Wenn eine OdA-Leiterin wünschen dürfte

Von Barbara Jasch

Ende Lehrjahr darf sich eine OdA*-Leiterin Gedanken machen, was es in der Digitalisierung und in der Welt der ICT-Bildung zu wünschen gäbe.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2016/07

     

Jedes Jahr schliessen rund 2400 ICT-Lernende ihre Berufslehre ab und sehr viele packen rasch die Weiterbildung an. Das lebenslange Lernen gehört einfach dazu, fachlich, betriebswirtschaftlich oder in Führungsthemen. Ich wünsche mir, dass Firmen die Anforderung an die Lernenden nicht noch höher ansetzen: ein 17-jähriger ist noch kein Projektleiter oder genialer «Kundenversteher».
Die Lehrmeister-/innen (modern Berufsbildner/innen genannt) haben in vielen Betrieben nicht den Stellenwert, der ihnen gebührt. Das Ausbilden gehört mit mindestens 20 Stellenprozenten in ihren Aufgabenbeschrieb, denn sie stellen sicher, dass es Junior-Fachleute gibt. Ich wünsche mir, dass das Ausbilden einen höheren Stellenwert bekommt und nicht nur in Dankesreden vorkommt.

Weniger Paragraphen

Die Betriebe haben Freude am Ausbilden. Diese hohe Motivation wird aber durch sehr viele Rahmenbedingungen und Auflagen gebremst, welche durch die Verbundpartnerschaft (Bund, Kantone, Betrieb) entstehen. Ich wünsche mir eine fitte, effiziente Berufsbildung und viel weniger Administration und weniger gesetzliche Paragraphen.
Die ICT-Branche hat einen Fachkräftemangel. So sagen es Studien und die vielen ausgeschriebenen Stellen. Meist werden Fachleute mit tertiärer Ausbildung gewünscht. Aber woher kommen die? Aus der klassischen Berufslehre alleine nicht, es braucht auch erwachsene Quereinsteiger aus anderen Branchen. Ich wünsche mir, dass die Kantone und Verbände die Einstiegshürden weniger hoch ansetzen, denn sie verhindern mehr, als dass sie helfen. Zudem sollte man für die Zweitausbildung der Quereinsteiger ein Finanzierungsmodell finden wie für die tertiäre Bildung (bislang zahlen Quereinsteiger die Ausbildungskosten selber).

Neue Modelle einführen

Das duale Bildungssystem ist unbestritten eine tolle Sache und der Keimling auch einer Laufbahn in der ICT. Die Branche weiss aber nicht, wie die Tätigkeiten in zehn Jahren aussehen werden. Die Transformation verläuft in hohem Tempo, aber die Strukturen der dualen Bildung passen nicht dazu. Und die Bildung hinkt ja immer hinterher.
Ich wünsche mir, dass in der ICT-Branche viel offener neue Modelle der Grundausbildung diskutiert, getestet und eingeführt werden. Dafür bräuchte es Mut, Ideen und viel weniger administrative Hürden. Wie wäre es mit einer agilen ICT-Berufsausbildung?

Lernende nicht allein lassen

Die Digitalisierung ist in aller Munde und es wird gefordert, dass diese auch in der Ausbildung und insbesondere im Schulzimmer Einzug hält. In der Berufslehre ist es wichtig, dass der ICT-Nachwuchs mit all den digitalen Geräten umgehen kann und sie als Fachleute auch bewirtschaften kann.
Das Lernen an sich aber kann nie an ein Gerät delegiert werden. Und der Ansatz des «selbstorganisierten» Lernens ist ja schön und gut, aber es braucht auch geniale Berufsschullehrer, die nicht mehr lehren, sondern coachen. Ich wünsche mir, dass das Lernen mit neuen Medien unterstützt wird, aber dass Motivieren, Anleiten und Erreichen von Lernzielen wieder in den Fokus rückt. Liebe Berufsschulen, ich wünsche mir, dass es wieder guten Unterricht gibt und nicht die Betriebe die theoretischen Grundlagen aufarbeiten müssen, weil die Lernenden «selbstorganisiert» am Berg stehen.

Einflussreiche 500‘000 Franken

«ICT-Berufsbildung Schweiz», der Verband für die ICT Grund- und Weiterbildung, ist noch jung. Und es droht ein junger Verband zu bleiben, da die Finanzierung des wichtigsten Teils des ICT-Nachwuchses nicht gesichert ist. Ich wünsche mir, dass die einflussreichen Leute endlich aufwachen und merken, dass eine halbe Million Franken für die Grundbildung ICT eingesetzt unserer Wirtschaft genauso viel nützen wie Lobbyarbeit. Ohne eigene ICT-Fachkräfte können keine ICT-Aufträge in unserem Land bearbeitet werden!

Ethik mehr in den Fokus

Die Informatik ist speziell: Funktioniert alles, so nimmt die Gesellschaft sie als selbstverständlich oder gar nicht wahr; es funktioniert einfach. Und wenn etwas schief läuft, so heisst es, die Informatiker hätten es nicht im Griff. Ich wünsche mir, dass das Verständnis für Sicherheit in der ICT bei Branchenleuten wie in der Bevölkerung geschärft wird: Das beginnt bei Passwörtern und endet bei den Bildern im Internet. Und für unseren ICT-Nachwuchs wünsche ich, dass wir Ethik im Beruf und dessen Ausübung wieder vermehrt in den Fokus rücken.
Fazit meines Wunschkonzertes: es gibt sehr viel zu tun in der ICT-Grundbildung und ich danke allen engagierten Akteuren, gemeinsam werden wir dem Ziel – gute ICT-Fachleute – bestimmt näher kommen.


* Barbara Jasch ist Geschäftsführerin des Zürcher Lehrbetriebsverband ICT (ZLI), einer Organisation der Arbeitswelt (OdA, verantwortliche Organisation für die berufspraktische Ausbildung der Berufslernenden)


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