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Das Tablet, das ein Notebook sein wollte
Quelle: Apple

iPad Pro (2018)

Das Tablet, das ein Notebook sein wollte

Apple möchte sein neues iPad Pro als Notebook-Killer verstanden wissen. Dabei geht schnell vergessen, dass das Gerät einfach ein sehr gutes, wenn auch sehr teures Tablet ist, das über genügend Leistung verfügt, um auch längerfristig attraktiv zu bleiben.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2018/12

     

Apple trägt noch immer eine schwere Last, nämlich das Erbe von Steve Jobs, der das Unternehmen aus Cupertino zu einem der globalen Leader im Bereich der technischen Innovation und des Designs gemacht hat. Apple-Fans auf der ganzen Welt fiebern Jahr für Jahr gespannt den neuesten Ankündigungen der Kalifornier entgegen. Doch es wird immer schwieriger, Geräte zu entwickeln, die radikal Neues bieten. Zum einen, weil technologische Quantensprünge aus rein physikalischen Gründen nicht mehr so einfach zu bewerkstelligen sind, aber auch, weil die Nutzer sich an gewisse Standards gewöhnt haben, die selbst für Technologieriesen wie Apple nicht leicht umzustossen sind, ohne ein erhebliches Risiko einzugehen. Von Apple wird Innovation jedoch geradezu erwartet, und so muss jede Präsentation eines neuen Produktes einschlagen, als hätte das Unternehmen das Rad neu erfunden, auch wenn sich die Neuerungen in Wahrheit in Grenzen halten.


Das bringt uns zum neuen iPad Pro. Damit wagt Apple abermals den Spagat zwischen einem Smartphone und einem Laptop, und bewirbt es als ein Gerät, das könne, was ein Computer kann, aber funktioniere wie ein iPhone. Vor allem aber sei das Gerät leistungsfähiger als die meisten Laptops. Genug Zunder, um unter Tech-Journalisten eine Diskussion zu entfachen, ob das neue iPad Pro nun ein vollwertiges Notebook ersetzen könne.

Viel Design und grosses Preisschild

Lässt man diese Frage jedoch ausser Acht, dann hält man zunächst ein 468 Gramm leichtes Tablet aus Metall und Glas in der Hand, das einen hochwertigen Eindruck macht. Das Design ist kantig, aber ansprechend minimalistisch. Es lässt das neue iPad Pro ein wenig wirken wie ein aufgeblasenes iPhone 5 oder iPhone SE minus den Home Button, denn das Liquid Retina Display des iPad Pro besitzt ein All-Screen Design. Das heisst soviel, dass der Rahmen gerade einmal 8 Millimeter breit ist und mit abgerundeten Ecken daherkommt. Kein Platz also für einen klobigen, mechanischen Knopf mit einem Fingerabdruck-Scanner. Die Zukunft ist ohnehin digital und der Home Button musste einer feinen weissen Linie weichen, die jeweils am unteren Ende des Bildschirms eingeblendet und durch eine Wischbewegung aktiviert wird. Entsperrt wird das iPad Pro übrigens mittels Face ID oder aber durch Eingabe eines PIN-Codes.


Das in unserem Fall 11 Zoll grosse Tablet ist nur 5,9 Millimeter dick und dadurch handlich. Die Kehrseite der Medaille ist aber, dass die rückwärtige 12-Megapixel-Kamera, die in der linken oberen Ecke des Gehäuses angesiedelt ist, zwei Millimeter hervorsteht. Legt man das iPad Pro auf eine ebene Unterlage, dann ist dies spürbar, denn das Tablet wackelt bei Berührung des Bildschirms leicht. Übt man stärkeren Druck in der Mitte des Displays aus, dann gibt dieses auch nach. Für bleibende Schäden an der Elektronik dürfte dies jedoch nicht reichen, was beruhigend wirkt, denn das würde einen teuer zu stehen kommen. Wie so oft bei Produkten aus dem Hause Apple ist der Preis ein delikates Thema. Das ist auch beim neuen iPad Pro nicht anders. Das uns vorliegende 11-Zoll-Modell mit einem Terabyte Speicherplatz kostet 1799 Franken. Will man neben Wi-Fi auch eine SIM-Karte nutzen – physisch oder eSIM –, dann muss man 1979 Franken hinblättern. Das Zubehör treibt den Preis zusätzlich in die Höhe. Das Smart Keyboard Folio kostet 199 Franken, der neue Apple Pencil ganze 149 Franken. Will man das neue iPad Pro also so nutzen, wie Apple es vorgesehen hat, nämlich als Ersatz für ein Notebook, dann muss man bereit sein, sich von einer nicht unerheblichen Summe Geld zu trennen.

Ein Tablet mit dem Herz eines Notebooks

Auf der Habenseite hat man dann aber kompakte und relativ robuste Hardware, die darüber hinaus mit einer guten Portion Leistung ausgestattet ist. Das Entsperren des iPad Pro mittels Face ID funktioniert einwandfrei und schnell, unabhängig davon, ob man das Tablet waagrecht oder senkrecht hält. Als nächstes fällt auf, wie gut das LCD-Display ist. Die Farben wirken stets lebendig, die Inhalte auf dem Bildschirm sind gestochen scharf. Das Liquid Retina Display hat eine Auflösung von 2388×1668 Pixeln bei 264 ppi und eine Helligkeit von 600 Nits. Es deckt den P3-Farbraum ab und dank True-Tone-­Technologie kann das Display auch den Weissabgleich und die Intensität der Farben an das Umgebungslicht anpassen. Das ist nicht blosse Spielerei, der Effekt ist sichtbar und macht das Arbeiten auch im Freien angenehm. Auch die Lautsprecher wurden verbessert und können einen beeindruckenden Klangteppich erzeugen.


Punkten kann das neue Tablet von Apple aber vor allem mit der Rechenleistung. Der hauseigene A12X-Bionic-Chip erreicht im Benchmark von Geekbench ähnliche Werte wie ein Macbook Pro. Von diesem Killer Feature merkt man bei gewöhnlichen Tasks und im Umgang mit simplen Apps freilich wenig. Klar, das iPad Pro ist flott unterwegs, öffnet Apps blitzschnell und reagiert verzögerungsfrei auf Eingaben, das können ältere Modelle aber auch. Apple hat den Chip jedoch verbaut, um rechenintensive Anwendungen wie beispielsweise Grafikprogramme, aktuelle Spiele oder Augmented Reality zu unterstützen. So soll Anfang 2019 eine Version von Adobes Photoshop CC für das iPad Pro verfügbar sein, was Grafik-Profis durchaus interessieren dürfte. Trotz der vielen Leistung ist erfreulich, dass der Akku beinahe hält, was Apple verspricht. Bei nicht sehr konservativer Nutzung ein wenig mehr als neun Stunden und damit nur knapp unter den angepriesenen zehn.
Zum Multitalent wird das Tablet aber erst mit dem richtigen Zubehör. Das Smart Keyboard Folio wird magnetisch an der Rückseite des iPad Pro fixiert und Schützt es so vor Kratzern, die Tastatur selbst fungiert als Abdeckung für das Display. Strom und Daten fliessen über einen Anschluss mit drei Pins, wodurch die Verbindung via Bluetooth entfällt. Auch wenn die Tastatur und damit auch die Tasten relativ klein sind, lässt sich damit nach kurzer Einarbeitungszeit gut schreiben. Der Anschlag der Tasten ist erstaunlich angenehm. Vermissen werden die meisten Nutzer aber wohl ein Trackpad, denn die Funktion einer Maus müssen nach wie vor die Finger übernehmen, was umständlich ist, weil man dafür jedes Mal eine Hand von der Tastatur nehmen muss. Apple bietet auch einen neuen Pencil an, der nicht mehr mit älteren iPads kompatibel ist. Er ist auf einer Seite abgeflacht und lässt sich so mittels Magneten am Rahmen des iPad Pro fixieren. Hier wird er auch drahtlos aufgeladen. Der vordere Teil des Stifts beheimatet übrigens einen Touch-Button. Tippt man zweimal drauf, wechselt die Funktion des Stiftes zum Radierer. Je nach App ist es aber möglich, auch andere Aktionen damit auszulösen.


Nicht zuletzt setzt Apple neuerdings auf einen USB-C-Anschluss. Dadurch lassen sich etwa externe Geräte wie zum Beispiel Bildschirme an das iPad Pro koppeln. Auch externe Speichermedien können angeschlossen werden, jedoch lassen sich von diesen nur Fotos und Videos laden. Apple macht mit dem iPad Pro also durchaus Schritte in die richtige Richtung, die Frage ist nur, ob diese reichen, um potentielle Käufer zu über­zeugen. (luc)

Kommentare
Im Gegensatz zur Meinung im Text, sind Quantensprünge in der Elektronik nicht schwierig. Schliesslich bezeichnet man damit in der Physik die kleinste, bekannte Energie-Manifestation, die zudem nur zufällig auftritt. So sind die Aussagen von Politikern zu sehen, die ihr Wirken oft als Quantensprung bzeichnen ;-)
Sonntag, 2. Dezember 2018, Peter Müller



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