017 auch bei der Arbeitslosenquote, sprich bei der Betrachtung der Personen, die beim RAV als arbeitslos gemeldet sind – während mit Erwerbslosen die Personen definiert werden, die erwerbswillig sind, jedoch keiner Beschäftigung nachgehen. Auch die Arbeitslosenquote lag 2017 in der IT recht deutlich unter der Gesamtwirtschaft – allerdings nur bis und mit der Alterskategorie 50 bis 54 Jahre. Ab 55 Jahren wird das Arbeitslosenrisiko in der IT höher als in anderen Branchen und lag 2017 ab 60 mit 5,6 Prozent fast doppelt so hoch wie bei der Gesamtwirtschaft, wo das grösste Arbeitslosigkeitsrisiko zwischen 25 und 39 Jahren liegt.
Eine Alterserscheinung
«Swiss IT Magazine» wollte diesem Phänomen für den Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe (noch kein Abo?
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Von den Personen, die an der Abstimmung teilgenommen und sich somit als arbeitslose ICT-Spezialisten gemeldet haben, waren 49,3 Prozent älter als 54 Jahre, und weitere 33,6 Prozent zwischen 45 und 54 Jahre alt. Das unterstreicht, dass Arbeitslosigkeit in der ICT doch vor allem im Alter auftritt.
Bezüglich Ausbildung lässt sich derweil aufgrund der Umfrageergebnisse kein klares Bild zeichnen – 31,5 Prozent der arbeitslosen ICT-Spezialisten verfügt laut Selbstdeklaration über einen HF-Abschluss (Höhere Fachschule), 30,8 Prozent über einen Fachhochschul- oder Uni-Abschluss, und nochmals 30,1 Prozent über eine abgeschlossene Berufsausbildung beziehungsweise Matura. 11,6 Prozent waren zuletzt in der Geschäftsleitung beziehungsweise einer CxO-Position beschäftigt, 37 Prozent bekleidete eine mittlere Kaderposition, 16,4 Prozent eine untere Kaderfunktion und 34,2 Prozent waren ohne Kaderfunktion im Job.
Weiterbildung kommt mit der Zeit
42,5 Prozent der 146 Befragten befindet sich seit weniger als 6 Monaten in Arbeitslosigkeit, 16,4 Prozent seit 6 bis 12 Monaten, 14,4 Prozent seit 1 bis 2 Jahren und 24,7 Prozent seit zwei und mehr Jahren. Betrachtet man lediglich die Arbeitslosen, die älter als 54 Jahre sind und rund die Hälfte unserer Umfrageteilnehmer ausmachen, sind 36,1 Prozent länger als zwei Jahre arbeitslos.
Rund die Hälfte der befragten Arbeitslosen hat bislang zwischen 20 bis 100 Bewerbungen versandt, während fast jeder fünfte laut eigenen Angaben bereits mehr als 200 Bewerbungen verschickt hat. Und mehr als zwei Drittel gibt an, bei weniger als 5 Prozent dieser Bewerbungen dann zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein.
Eine weitere spannende Erkenntnis: Auf die Frage, welche Weiterbildungsmassnahmen seit der Arbeitslosigkeit ergriffen wurden, antworteten rund 40 Prozent «keine» und etwa gleich viel, dass sie eine Weiterbildung auf einem ICT-Fachgebiet absolviert haben, während 7,5 Prozent sich auf einen Non-ICT-Job umschulen liessen. Betrachtet man all diejenigen, die bereits ein Jahr und mehr arbeitslos sind, steigt der Anteil derer, die sich auf einem ICT-Fachgebiet weitergebildet haben, auf fast 50 Prozent, und 13,3 Prozent haben sich umschulen lassen.
Sozialkosten als Klotz am Bein
Abgefragt wurde bei den Umfrageteilnehmern auch, wie sie ihr aktuelles Fachwissen einschätzen und wie sie schätzen, dass ihr Fachwissen von den Stellenausschreibern beurteilt wird. 58,2 Prozent gaben dabei zu Protokoll, das Know-how sei auf aktuellem Stand, während aber nur 44,5 Prozent angaben, dass das Fachwissen von den Stellenausschreibern als aktuell beurteilt wird. Hier zeigt sich doch eine beachtliche Diskrepanz.
Spannend sind die Antworten auf die Frage, welche Gründe hinter der Ablehnung der Bewerbungen vermutet wird. Sage und schreibe 78,1 Prozent gibt hier zu Protokoll, sie würden vermuten, dass das Alter den Ausschlag gegeben hat. Bei den Umfrageteilnehmern Ü45 vermuten sogar 90,9 Prozent, dass sie als «zu alt» beurteilt werden.
Ebenfalls wollten wir im Zusammenhang mit der Ablehnung aufgrund des Alters von den arbeitssuchenden ICT-Spezialisten wissen, welche altersbedingten Gründe denn ihrer Meinung nach bei der Ablehnung mit eine Rolle spielten. Auch hier ist der Tenor klar: 70,5 Prozent sehen die hohen Sozialkosten als Klotz am Bein, und 54,1 Prozent vermuten als Ablehnungsgrund das Argument, dass die Stellenausschreiber der Meinung sind, das Alter des Bewerbers sei nicht mit der Unternehmenskultur vereinbar.
Nur jeder Fünfte sieht Lohn als Problem
Separat abgefragt wurde die Lohnthematik, von der 20,5 Prozent vermuten, dass zu hohe Erwartungen zur Ablehnung einer Bewerbung geführt haben. Auf die Frage: «Wären Sie bereit, zu einem tieferen Lohn zu arbeiten als bei Ihrer letzten Stelle?» antworteten lediglich 13 Prozent: «Nein, da bin ich kompromisslos» 41,8 Prozent würden bis 10 Prozent Lohneinbusse in Kauf nehmen, 26,7 Prozent gar bis 20 Prozent, 11 Prozent bis 30 Prozent und 6,8 Prozent sogar mehr als 30 Prozent. Interessant ist bezüglich des Themas Lohn, dass bei der Befragung von Personalverantwortlichen (eine Artikel mit entsprechenden Umfrageergebnissen schalten wir morgen auf) die hohen Lohnforderungen – die nur jeder Fünfte Bewerber als problematisch erachtet – als Hauptargument gegen die Anstellung älterer Bewerber genannt wird.
Zu den weiteren vermuteten Ablehnungsgründen noch: 23,3 Prozent vermuten, ihre zu einseitige Berufserfahrung hätte dazu geführt, dass die Bewerbung abgelehnt wurde, 21,9 Prozent die mangelnde oder zu einseitige Aus-/Weiterbildung, 11 Prozent die mangelnde Flexibilität etwa bezüglich Arbeitsort oder Arbeitsbedingungen, und 7,5 Prozent die mangelnde Berufserfahrung.
«Swiss IT Magazine» möchte an dieser Stelle all jenen, die an der Umfrage teilgenommen und so wertvollen Input geliefert haben, recht herzlich danken.
Morgen zeigen wir in einem weiteren Online-Artikel, welche Vorbehalte Personalverantwortliche gegenüber älteren IT-Bewerbern haben. Unter anderem erklären die HR-Spezialisten, ältere Bewerber wollten zu viel Lohn.
(mw)