Actesy verbindet digitale Welten
Quelle: Actesy

Start-up

Actesy verbindet digitale Welten

Das Team hinter Actesy sieht sich als Beschleuniger für die digitale Transformation. Dazu hat das Start-up ein Metadaten-Framework entwickelt, das bestehende Business-Systeme auf einfache Art miteinander vernetzt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2019/04

     

Die Digitalisierung gilt als eine der grössten Herausforderungen, welche Unternehmen im 21. Jahrhundert zu meistern haben, um erfolgreich zu sein. Doch was genau ist damit überhaupt gemeint? Peter Imthurn, Verwaltungsratspräsident und Mitgründer des St. Galler Start-ups Actesy, hat darauf eine simple, aber prägnante Antwort: "Unter dem Schlagwort Digitalisierung versteht man heute, Systeme, die nicht miteinander entwickelt wurden, zusammenarbeiten zu lassen." Und genau das ist es, was sich Actesy auf die Fahne geschrieben hat. Das vor knapp einem Jahr gegründete Unternehmen steht für Prozessoptimierung, Systemoffenheit, Sicherheit und Agilität, so Imthurn, der auf 30 Jahre Erfahrung in der IT-Branche, davon 18 Jahre als Verwaltungsratspräsident und CEO bei GUS Schweiz, zurückblicken kann und sich besonders mit ERP-Systemen bestens auskennt.

Systeme als monolithische Blöcke

Davon gibt es zur Genüge, von Oracle über Microsoft bis hin zu SAP. "Doch Unternehmen stehen oft vor der Herausforderung, dass sich niemand wirklich darum kümmert, die Systeme miteinander kommunizieren zu lassen", so Imthurn. "Jedes System wird quasi als monolithischer Block konzipiert."

Das hat die vier Gründer von Actesy (der Name ist übrigens ein Portmanteau aus dem englischen Begriff Act für Handeln, E für Elektronik und Sy für Systeme, aber auch eine Anlehnung an Act Easy, jedoch nicht an Ecstasy, der Droge, wie Imthurn betont) dazu bewogen, ein Framework zu schaffen, das es Unternehmen erlaubt, ihre sich bereits im Einsatz befindenden Systeme miteinander zu vernetzen. Die Gründer, das sind neben Peter Imthurn auch sein Sohn und Geschäftsführer Andreas Imthurn, Sandro Secci, CIO, sowie Tim Kühnl, CTO und nebenbei auch Inhaber der deutschen Firma Tiksys, auf deren Technologie Actesy teilweise aufbauen konnte.


Actesy will es Unternehmen also ermöglichen, aus der Abhängigkeit von schwerfälligen und oft komplexen (ERP-)Systemen auszubrechen, so dass sie für einzelne Abläufe oder Anwendungsszenarien jeweils die beste Anwendung wählen können, diese aber stets miteinander verknüpfen und so in einen einzelnen Workflow einbinden können. "Alte Schnittstellentechnologie ist wie mit alten Kanonen auf alte Burgen zu schiessen", postuliert Imthurn und erinnert sich dabei an die mühselige Arbeit, die das mit sich bringen kann: "In meiner Karriere habe ich sicher 300 Mal eine Schnittstelle zu SAP gebaut. Und jedes Mal hiess es, man müsse diese so konzipieren, dass man sie später wiederverwenden kann. Das hat aber nie wirklich funktioniert." Dafür gebe es drei Gründe: Erstens wurde immer jeweils für einen spezifischen Anwendungsfall entwickelt, zweitens stand man immer unter Zeitdruck und drittens sorgten eingeschränkte Budgets dafür, dass die Schnittstellen nicht zu dem wurden, was eigentlich erhofft wurde.

Man könne das Ganze auch mit dem Strassenbau vergleichen: "Jeder reisst die Strasse wieder auf, wenn eine neue Leitung verlegt werden soll. Was wir anders machen ist, wir reissen sie einmal auf, legen einen grossen Kanal, worin wir danach im Tagesbetrieb unterschiedliche Leitungen einziehen können." So könnten die Adaptoren im Nachhinein kundenspezifisch angepasst werden.

Mittlerweile besteht das Ökosystem des Start-ups aus einer Fülle von Adaptoren für alle erdenklichen Business-Anwendungen. "Kunden können so ihre Systeme individuell mit unseren über 250 verfügbaren Adaptern verknüpfen", erklärt CIO Sandro Secci.

Anfänge

Das erste grosse Projekt, das Actesy in seiner noch kurzen Lebenszeit umsetzen konnte, resultierte aus der Nachfrage ­diverser Kunden, "die einen Online-Shop anbinden wollten, diesen aber noch etwas tiefer integrieren wollten, also Prozesse aus dem Shop heraus auch mitintegrieren wollten", erinnert sich Imthurn und ergänzt: "Dazu zählen etwa die Integration von Logistik- und Beratungsleistungen, die man mit einem einfachen, klassischen Shop-System nicht so einfach integrieren kann."

Ein weiteres grösseres Projekt stammte derweil von einem "der besten Sportwagenbauer in Europa", verrät Imthurn. "Dabei ging es um den Abgasskandal und dem damit in Zusammenhang stehenden Typenschein." Hier musste für die genaue Nachverfolgbarkeit von einzelnen Komponenten und Angaben gesorgt werden. "Das Unter­nehmen hatte ein halbes Jahr Zeit für die Auditierung, wir konnten das Projekt in drei bis vier Monaten umsetzen", so Secci.


Ebenfalls von grosser Bedeutung ist ein Produkt, welches auf das heimliche Schatten-ERP-System in jedem Unternehmen zielt: Microsoft Excel. Heute werden immer noch enorm viele Reports mit dem Tabellenkalkulationsprogramm erstellt. Doch Änderungen in den einzelnen Tabellen oder Formeln in Excel-Files seien oft schwer nachvollzieh- und verfolgbar. Hier soll der von Actesy entwickelte Excel Easy Adaptor Abhilfe verschaffen. "Dadurch haben wir quasi Excel auditiert", erklärt Secci.

Mit dem Excel Easy Adaptor können bestehende Excel-Anwendungen eingebunden oder abgelöst werden, erklärt Imthurn. Sowohl die Business-Logik als auch die Daten werden dabei übernommen. Und mit der Integration der Excel-Anwendung wird auch gleich die zugrundeliegende Logik dokumentiert und nachvollziehbar. Es entsteht ein ganzheitlicher Audit Trail.

Ursprünglich als ein für einen spezifischen Kunden entwickeltes Projekt konzipiert, bietet Actesy den Excel Easy Adaptor heute Kunden als fertiges Produkt an. Im gleichen Stil sei mit Valeasy ein weiteres Produkt im Portfolio von Actesy gelandet, so CIO Secci: "Hier geht es darum, Prozesse erstens grafisch aufzuzeichnen, zweitens Prozesse und Workflows zu testen, und drittens den ganzen Ablauf automatisiert zu dokumentieren und zu validieren."

Zielgruppen

Grundsätzlich fokussiert Actesy nicht auf eine spezifische Zielgruppe. "Wir stellen schlicht die Technologie zur Verfügung, mit der die bereits bestehenden Systeme der Kunden miteinander verbunden werden können", so Imthurn. Der Verkaufsmechanismus funktioniere dabei denn auch etwas anders als normal.

Einerseits geht Actesy KMU direkt an, die Lösungen für ein spezifisches Problem brauchen. Als zweiter Verkaufskanal kommen derweil Beraterfirmen zum Zug, bei denen die Digitalisierung ihrer Kunden zuoberst auf der Agenda steht. "Diese erhalten von uns ein Tool, analog des altbekannten Schweizer Taschenmessers an die Hand, mit dem sie nicht nur beraten, sondern ihren Kunden auch während dem Projekt bei der Umsetzung helfen können", erklärt Imthurn. Deshalb seien Schulungen rund um das Actesy Metdaten-Framework wichtig. Denn so verhelfe Actesy seinen Kunden zur Selbsthilfe.

Wachstumspläne

Actesy hat heute neben St. Gallen bereits Standorte in Berlin, Tübingen und Holland – weitere Standorte in den USA und Kanada werden zurzeit diskutiert. Global beschäftigt das Start-up zwischen 20 und 25 Angestellte, wovon sieben in der Schweiz tätig sind.

Bezüglich Wachstumsplänen sieht sich Actesy vor einer gewissen Herausforderung. "Der Markt reisst uns die Produkte fast aus den Händen", so Imthurn. Dabei seien einige der Produkte oder Projekte relativ selbsterklärend, bräuchten also nach der Implementation keinen grossen Aufwand seitens Actesy. Bei anderen Produkten, etwa wenn es darum geht zwei grosse Business-­Systeme miteinander zu verbinden, sei aber das Business-Verständnis seitens der Kunden stark gefordert. Dabei werde daher auch fast immer ein externes Beratungsunternehmen mit an Bord sein, das sich etwa um die Schulung der Mitarbeitenden oder den Support kümmert.


So könne man einerseits aus eigener Kraft und mit eigenem Personal wachsen, wobei Imthurn mit rund 15 bis 20 Prozent Wachstum im Jahr rechnet, "Wenn die Beraterfirmen, wo wir momentan eine sehr starke Nachfrage haben, tatsächlich die gewünschte Qualität erreichen und Projekte gut umsetzen, können wir aber auch quasi über die Multiplikation unserer Partner wachsen." Damit wäre auch ein viel stärkeres und schnelleres Wachstum denkbar.

Actesy ist von den Gründern komplett selbstfinanziert, dadurch könne die Vision des Gründerteams weiterhin unabhängig und nachhaltig verfolgt werden, erklärt Imthurn und ergänzt: "Die Firma ist im Besitz des Managements." (swe)


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