CIO-Interview: 'SAP ist immer eine Herausforderung'
Quelle: Interdiscount

CIO-Interview: "SAP ist immer eine Herausforderung"

Interdiscount hat vor kurzem eine neue Web­site lanciert, als nächstes steht die Eröffnung des neuen Logistik­zentrums an – eine intensive Zeit für IT-Leiter Frederik Thomas.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2018/05

     

"Swiss IT Magazine": Seit Mitte April hat Interdiscount einen neuen Onlineshop, im Mai folgt nun die Eröffnung eines neuen Logistikzentrums zusammen mit Microspot.ch. Langweilig ist Ihnen kaum.
Frederik Thomas: Dem ist so. Aktuell liegen sehr viele Projekte und Themen auf dem Tisch, die wir IT-seitig aktiv begleiten dürfen.

Inwieweit waren beziehungsweise sind Sie in diese beiden genannten Projekte involviert?
Beim Thema Onlineshop war ich durchgehend tief involviert. Beim Projekt Orbit – unter diesem Namen läuft das neue Logistikzentrum – bin ich vor allem in der aktuellen Phase kurz vor Inbetriebnahme tief involviert.


Welches dieser beiden Projekte war aus IT-Sicht anspruchsvoller?
Das ist schwierig zu definieren, und man kann die beiden Projekte auch nicht so klar trennen. Die neue Online-Plattform in Verbindung mit SAP war sicher anspruchsvoll, steht aber in direktem Zusammenhang mit dem Projekt Orbit.
Wo lagen denn die Herausforderungen beim neuen Online-Shop, und wo lag dabei Ihre persönliche Hauptaufgabe?
Die wohl grösste Herausforderung war die Koordination der einzelnen Fachbereiche. Das fing damit an, diese Fachbereiche zuerst einmal abzuholen und an Bord zu bringen und ging damit weiter, die Business-Anforderungen zu verstehen und richtig umsetzen zu können. Meine Kernaufgabe bestand und besteht darin, mich um die Methodik zu kümmern und sicherzustellen, dass State-of-the-Art-Technologie verwendet und weitergetrieben wird. Methodik meine ich in dem Sinne, dass Entwicklungsprozesse bei uns sauber ablaufen sollen und wir keine Richtungen einschlagen, die keinen Nutzen bringen.


Wurde der Shop von Grund auf neu entwickelt, und auf welche Technologie haben Sie gesetzt?
Ja, der Shop ist von Grund auf eine Neuentwicklung. Technologisch haben wir auf React gesetzt, eine Javascript-Softwarebibliothek, die einst von Facebook entwickelt wurde und inzwischen Open Source ist. Die Technologie ist für einen Onlineshop relativ neu und so in der Schweiz noch nicht vorhanden.
Was zeichnet den Shop denn aus?
Vereinfacht gesagt funktioniert der Onlineshop wie eine App. Wir verwenden einzelne Komponenten, die über eine API an das Back-end angedockt sind und daraus ihre Informationen ziehen. Wir verwenden also kein klassisches CMS, wie man das kennt. Dadurch ist der Shop sehr leicht und sehr schnell.

Wer hat sich um Konzept und Entwicklung gekümmert, und wie lange hat Sie das Projekt beschäftigt?
Das Konzept stammt von uns selbst, also von Interdiscount, wobei wir mit der Agentur Nexum zusammengearbeitet haben. Bei der Entwicklung hat unser eigenes Entwicklungsteam, das rund zehn Mitarbeiter umfasst, ebenfalls mit Nexum und zusätzlich mit Webtiser, einem E-Commerce-Spezialisten, zusammengearbeitet. Beschäftigt hat uns der Shop zusammen mit dem Lagerprojekt rund zwei Jahre. Die beiden Projekte gingen wie bereits erwähnt immer Hand in Hand, da die gesamten Prozesse im Hintergrund immer aligniert werden mussten. Der Onlineshop greift ja auch auf die Lagersysteme, also auf SAP zu, und SAP wiederum steuert das Logistikzentrum. Beim Front-end waren wir frei in der Entwicklung, aber das Back-end musste aufeinander abgestimmt werden.
Wurde SAP ebenfalls neu eingeführt?
Nein, SAP ist schon länger unsere Basis. Wir haben das SAP-Konstrukt aber umgebaut, um den Kundenbedürfnissen besser gerecht zu werden.

War das auch die grosse Herausforderung beim Projekt Orbit, also beim neuen Logistikzentrum?
SAP ist immer eine Herausforderung. Die grösste Herausforderung aber war, sich von den bestehenden, bekannten und erlernten Prozessen zu verabschieden. Das bestehende Lagersystem war über 20 Jahre hinweg historisch gewachsen und wurde auf die Bedürfnisse der Benutzer hin laufend optimiert. Dabei handelte es sich aber um ein klassisches Mann-zu-Ware-System, während wir nun auf das Prinzip Ware zu Mann setzen. Früher also wurde eine Bestellung im Lager quasi zusammengesammelt, heute bringt unser vollautomatisches System die Ware zum Kommissionierer. Das benötigt völlig andere Prozesse.


Sie haben vorhin Partner angesprochen, mit denen Sie rund um den Shop gearbeitet haben. Inwieweit ist Outsourcing sonst ein Thema bei Ihnen?
Die grundlegende Strategie lautet, dass wir das Gros der Aufgaben selbst übernehmen und nur dann outsourcen, wenn wir spezielles Wissen benötigen oder im Bereich Entwicklung skalieren beziehungsweise Lastspitzen abfedern müssen. Ansonsten sind wir aber überzeugt, dass das Prozesswissen und das Basis-Know-how im Unternehmen bleiben muss. Wir wollen uns nicht abhängig machen von Agenturen und Dienstleistern.
Ihre Position lautet ja Leiter Logistik/IT/Service. Warum die Verantwortung für diese drei Bereiche, angesichts dessen, dass etwa IT ja nur ein Bestandteil, aber nicht unbedingt Kern der Logistik ist?
Der Gedanke, warum diese drei Bereiche unter eine Verantwortung gestellt wurden, kommt daher, dass wir im Omnichannel-Geschäft tätig sind. Im Omnichannel sind genau diese drei Bereiche extrem eng verknüpft. Der Kunde bestellt im Webshop einen Artikel, er bestellt diesen Artikel vielleicht in die Filiale, und der Weg der Ware, die via Webshop bestellt wurde, läuft über den Logistikprozess und verlangt nachgelagert einen Serviceprozess – sprich den Kundendienst, den Reparaturservice, die Garantieabwicklung und so weiter. Wenn man hier den Fokus auf den Kunden legt, muss das alles aus einem Guss kommen. Dadurch, dass die Verantwortung bei einer Person liegt, muss ich nicht zum Logistikleiter gehen und beantragen, dass doch bitte ein Logistikprozess optimiert werden möge. Ich kann Dinge direkt aus IT- oder Logistiksicht optimieren und so effizient und zielgerichtet Prozesse anpassen.

Ich verstehe Sie also richtig: auch was das Personal angeht, stehen nicht nur die IT- sondern auch die komplette Logistik- und die Service-Abteilung unter Ihrer Führung. Wie viele Leute führen Sie denn, und wie viele Mitarbeiter zählt dabei das IT-Team?
Alles in allem stehen knapp 280 Mitarbeiter in meiner Verantwortung. Die IT-Abteilung hier in Jegenstorf umfasst knapp 60 Mitarbeiter und ist im Wesentlichen klassisch strukturiert. Es gibt ein Team, dass sich um die Infrastruktur und den Betrieb kümmert – sprich Netzwerke, Clients und Server, die Cloud und so weiter. Dann haben wir einen Bereich Softwareentwicklung, wozu auch die Business Analyse gehört. Dann gibt es ein Team, dass sich dem Requirements Engineering annimmt, also dem, wie etwas umgesetzt wird. Und dann gibt es zwei weitere Kernabteilungen, einmal SAP-Entwicklung und einmal die Online-Entwicklung – sprich die Java-Front- und Back-end-Entwicklung.
Und wer kümmert sich um die IT in den Filialen?
Wenn Probleme in der IT zu lösen sind, erledigen wir das vom Hauptsitz aus. Der Support für die Kassensysteme geschieht derweil von Basel aus, darum kümmert sich das Mutterhaus Coop.

Inwieweit können Sie IT-seitig sonst noch auf die Ressourcen von Coop zugreifen?
Im Prinzip könnten wir relativ umfassend auf diese Ressourcen zugreifen. Was wir nutzen, sind die Clients, die Lizenzen, die DMZ und das SAP-Hosting.


Sie teilen sich den Firmensitz mit Microspot.ch. Findet hier auch eine Separierung statt?
Nein, Interdiscount und Microspot.ch werden von denselben Teams betreut.

Wir haben bis jetzt vor allem über den Shop und die Logistik gesprochen. Können Sie ausführen, was die übrigen Eckpfeiler Ihrer IT sind?
Die Kernkompetenz unserer IT ist in meinen Augen das bereits angesprochene Prozesswissen, das über die Jahre historisch stark gewachsen ist. Dieses Wissen umfasst jegliche Anforderungen aus dem Business, aus der Beschaffungs-Warte, der Filiale und vielem mehr. Technologisch gesehen sind wir vielleicht nicht überall latest und greatest, aber das, was wir tun, tun wir sehr gut und sehr stabil. Ansonsten muss man sicher SAP als Eckpfeiler unserer IT erwähnen. Es läuft alles durch und mit SAP. Allerdings streben wir an, künftig vermehrt in Richtung einer Microservices-Architektur zu gehen und SAP etwas zu entschlacken beziehungsweise in seine Kernfunktionalität als ERP-System zurückzuführen. Das aber ist eine Herausforderung und nimmt eine gewisse Zeit in Anspruch.
Und wo liegen die grossen Herausforderungen in ihrer IT?
Die grösste Herausforderung ist definitiv SAP. Wir haben vieles in SAP entwickelt, das gut ist und zum Erfolg des Unternehmens in den letzten Jahren beigetragen hat. Wenn wir nun aber Richtung S4/Hana schauen, müssen wir doch einiges in die Hand nehmen, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Aber wir arbeiten daran.

Sie haben das Prozesswissen angesprochen. Gibt es bezüglich IT sonst noch etwas, dass Sie von anderen Unternehmen unterscheidet?
Ich würde dies in den Personen manifestieren. Systeme gibt es überall, Systeme sind austauschbar, ein System ist selten ein USP gegenüber anderen Unternehmen. Herausragend in der Interdiscount-IT ist aber die Verbundenheit mit dem Unternehmen und damit, was wir in den Jahren kreiert und gebaut haben. Jeder Mitarbeiter hier weiss in der Tiefe Bescheid und arbeitet auch enthusiastisch mit, wenn es um Neuerungen geht. Ich sehe das als USP unserer IT.


Wie schaffen Sie das?
Hier muss ich meinen Vorgängern und insbesondere auch unserem CEO Pierre Wenger ein grosses Lob aussprechen. Sie haben es immer wieder geschafft, bei den Mitarbeitern dieses Commitment einzufordern. Ich persönlich versuche, die IT nicht zu eng zu führen, sondern auch mal machen zu lassen. Ich gebe das Ziel vor, den Weg sollen die Mitarbeiter selbst wählen dürfen, denn das ist nicht ­meine Kernaufgabe. Ich gebe höchstens den Rahmen vor, in dem meine Mitarbeiter frei arbeiten dürfen und sollen.
Können Sie noch etwas dazu erzählen, welche Projekte in absehbarer Zukunft anstehen?
Das Ziel lautet, unsere IT-Architektur soweit es geht cloudfähig zu machen und einzelne Module – sowohl Front-end- wie auch Back-end-seitig – in eine Microarchitektur zu überführen. Das habe ich bereits angesprochen. Ziel dieser Massnahmen ist es, möglichst flexibel, agil und schnell unterwegs zu sein. Dahinzukommen, wird uns die kommenden Monate und Jahre beschäftigen.

Sie sind Teil der Geschäftsleitung. Wie wichtig ist das für Sie?
Sehr wichtig. Wenn ich Projekte wie die, über die wir gesprochen haben, machen müsste, ohne Teil der Geschäftsleitung zu sein, dann stünde ich wohl auf verlorenem Posten. Um Themen wie Digitalisierung, Omnichannel und Multichannel vorantreiben zu können, ist es essentiell, Teil der Geschäftsleitung zu sein. Nur so kann man Entscheidungswege kurz halten, die entsprechenden Gelder einholen und die Projekte von Beginn weg an der richtigen Stelle vorstellen.

Sie haben keine klassische IT-Ausbildung, sind in dem Sinne kein Informatiker. Sehen Sie das als Vorteil in ihrer Aufgabe?
In meiner Position ist das mit Sicherheit ein Vorteil. Ich habe nicht die klassische IT-Denke, sondern ich reformiere die IT eher durch meine Ansätze, durch die andere Perspektive, die ich mitbringe.


Eine letzte Frage: Sie sitzen ja quasi an der Quelle: Wo kaufen Sie Ihr IT-Equipment ein?
Entweder über einen Rahmenvertrag bei Coop, oder dann natürlich bei uns selbst – keine Frage.

Frederik Thomas

Frederik Thomas ist Leiter Logistik/IT/Service beim Elektronikhändler Interdiscount, einer Tochter des Detailhandelsriesen Coop. Der 38-Jährige ist seit Mai 2017 bei Interdiscount und hat sich in den zehn Jahren davor bereits mit dem Thema Digitale Transformation auseinandergesetzt – unter anderem bei Unternehmen wie Wolford in Bregenz, bei Namics, Distrelec, IWC und Swisscom. Thomas hat Wirtschaftsrecht mit MBA studiert und ist aktuell daran, seinen Doktor zu machen.

Zum Unternehmen

Der Elektronikhändler Interdiscount wurde 1970 gegründet, seit 1996 ist das Unternehmen Teil der Coop-Genossenschaft, tritt aber eigenständig am Markt auf. Schweizweit zählt Interdiscount rund 200 Verkaufsstellen und verkauft seine Produkte auch online, seit April gibt es einen neuen Online-Shop. Das Unternehmen zählt rund 1800 Mitarbeiter und teilt sich den Firmensitz in Jegenstorf im Kanton Bern mit Microspot.ch, einer weiteren Coop-Tochter. (mw)


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