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CIO-Interview: "Stillstand ist keine Option"

Christoph Kleinsorg verantwortet bei Swissport die IT und leitet mit seinem Team eine weltweite IT-Transformation. Das bringt viele Herausforderungen, aber auch Chancen mit sich.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2018/01

     

"Swiss IT Magazine": Sie durften in diesem Jahr den CIO-Award 2017 gewinnen, herzliche Gratulation. Hat Sie das überrascht? Was bedeutet Ihnen und Ihrem Team eine solche Auszeichnung?
Christoph Kleinsorg: Mich hat es insofern überrascht, da wir mitten in der IT-Transformation sind, diese also noch nicht beendet ist. Natürlich lässt sich einwenden, dass die Transformation, insbesondere jene der IT, nie wirklich beendet ist. Man hat mir aber versichert, dass ich den Preis aufgrund der Strukturen, der Geschwindigkeit und auch der bisherigen Erfolge durch die Transformation, die wir in recht kurzer Zeit schon erzielen konnten, gewonnen habe. Ich sehe den Preis daher vielmehr als Auszeichnung für das IT-Team und habe dies natürlich mit Freude weitergegeben.


Ausschlaggebend war also das Transformationsprojekt bei Swissport. Können Sie hierzu einen kleinen Einblick gewähren?
Swissport ist in den letzten Jahren und auch vor meinem Einstieg 2014 sehr schnell gewachsen; die Unternehmensgrösse hat sich fast verdoppelt. Die IT war allerdings lange Zeit sehr dezentral organisiert, weshalb man Anfang 2014 ein Assessment durchgeführt hat, um zu prüfen, wie unsere IT-Systeme weltweit aussehen. Dabei fand man eine sehr heterogene IT-Systemlandschaft vor, mit über 700 Applikationen, Insourced ­und Outsourced Services. Vielfach verfügten­ Länder und Regionen über Entscheidungs­hoheit. Daraufhin wurde 2015 der Entschluss getroffen, die globale IT zu zentralisieren und zu harmonisieren, um den Service für unsere Kunden mit einer kostengünstigen State-of-the-Art-IT nachhaltig zu verbessern.
Wie sah da der Plan aus, welche Strategie und Ziele standen und stehen dabei im Vordergrund?
Zur Umsetzung der Zentralisierung wurde ein IT-Transformation-Scope erarbeitet, in dem wir die Bereiche Infrastruktur, Applikationen, Mitarbeiter, Prozesse, Compliance und IT-Kostenkontrolle definiert haben. Wichtig ist dabei zu verstehen, dass es bei der Transformation nicht einfach nur darum geht, IT-Services zu standardisieren, sondern eine lokale IT mit vielen verschiedenen Rollen in einen weltweit standardisierten Ansatz zu transformieren. Begonnen haben wir mit dem Bereich Infrastruktur. Dort besteht im Moment ein Outsourcing mit DXC für IT-Services in Europa, in Nordamerika betreiben wir unsere Infrastruktur selbst mit einem eigenen Data Center. Hinzu kommen etliche lokale Serverräume, insbesondere in Südamerika. Ziel der IT-Transformation im Bereich Infrastruktur ist der Betrieb aller Applikationen und IT-Services aus zwei redundanten Rechenzentren, einem dedizierten globalen Helpdesk, ein weltweit standardisiertes High-Performance-Netzwerk und einen standardisierten Workplace für unsere Mitarbeiter. Mit diesem Ansatz wollen wir unseren 24/7 Betrieb in 48 Ländern an über 280 Standorten weltweit sicherstellen.


Momentan ist man also hauptsächlich auf den Bereich Infrastruktur fokussiert?
Nach einer Ausschreibung im Jahr 2016 hat Tata Consultancy Services (TCS) den Zuschlag erhalten. Anfang April 2017 ist das Programm gestartet und sollte Ende 2018 beendet sein. Neben den Infrastruktur-Themen arbeiten wir parallel an weiteren Themen im Rahmen der IT-Transformation. Im Sommer 2017 konnten wir die Migration auf Office 365 mit heute über 20’000 Nutzern erfolgreich abschliessen. Durch die weltweite Nutzung von Office 365 und Tools wie Sharepoint, One Drive und Skype for Business konnten wir die Zusammenarbeit der weltweiten Swissport-Standorte zudem nachhaltig unterstützen. Damit sind jedoch auch die Anforderungen an die IT Security gestiegen, welche in der heutigen Zeit eine besondere Bedeutung hat. Bei den Applikationen sind wir dabei, die Anzahl schrittweise zu reduzieren und unsere Standards weltweit zu implementieren. Ein grosser Teil der IT-Transformation beinhaltet aber auch sogenannte Soft-Themen, wie etwa "Blueprints" für die IT-Architektur, eine klare Organisation mit definierten Rollen und Dokumentationen.
Wie sieht es in den anderen Bereichen aus?
Oberste Priorität ist es, die IT-Infrastruktur auf den aktuellen Stand zu bringen. Wir bauen damit jetzt das Fundament für die weiteren Schritte, wie zum Beispiel die Digitalisierung unserer Geschäftsprozesse. Mein Ziel ist es, bis Ende 2019 den definierten IT-Transformation-Scope umgesetzt zu haben. Die Geschäftsführung von Swissport begleitet und unterstützt die IT-Transformation, trotzdem müssen wir aufgrund des sehr dynamischen Marktumfelds im Bereich Aviatik, in dem wir arbeiten, jede Investition genau prüfen und entsprechend der Prioritäten anpassen.

Wie Sie bereits erwähnt haben, läuft das Geschäft 24/7. Systemausfälle, gerade auch bedingt durch die Transformation, sind daher sicher eine ihrer grössten Sorgen – wie oft kommt es zu solchen?
Das ist schwer zu sagen. Meistens ist es aber so, dass wir Ausfälle relativ schnell bemerken und reagieren können. Ausfälle betreffen ausserdem auch niemals die gesamte IT – es ist in der Regel nur ein Flughafen oder eine bestimmte User Community betroffen.


Gibt es weitere grössere IT-Projekte, die Sie im Moment mit Ihrem Team umsetzen?
Wir haben derzeit noch ein wichtiges IT-Projekt im Bereich Cargo, welches der zweitgrösste Geschäftsbereich von Swiss­port ist. Wir migrieren von einer dedizierten Lösung zu einer Software-as-a-Service-Lösung. Der Betrieb der Applikation wird ab Februar 2018 aus der Cloud erfolgen. Zusätzlich implementieren wir ein neues Helpdesk für die weltweit 3000 Nutzer der Applikation. Es gibt daneben auch weitere Projekte, wie die Standardisierung der weltweiten ERP-Systeme und die Implementierung eines neuen CRM. Diese Projekte werden von den entsprechenden Fachabteilungen geleitet, und wir unterstützen von der IT, wo Bedarf besteht.
Können Sie ganz kurz beschreiben, wie die Swissport-­IT-Struktur weltweit organisiert ist?
Wir haben für jede der sieben von Swiss­port definierten Regionen einen Regional Head of IT, der direkt an mich berichtet und zudem jeweils Bestandteil des regio­nalen Leadership-Teams ist. In meinem Team gibt es sogenannte Zentralfunktio­nen für Applikationsmanagement, für Infrastruktur/Betrieb, für IT Security/Compliance sowie eine Funktion für Project Management, deren Aufgabe es ist, weltweite Projektstandards zu implementieren

Wie viele Angestellte in der IT sind das insgesamt?
Wir sind im Moment nur, und da erschrecken viele Leute, wenn sie diese Zahl hören, 165 IT-Angestellte weltweit – bei über 20’000 IT-Usern. In der Schweiz besteht das Team zurzeit aus rund 30 Personen.


Ist ein weiterer Ausbau des Teams in der Schweiz geplant?
Wir werden, bei Bedarf, das Team ergänzen, wobei eine globale IT nicht bedeutet, dass alle in der Hauptverwaltung in der Schweiz sitzen müssen. Wir haben ebenfalls globale Rollen in der IT, welche in anderen Regionen und Standorten etabliert sind.
Vor sechs Jahren meinte Ihr Vorgänger Bruno Riesen, dass man einen sehr hohen Outsourcings-Grad habe bei Swissport. Ist das immer noch so, oder hat da eine Entwicklung stattgefunden?
Das ist immer noch so, und wir werden das auch beibehalten. Das gesamte Infrastruktur-Outsourcing haben wir an TCS vergeben. Wir gehen im Bereich IT aber in Richtung weiteres Outsourcing, wobei wir nicht mit einem, sondern mit mehreren Partnern zusammenarbeiten wollen.


Sie kamen 2014 zu Swissport, hat sich seitdem an Ihrem Job etwas stark verändert?
Ja, definitiv! Als ich angefangen habe, war die IT noch sehr dezentral. Mit meinem Start und dem Aufbau meines Teams ist sozusagen die globale Standardisierung ins Rollen gekommen. IT ist bei Swissport grundsätzlich eine Support-­Funktion, welche auf den ersten Blick keine zentrale Bedeutung hat. Wenn man aber einen Impact hat, also etwas passiert, hat die IT dann plötzlich doch eine grosse Bedeutung im 24/7-Betrieb von Swissport. Ich denke, wir konnten viele Mitarbeiter davon überzeugen, dass wir das Richtige tun – dass unser finales Bestreben ist, den Service zu verbessern und das zu niedrigen Kosten.
Was bereitet Ihnen denn am meisten Spass an Ihrer Arbeit?
Es macht mir Freude zu sehen, dass man etwas bewegt. Wir haben beispielsweise gerade im Rahmen der Implementierung unseres globalen Helpdesk, Servicenow in den gesamten USA implementiert. Klar, es gibt am Anfang immer ein paar Kinderkrankheiten, aber insgesamt kann man auf das Erreichen eines solchen Meilensteins zusammen mit dem Team doch recht stolz sein.

Zur Kehrseite: Worin sehen Sie die grössten Herausforderungen in Ihrem Job?
Die grösste Herausforderung für mich ist der Workload meines Team und von mir selbst. Da gibt es natürlich sporadische Spitzen, insgesamt ist das Arbeitsklima aber gut und unsere Mitarbeiter haben Spass an der Arbeit. Auch gute Ressourcen entsprechend zeitnah zu bekommen, wenn wir sie brauchen, stellt sich als Herausforderung dar.


Gestaltet sich die Budgetierung also als eher schwierig?
Nein, eigentlich nicht – dadurch, dass auch die Geschäftsleitung die IT-Transformation als hohe Priorität ansieht, wird mir schon die notwendige Unterstützung gewährt. Das Aviation-Umfeld ist jedoch generell mit niedrigen Margen verbunden, somit fallen die Budgets etwas knapper aus als in anderen Industrien.
Zum Abschluss: Was möchten Sie als CIO bei Swissport unbedingt noch erreichen?
Wichtig wäre für mich, die definierte IT-Transformation erfolgreich zu beenden und folgend das Thema Digitalisierung verstärkt anzugehen. Im Moment läuft dies noch auf relativ kleiner Flamme, aber das wäre für mein Team und mich sehr interessant.

Was kommt als nächstes?
Ich bin der festen Überzeugung, dass es ein hohes Potential im Bereich IT bei Swissport gibt. IT wird durch die weitere Standardisierung Kosten reduzieren und den Kundennutzen erhöhen. Lösungen, welche die Produktivität erhöhen, werden den Geschäftserfolg von Swissport unterstützen. Themen wie der mobile Arbeitsplatz werden uns künftig sicher weiterhin beschäftigen. Jedoch kommen auch immer neue Themen dazu, wie zum Beispiel Cybersecurity. Es macht Spass, mit dem Team Erfolg zu haben. Stillstand ist keine Option in der heutigen IT. Agiles, proaktives Handeln, um Veränderungen und Verbesserungen zu realisieren, sind die Themen, die mich treiben.

Christoph Kleinsorg

Christoph Kleinsorg (52) ist seit Juni 2014 CIO bei Swissport International. Derzeitige Herausforderung ist die Zentralisierung und Harmonisierung der weltweiten IT-Systeme, für die er als CIO des Jahres 2017 in der Schweiz ausgezeichnet wurde. Nach seiner Berufsausbildung als Hotelfachmann und Wirtschaftsstudium mit MBA-­Abschluss startete Kleinsorg seine Laufbahn bei der Deutschen Lufthansa. Nach einigen Jahren bei der Fluggesellschaft, gefolgt von Lufthansa Systems, wechselte er 2001 in die Schweiz zu Atraxis (SAir Group), bevor er bei EDS die Leitung der EMEA Transportation Delivery übernahm und zuletzt bei HP das Key Account Management für Aviation-Kunden in EMEA verantwortete.

Zum Unternehmen

Swissport, mit Hauptsitz in Opfikon, ist der grösste Ground Handler im Aviatik-Bereich und erbringt an über 279 Flughäfen weltweit Dienstleistungen vom Check-in-Prozess, Boarding bis hin zum Gepäck-Handling, Fuelling oder Security-Kontrollen und ist zudem auch im Frachtgeschäft tätig. Das Unternehmen beschäftigt in 48 Ländern auf fünf Kontinenten weltweit rund 65’000 Angestellte und erzielte im letzten Jahr einen Umsatz über 3 Milliarden Franken. Jährlich fertigt das Unternehmen über 230 Millionen Passagiere und 4,3 Millionen Tonnen Fracht auf mehr als 4 Millionen Flügen ab. 2015 wurde Swissport für 2,73 Milliarden Franken an die chinesische HNA Group verkauft.


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