"Swiss IT Magazine": Auf der Website von Galexis zitieren Sie Albert Einstein mit den Worten: "Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher." Inwieweit gilt diese Aussage für Ihre IT?Cord-Ulrich Fündeling: Galenica ist eine Unternehmensgruppe, die verschiedene Geschäftsbereiche, Gesellschaften und Businessmodelle in sich vereint. Bedingt dadurch ist die IT ziemlich heterogen aufgebaut, denn jede Gesellschaft hat – basierend auf dem jeweiligen Businessmodell und den damit verbundenen Prozessen – andere Anforderungen an die IT.
Also dürfte es schwierig sein, einen einfachen IT-Betrieb aufrechtzuerhalten.Das stimmt. In der Vergangenheit war es so, dass die Gesellschaften weitgehend unabhängig voneinander agierten – gerade was die IT angeht, wo die Koordination allenfalls lose war. Seit dem vergangenen Jahr geht die Entwicklung der Unternehmensgruppe nun aber vermehrt in Richtung Nutzung von Synergien, Harmonisierung und Alignierung. Dies wurde angeregt durch unseren CEO, Jean-Claude Clémençon, der nach der Aufteilung der damaligen Galenica Gruppe (IPO) im April 2017 sein Amt angetreten hat. Die IT spielt in diesen Bestrebungen natürlich eine wesentliche Rolle, und wir sind aktuell damit beschäftigt, die Synergiepotentiale in der IT zu ermitteln und sie dann dort zusammenzuführen, wo eine Zusammenführung Sinn macht. In diesem Prozess stecken wir aktuell mittendrin.
Was ist das Ziel dieser Zusammenführung?Die Alignierung der IT wird den Betrieb über kurz oder lang vereinfachen. Allerdings steht noch ein gutes Stück Arbeit vor uns. Es warten noch zahlreiche Projekte auf uns, und auch organisatorisch gibt es einiges zu tun.
Organisatorisch?Aktuell gibt es innerhalb der Galenica Gruppe noch fünf IT-Abteilungen, von denen ich die grösste leite. Seit diesem Frühjahr habe ich zudem die Aufgabe, als IT-Fachverantwortlicher die gesamte IT-Landschaft der Gruppe koordiniert weiterzuentwickeln. Doch ungeachtet dessen agieren die vier übrigen Abteilungen nach wie vor relativ unabhängig. Hier gilt es, eine engere Koordination herbeizuführen. Zudem streben wir an, gewisse Dienstleistungen in Zukunft zentral zu erbringen. Schon letztes Jahr wurden IT-Abteilungen organisatorisch unter meiner Leitung zusammengefasst, und im kommenden Jahr wollen wir den IT-Betrieb und den IT-Support für das gesamte Apothekennetzwerk, das aus 350 Apotheken besteht und das heute noch bei einer separaten Abteilung angesiedelt ist, zentral übernehmen.
Wieso wurde die Zusammenführung der IT der gesamten Gruppe nicht schon früher angestrebt?Ich denke, der Hauptgrund dafür liegt darin, dass die Führung der Gruppe vor dem erwähnten IPO einen anderen Fokus hatte. Jede Einheit mit ihrem eigenen Businessmodell und ihren eigenen Prozessen sollte so selbständig wie möglich agieren können. Kommt hinzu, dass Galenica in den letzten Jahren stetig gewachsen ist und neu dazugekommene Einheiten vorerst in ihren bestehenden Umgebungen weiterarbeiten konnten oder mussten. Seit dem IPO und der Konzentration auf das Schweizer Geschäft wird es für die Galenica Gruppe immer wichtiger, Synergiepotentiale zu nutzen und zumindest bei den Back-Office-Funktionen eine einheitliche Basis zu bilden, auf der man aufbauen kann.
Aber die Idee ist nach wie vor, den einzelnen Einheiten eine gewisse Unabhängigkeit zu bewahren, auch in der IT?Genau, wir wollen dort eine gemeinsame Basis schaffen, wo es Sinn macht. Wo das ist, wird aktuell im Rahmen einer gruppenweiten IT-Strategie noch erarbeitet und soll bis Ende Jahr finalisiert werden. Im Rahmen dieser Strategie unterscheiden wir im Wesentlichen zwischen Bereichen rund um Ressourcen- und Führungsprozesse, wo sich gemeinsame Systeme anbieten und wo man durchgängige Prozesse anstrebt, und dem Bereich der wertschöpfenden Prozesse, der unter Umständen auch künftig sehr spezifisch gestaltet sein muss. Doch auch hier verfolgen wir das Ziel, auf grössere Plattformen zu setzen – ein Stichwort ist dabei sicherlich SAP. Eines unserer grossen aktuellen Projekte ist die Einführung von SAP S/4 Hana, wo ein erster Teil im ersten Quartal 2019 live gehen soll.
Kann man denn mit einem Koloss wie SAP spezifisch die Bedürfnisse einzelner Prozesse adressieren?Ja, wir sind überzeugt, dass SAP S/4 Hana dank dem Baukastenprinzip die nötige Flexibilität bietet, um spezifisch auf verschiedene Anforderungen zu reagieren. SAP wird künftig ein wichtiger Eckpfeiler unserer IT-Infrastruktur.
Wurden Alternativen zu SAP geprüft?Ja, Alternativen wurden sehr intensiv geprüft, Dynamics AX war nebst SAP bis zuletzt auf der Short List. Letztlich hat sich SAP aber durchgesetzt, unter anderem aufgrund der Funktionsfülle und der Hana-Technologie, die dank In-Memory die Performance liefert, die wir benötigen.
Stichwort Eckpfeiler: Können Sie generell ausführen, was die Eckpfeiler der Galenica-IT sind?
Grundsätzlich versuchen wir, soweit wie möglich auf Standard-Produkte zu setzen. SAP ist ein gutes Beispiel: Mit SAP lösen wir unsere bestehenden ERP-Systeme ab, die auf AS/400 basieren und im Wesentlichen eine Eigenentwicklung sind. Dann spielt Microsoft-Technologie bei uns eine grosse Rolle. Beispielsweise laufen bei uns über 700 Windows-Server im Rechenzentrum, was inzwischen drei Viertel unserer Serverlandschaft entspricht. Und auch bei weiteren Kernapplikationen wie den CRM-Systemen, bei der BI oder im Bereich Dokumentenmanagement, wo wir zuletzt eine neue ECM-Plattform auf Basis von Open Text eingeführt haben, versuchen wir, auf grössere Plattformen zu setzen. Diese müssen nicht zwingend alle vom selben Hersteller kommen, aber sollten zumindest die nötigen Schnittstellen bieten. Zusätzlich zu diesen Plattformen gibt es dann in den einzelnen Abteilungen aber auch noch spezifische Tools.
Können Sie ein Beispiel machen, wo auch künftig bedarfsgerechte Tools nötig sind?
Die Qualitätssicherung ist ein gutes Beispiel. Hier ist es aufgrund von GxP-Anforderungen (Good Manufacturing Practice, Good Distribution Practice), die aus der Pharma-Industrie kommen, notwendig, gewisse Vorgaben zu erfüllen. So müssen in der Logistik etwa Temperaturvorgaben eingehalten werden, die man überwachen muss. Dazu braucht es Systeme mit zahlreichen Sensoren, und hier kommen spezifische Lösungen zum Einsatz, aber auch diese auf Basis von Standardsoftware.
Sie haben es bereits verschiedentlich erwähnt: Sie decken ein breites Spektrum an Geschäftsbereichen und Businessmodellen ab, haben entsprechend ein breites IT-Portfolio, das Sie betreuen. Wie viel davon machen Sie selbst?
Heute decken wir eigentlich alles, was man in der IT klassischerweise betreut, noch selbst ab. Outsourcing und Cloud-Dienste sind bei uns im Moment weniger ein Thema. Natürlich arbeiten wir mit Integratoren, Beratungsunternehmen und Softwareherstellern zusammen, aber gerade bei den Kernapplikationen versuchen wir, das Know-how intern zu behalten. Dies vor allem darum, weil wir sehr kritische Applikationen betreiben, wo bei einem Problem sehr schnelle Reaktionszeiten gefragt sind. SAP ist eine solche Applikation. Aus diesem Grund haben wir für SAP seit diesem Sommer ein eigenes Kompetenzcenter eingeführt und ein Team aufgebaut, das nun parallel zum Projekt personell laufend aufgestockt wird. So werden wir auch SAP inhouse betreuen können.
Können Sie in dem Zusammenhang ausführen, wie Ihre Abteilung organisatorisch aufgebaut ist?
In meinem Team gibt es einen Bereich, der sich Demand Management nennt. Hier geschieht im Wesentlichen die Projektleitung, das Requirement Engineering und die Business-Analyse. Dann haben wir zwei Entwicklungsteams, die auf Basis von AS/400 und Java im Bereich ERP und Enterprise-Application-Integration tätig sind und sich um unser bisheriges ERP-System und generell das Thema Software-Entwicklung kümmern. Weiter haben wir ein relativ grosses Infrastruktur-Team, das alle Infrastrukturbereiche – von den Clients über die Server bis hin zum Netzwerk – sowie den Enduser-Support abdeckt. Und ein weiteres Team kümmert sich um die Standardsoftware, wobei wir gut 70 Applikationen, die über die gesamte Gruppe hinweg im Einsatz sind, betreuen – teils in Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern.
Wie viele Mitarbeitende stehen Ihnen für diese Aufgaben zur Verfügung?
Insgesamt beschäftigen wir in der IT rund 85 Personen – Tendenz steigend, aufgrund der laufenden Projekte.
Und können Sie mir verraten, wie gross Ihr IT-Budget ist?
Über einzelne Budgetposten kann ich nicht sprechen. Nur so viel: Der Anteil des IT-Budgets am Gesamtumsatz der Galenica Gruppe liegt unter einem Prozent.
Ich möchte nochmals das Thema Cloud aufgreifen. Gibt es einen Grund, warum diese kaum ein Thema ist, und könnte das künftig anders sein?
Es gibt eine Galenica-weite Cloud-Richtlinie, die sogar von der Generaldirektion verabschiedet worden ist, und wo die Anforderungen an Cloud-Lösungen definiert wurden. Diese ist eher restriktiv gehalten, was in gewissen Bereichen sicherlich Sinn macht. So haben wir zum Teil mit Patientendaten zu tun, betreuen also besonders schützenswerte Personendaten, und diese Daten wollen wir beherrschen und werden keine Kompromisse eingehen. Es gibt aber andere Bereiche, wo es gut möglich ist, dass Cloud-Dienste künftig vermehrt eine Rolle spielen werden, sofern die Cloud-Richtlinie ausgeweitet wird. Allerdings müssen gewisse Kriterien erfüllt sein, es reicht nicht, dass mit der Cloud nur Kosten reduziert werden. Die Rückführbarkeit der Daten muss gewährleistet sein, der Support ebenfalls, es muss Schnittstellen geben und so weiter.
Sie haben bereits zahlreiche Projekte, an denen Sie arbeiten, erwähnt: Die SAP-Einführung, die Harmonisierung der Applikationslandschaft, die neue ECM-Plattform. Gibt es weitere grössere Projekte?
Ein Projekt, das sicherlich noch erwähnenswert ist, betrifft den Bereich Retail. Wir streben hier an, die Marketing-Prozesse stärker zu digitalisieren und die Möglichkeiten im Bereich Marketing besser zu nutzen, und sind derzeit an der Einführung einer neuen CRM-Lösung sowie von Marketing- und Automation-Tools.
Gibt es allenfalls Projekte, die Sie gerne in Angriff nehmen würden, aber aufgrund der laufenden Projekte oder mangelnder Ressourcen nicht verfolgen können?
So konkret nicht. Ich glaube aber, dass wir für die Zukunft rund um neue Technologien wie Blockchain oder Artificial Intelligence zulegen müssen. Diese werden heute zwar beobachtet, doch um ihr Potential für das Unternehmen im vollen Umfang zu verstehen und allenfalls zu nutzen, sind wir noch zu weit weg. Ich sehe es als Verantwortung der IT, solche technologiegetriebenen Themen künftig verstärkt aufzunehmen. Bis anhin wurden solche neuen Themen vor allem durch den Markt oder die Fachbereiche angestossen, und die IT war unterstützend tätig. Für die Zukunft möchte ich mit der IT hier eine Position im Fahrersitz einnehmen, wie man so schön sagt.
Das dürfte aber auf vielen verschiedenen Ebenen ein Umdenken voraussetzen.
Das ist natürlich so. Das hängt stark auch mit der Stellung der IT im Unternehmen und ihrer Akzeptanz in den Fach- und Geschäftsbereichen zusammen.
Damit bringen Sie mich auf den letzten Punkt: Ihre Position im Unternehmen. Sie sind zwar Mitglied der Geschäftsleitung von Galexis, einer Tochter von Galenica, die unter anderem für die gesamte Gruppe Dienstleistungen erbringt, sitzen aber nicht in der Geschäftsleitung des Konzerns. Wie viel Gehör finden Sie bei der Generaldirektion der Gruppe für Ihre IT-Anliegen?
In meiner neuen Rolle als IT-Fachverantwortlicher für die Galenica Gruppe habe ich das Privileg, mich regelmässig mit unserem CEO an Abstimmungssitzungen austauschen und IT-Themen einbringen zu können. Ausserdem habe ich immer die Möglichkeit und auch Verpflichtung, gruppenweite IT-Themen in die Generaldirektionssitzung einzubringen. Insofern bekommen die Themen auch den nötigen Stellenwert im Unternehmen. Man ist sich in der Generaldirektion inzwischen der Bedeutung von IT und Digitalisierung für das Unternehmen, für Geschäftsmodelle und letztlich für den Erfolg durchaus bewusst.
Wem sind Sie unterstellt? Dem CFO?
Nein, mein Vorgesetzter ist der Leiter des Geschäftsbereichs Services, Christoph Amstutz, zu dem auch Galexis gehört. Zu ihm kann ich sagen, dass er die IT-Themen sehr gut in die Geschäftsleitung der Gruppe mit einbringt.
Cord-Ulrich Fündeling
Cord-Ulrich Fündeling ist seit gut einem Jahr Leiter IT Services und Mitglied der Geschäftsleitung von Galexis, einem Unternehmen der Galenica Gruppe, das unter anderem auch IT-Dienstleistungen für den Grossteil der gesamten Gruppe erbringt. Für die Galenica Gruppe ist Fündeling seit mittlerweile sechseinhalb Jahren tätig, vor der Übernahme der IT-Leitung war er für IT im Bereich Retail verantwortlich. Davor war der 41-jährige studierte Wirtschaftsingenieur mit Fachrichtung Informatik/Operations Research einige Jahre in der Unternehmensberatung beschäftigt.
Zum Unternehmen
Die Galenica Gruppe besteht aus verschiedenen Unternehmen, die im Schweizer Gesundheitsmarkt tätig sind. Unter anderem betreibt Galenica die Amavita- und Sun-Store-Apotheken sowie im Joint Venture mit Coop die Coop-Vitality-Apotheken. Ausserdem entwickelt und führt Galenica eigene Marken und Produkte wie beispielsweise Perskindol, Algifor, Merfen oder Anti-Brumm. Ebenfalls zur Gruppe gehört der Geschäftsbereich Services, wo Logistik-Dienstleistungen und Datenbankservices für den Schweizer Gesundheitsmarkt angeboten werden. Die Galenica Gruppe beschäftigt rund 6400 Mitarbeitende.
(mw)