"Swiss IT Magazine": GF Piping Systems, Hersteller von Rohrleitungssystemen, gilt als klassisches Industrie-Unternehmen. Wie relevant ist IT für Sie?Stefan Bertsche: Wir sind ein global tätiges Unternehmen mit Produktions-, Logistik- und Verkaufsgesellschaften in 33 Ländern. Die IT hilft uns, unsere Prozesse zu vernetzen und zu vereinheitlichen, damit ein Kunde – wo auch immer er bestellt – eine einheitlich hohe Qualität erhält und sich mit der Komplexität dahinter gar nicht beschäftigten muss. Dazu öffnen wir unsere IT zunehmend, um den Kunden eine Vielzahl von Daten zur Verfügung zu stellen – von Produktinformationen und -verfügbarkeiten bis Zertifikaten und technischen Zeichnungen. Daneben ist IT längst auch ein wichtiger Teil unserer eigenen Produkte. Dazu gehören beispielsweise automatisierte Steuerungen, Tracking-Systeme für Bauteile, Software-Bibliotheken für Planer sowie Online-Rechner für technische Kalkulationen.
Ihr Unternehmen ist selbst auch Ausrüster für die IT-Branchen. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus?Als Spezialisten unter anderem im Bereich von Gebäude- und Anlagenkühlung sowie für Wasserkreisläufe sind wir in diesem Bereich breit beteiligt. Dazu gehören Kühlsysteme für Serverfarmen und Reinstwassersysteme für die Mikrochip-Produktion, aber auch Elemente für die dazugehörige Energieversorgung. Gerade in diesen Branchen ist höchste Zuverlässigkeit nötig, jeder Ausfall kann schnell zu einem Millionenschaden führen.
Der Firmensitz der GF Piping Systems. (Quelle: GF Piping Systems)
Stefan Bertsche, geboren 1971, lernte Technischer Modellbauer und studierte Maschinenbau mit der Fachrichtung Energie- und Prozesstechnik. Danach arbeitete er als Ingenieur und IT-Berater für Fiat-Sig Schienenfahrzeuge, als Principal Consultant für PWC und als Senior Consultant für IBM. Seit 2007 ist er bei Georg Fischer Piping Systems, zunächst als Head Global SAP Support und seit 2013 als CIO. (Quelle: GF Piping Systems)
Was sehen Sie als Ihre wichtigste Aufgabe an und wie setzen Sie IT dafür ein?Intern ist das bei uns sicher das Harmonisieren und Standardisieren unserer weltweiten Prozesse. Beim SAP ERP sind wir da schon sehr weit, wir haben aktuell 43 unserer Gesellschaften in 26 Ländern in einem System und Mandanten zusammengefasst. Löst ein Kunde irgendwo in der Welt eine Bestellung aus, stösst das direkt die Produktion an, wenn das Produkt nicht am Lager ist. Über die Logistik wird das Lieferdatum errechnet. Diese Zusammenführung von Systemen und Daten ist nicht immer einfach, weil unsere Gesellschaften traditionell sehr eigenständig gearbeitet haben, bietet aber viele Vorteile für alle Beteiligten.
Wie ist Ihr Bereich geordnet und wie viele Mitarbeiter haben Sie?Im SAP-Umfeld haben wir drei Teams – bei uns in Schaffhausen, in China und in Kalifornien. Das sind 13 interne Consultants, die zusammen im "Follow the Sun"-Prinzip 24 Stunden pro Tag abdecken. Daneben haben wir Spezialisten beispielsweise für unser CRM, die Business Intelligence und Business Object Systeme und unseren digitalen Katalog mit 60’000 teilweise hochkomplexen Produkten. Insgesamt haben wir weltweit 50 IT-Stellen, teilweise aber kombiniert mit anderen Tätigkeiten. Daneben arbeiten wir eng mit unserer Konzern-IT zusammen, die sich divisionsübergreifend mit strategischen Themen, Lizenz- und Outsourcing-Verträgen, Sicherheit und Standardisierung beschäftigt.
Wie ist GF Piping Systems technisch aufgestellt, was und wer sind Ihre wichtigsten Partner?Unsere Hauptsysteme laufen über Server von T-Systems, und zwar in zwei Rechenzentren in München. Wir haben etwa 2600 Arbeitsplätze weltweit, die T-Systems für uns betreut, mit Ausnahme einiger spezieller Arbeitsplätze in der Produktion. Unsere wichtigsten Software-Partner sind Microsoft und SAP. Im Marketing, vom Internetsystem bis zur Produktion von Werbemitteln, arbeiten wir mit Adobe sowie mit Spezialisten im Digitalbereich.
Wie kommt es, dass Sie als Schweizer Unternehmen bei der deutschen Telekom sind?Bereits vor T-Systems hatten wir auch in der Schweiz mehrere Nicht-Schweizer Dienstleister, darunter HP, Capgemini und Siemens-Atos. In der Folge der Finanzkrise im Jahr 2009 haben wir nach einem global tätigen Full-Outsourcing-Partner für alle drei Divisionen gesucht. Er sollte sämtliche Infrastruktur-bezogenen Dienstleistungen zusammenführen, das heisst: neben SAP auch alle anderen zentralen Anwendungssysteme sowie weltweit sämtliche Netzwerk- und Arbeitsplatz-bezogenen Dienste zur Verfügung stellen. Als börsenkotierter Konzern haben wir zudem erhöhte Anforderungen an Verfügbarkeit, Wiederherstellbarkeit und Sicherheit von Daten und Systemen. Diese lassen sich mit einem weltweit tätigen Partner einfacher erfüllen. T-Systems war in den Verhandlungen letztendlich am überzeugendsten, wobei bei der Evaluation natürlich auch Schweizer Unternehmen im Rennen waren.
Können Sie ausführen, nach welchen Kriterien Sie IT-Entscheidungen insgesamt fällen?Uns ist wichtig, dass etwas einen weltweiten Nutzen hat, wir haben also einen globalen Anspruch an alle IT-Komponenten und investieren viel darin, bisherige Insellösungen dahin zu überführen. Daneben bevorzugen wir End-to-End-Anbieter.
GF Piping Systems ist in 33 Ländern tätig – wie schwierig ist es, eine IT-Infrastruktur weltweit zu vereinheitlichen?Es ist nicht immer einfach, sowohl wegen verschiedener Ansichten wie auch Kulturen und Mentalitäten. Die grösste Herausforderung ist es meist nicht, eine Lösung zu finden, sondern Akzeptanz für eine derartig weitreichende Veränderung bei allen Mitarbeitern zu erreichen, um sie erfolgreich umzusetzen. Es gehört zu unserer Firmenkultur, dass wir uns dafür Zeit nehmen, auch intern die Vorteile einer globalen Vernetzung aufzuzeigen und dass alle profitieren, wenn man sich an gemeinsame Standards hält.
Erlauben Sie Ihren Kunden umgekehrt Zugriff auf Ihre IT, etwa für Bestellungen?Wir haben bereits eine Vielzahl von System-to-System-Anbindungen. Über unsere Process-Integration-Lösung stellen wir rund 300 Schnittstellen für unsere externen und internen Kunden sowie beispielsweise unsere Logistikprovider zur Verfügung. Wir arbeiten aktuell daran, unsere bisherige Lösung, die externen Kunden die Produktverfügbarkeiten anzeigt, durch eine Web-basierte Variante zu ersetzen. Diese ermöglicht unseren Distributoren auch, Bestellungen direkt über ein Portal auszulösen. Bis Ende 2018 wird dies in zwei Pilotgesellschaften implementiert sein.
In Unternehmen mit starkem Aussendienst ist die mobile Nutzung zunehmend ein Thema. Wie reagiert GF Piping Systems darauf?
Wir haben tatsächlich viele Mitarbeiter in Beratung, Verkauf, Montage und Service, die meist unterwegs sind. Unser Aussendienst ist mit Windows-basierten Laptops und Smartphones ausgestattet, und wir sind gerade dabei, die Geräte und Software-Anwendungen zu modernisieren. Alle reisenden Mitarbeiter haben weltweit Zugriff auf relevante Systeme und Daten.
Wie unterstützen Sie den Kulturwandel in der Belegschaft in Bezug auf digitale Transformation?
GF setzt konzernweit, also über alle drei Divisionen hinweg, die "Strategie 2020" um, mit der wir unter anderem Umsätze und Gewinnmargen steigern wollen. Fast alle Elemente davon berühren die IT: mehr Innovationen, eine Ausweitung unserer globalen Präsenz und der Ausbau von Services neben den physischen Produkten, die für unsere Kunden einen echten Mehrwert schaffen – hierzu zählen vor allem Ingenieursleistungen und digitale Angebote. Ein Beispiel dafür sind Software-Angebote für Planer, die wir aufbauend auf Branchenlösungen von Autodesk Revit, Intergraph und Aveva und unserer langjährige Praxiserfahrung extern anbieten.
Im weltweiten Vergleich: Wo steht die Schweiz in Ihren Augen in Bezug auf IT?
Wir sind, neben Deutschland, wahrscheinlich das Land, in dem Sicherheit und Zuverlässigkeit am wichtigsten sind. Viele IT-Leistungen könnte man in Asien günstiger haben, doch ich hätte ein ungutes Gefühl in Bezug auf die Datensicherheit. Wir profitieren hier sicher langfristig von dem Trend, Daten in politisch und wirtschaftlich stabile Länder zu verlagern.
Sie kommen ursprünglich aus dem Maschinenbau. Was zog Sie in die IT?
Schon im Studium lag mein Schwerpunkt auf Energie- und Prozesstechnik, und bereits in meiner ersten Position war ich mit Prozessberatung und Projektleitung beschäftigt. Eine meiner ersten Aufgaben bei GF war das Ausrollen eines globalen SAP ERP Templates. Das Thema hat mich also von früh an interessiert.
Zum Unternehmen
GF Piping Systems mit Sitz in Schaffhausen entwickelt, baut und verkauft Rohrleitungssysteme aus Kunststoff und Metall für den sicheren Transport von Wasser, Chemikalien und Gas sowie dazugehörige Services. Das Unternehmen erzielt mit rund 6500 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Franken (2016). GF Piping Systems ist die grösste von drei Divisionen des Schweizer Industriekonzerns Georg Fischer (GF) und betreut Kunden in mehr als 100 Ländern.
(mw)