Haben Sie schon mal was von Edtech gehört? Wenn ja, gehören Sie zu den wenigen, die das haben. Fintech kennt man, aber Educational Technology ist kaum jemandem ein Begriff. Denn während alles von Digitalisierung spricht, sind Hochschulen und Weiterbildungsanbieter noch nicht so weit, wenn es um zukunftsfähige Lernmanagementsysteme geht. Das finden zumindest die Personen hinter dem Zürcher Start-up
Maxbrain.
Geschäftsführer Boris Ricken trifft sich mit "Swiss IT Magazine" in den Zürcher Büros der Kommunikationsagentur Prime, wo sich das Start-up aktuell eingemietet hat. "Studien gehen davon aus", erklärt der 39-Jährige, "dass erst 2 Prozent des Ausbildungsbereichs digitalisiert sind." Die Universität St. Gallen fand daher vor rund zwei Jahren, das sollte doch auch anders gehen, berichtet er weiter. Die Zuständigen suchten eine Lösung, mit der Studenten von überall aus jederzeit auf Dokumente zugreifen können. "Bei traditionellen Lernmanagement-Systemen muss man sich erst auf eine Plattform einloggen, um Dokumente herunterzuladen, die man dann mit einer Drittsoftware bearbeiten muss, um sie erneut hochzuladen, wenn man sie mit anderen teilen will", so Ricken. "Die HSG wollte aber eine wirklich einfache, papierfreie Lösung, mit der Studenten ihre Dokumente direkt bearbeiten und teilen können." Als die Marktevaluation keine geeignete Software ergab, wandte sich die Hochschule an die Digitalagentur Prime Digital. Gemeinsam begannen die Partner, eine Lösung zu entwickeln, die den Dokumententausch innerhalb von Hochschulen revolutionieren sollte.
Möglich ist auch, sich in Live-Kommentaren mit Mitstudenten auszutauschen. (Quelle: Maxbrain)
Ausserdem kann man Dateien in der Suche nach Wörtern durchsuchen. (Quelle: Maxbrain)
Und in Textdateien können Studenten handschriftlich Notizen an den Rand schreiben, Textstellen markieren und Verlinkungen einbauen. Maxbrain arbeitet daran, die Funktionen weiter auszubauen. (Quelle: Maxbrain)
Die Maxbrain-App ist für den Desktop, iOS und Android zu haben. Studenten können sich damit zum Beispiel Powerpoint-Präsentationen in der Übersicht anschauen und direkt im Dokument Notizen oder auch Fotos einfügen sowie Wichtiges hervorheben. (Quelle: Maxbrain)
Das System 4.0 rollt an
Entstanden ist ein neues Lernmanagementsystem, hinter dem nun das junge Edtech-Unternehmen
Maxbrain steht. "Schon in den 20er-Jahren gab es Lernmanagement-Systeme in Form von Maschinen, mit denen man Tests machen konnte", klärt der Maxbrain-Chef auf. "In den 60er-, 70er-Jahren entstanden dann die ersten IT-Systeme der amerikanischen Unis und um die Jahrtausendwende die Lernmanagementsysteme von heute." Letztere, zu denen Moodle, Olat und Ilias gehören, stellen Dokumente online bereit und bilden Administrationsprozesse ab. "Wir sehen Maxbrain als nächste Generation, als Lernmanagementsystem 4.0, das plattformübergreifend, geräte- und ortsunabhängig und Cloud-basiert funktioniert."
Boris Ricken selbst ist im September letzten Jahres zu Maxbrain gestossen, als das Produkt bereits marktreif war und das Start-up gegründet. Die letzten sieben Jahre war der Politik- und Wirtschaftswissenschaftler als Chief Operating Officer bei einem grösseren Schweizer Investment Consultant unterwegs. Nun gehört er zu einem von vier Partnern, die gemeinsam die Bildungs-Software an den Mann bringen wollen. Stefan Fraude von der HSG sowie Basil Hangarter und Christian Paredes von der Agentur Prime Digital waren von Beginn an dabei. Im Executive MBA der Universität St. Gallen und in anderen HSG-Programmen ist Maxbrain bereits im Einsatz. Die Studenten speichern ihre Dokumente in einer Private Cloud, wo sie diese bearbeiten und von unterschiedlichen Endgeräten aus aufrufen können – in einer eigenen App für iOS und Android oder einer Weboberfläche. "Die Universität managed die Mastercloud", führt Ricken aus. "Sie pusht die Materialien in die einzelnen Private Clouds der Teilnehmer. Somit müssen sich diese nirgends proaktiv einloggen, sondern erhalten neue Unterlagen automatisch." Über das Dokumentenmanagement-System können Verantwortliche auch Berechtigungen setzen, sprich wer welche Dokumente einsehen und was damit machen darf. "Und wir haben ein System für die Studienadministration, die damit Teilnehmer, Professoren und Zahlungsprozesse verwalten kann wie auch Kurse und Module." Möglich sei auch, das System über eine Schnittstelle an weitere Systeme anzubinden. "Wenn jemand eine andere Datenbank nutzt, um seine Studenten zu verwalten, können die Daten so synchronisiert werden."
Um Ressourcen flexibel einzusetzen und Kosten zu sparen, arbeitet
Maxbrain mit Entwicklern aus verschiedenen Zuliefererfirmen zusammen, mitunter aus dem Ausland. Die Zusammenarbeit läuft über Entwicklerplattformen, Telefon und Skype. "Mit zukünftigem Wachstum ist vorgesehen, auch in der Entwicklung verstärkt eigene, interne Ressourcen einzusetzen", so Ricken, der circa 70 Stunden pro Woche für Maxbrain investiert. "Am Ende des Tages gäbe es immer noch etwas zu tun", sagt der zweifache Vater. "Andererseits haben wir alle Familie, da muss man sich abgrenzen, damit man nicht 24 Stunden vor dem PC sitzt." Zu seinen Aufgaben als Geschäftsführer gehört mitunter die Kundenakquisition. Gut 40 potentielle Kunden hat er bereits getroffen, neben Hochschulen auch Bildungsinstitutionen und Weiterbildungsanbieter sowie Unternehmen. Für letztere, ist Ricken überzeugt, könnte die Software bei internationalen Schulungen durchaus von Interesse sein. "Firmen müssen ihre Unterlagen zum Teil global an verschiedenen Standorten verteilen und das geht mit unserer Lösung per Knopfdruck."
Verkauf im Abo-Modell
Je nachdem, wie gross eine Institution ist, verlangt
Maxbrain pro Nutzer einen Fixbetrag pro Monat. Eine Universität könnte zwar einen rabattierten Tarif erhalten, trotzdem stellt sich die Frage, ob sie den Aufwand und die Kosten für solch einen Umstieg bereit sind zu zahlen. Boris Ricken ist davon überzeugt. "Open Source ist auch nicht kostenlos", meint er, "weil eine eigene IT, die die Software bewirtschaftet und einrichtet, eben etwas kostet." Ausserdem trumpfe Maxbrain mit all den neuen Funktionen. "Aktuell haben wir die wichtigsten Grundfunktionalitäten integriert", sagt er, aber denkbar sei noch viel mehr. "Beispielsweise, dass verschiedene Benutzer gleichzeitig an einem Dokument arbeiten können, wie das bei Google Docs der Fall ist. Oder, dass man einen Chat für Arbeitsgruppen einbindet." Im Backend seien diese Möglichkeiten bereits angelegt, und wenn ein Kunde Interesse zeige, sei das schnell gemacht. "Wir haben das Produkt für die HSG entwickelt, aber andere Kunden haben andere Bedürfnisse." Und auch auf diese will Maxbrain eingehen. Schliesslich soll das Lernmanagementsystem am Ende den Dokumententausch in der gesamten Bildungslandschaft verändern.
(aks)